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Erste Konfrontation. Der Wachturm am Fluss.

Flussmündung

Es hatte ganz gut angefangen. Ottokar hatte sich seinen und Jahns Rat wohl zu Herzen genommen: Klare Befehle, kein Zögern, schön grob sein, saufen und ab und zu mal Respekt verschaffen. So war der Abend vor dem Ausrücken fast ein voller Erfolg gewesen. Wäre da nicht dieses für die Inselaner typische Grübeln und Denken. Sollen sie doch machen, aber nicht wenn die Soldaten es sehen können. Man man man.

Kunwulf ließ sich den Fahrtwind ins Gesicht blasen. Zum Glück war er schon einige Male auf einem Schiff gefahren und hatte sich somit an das Schaukeln gewöhnt...schrecklich.
Behutsam strich Kunwulf über die mächtige Axt, die neben ihm auf dem Boden stand. Ein weiteres Grinsen überzog sein Gesicht. „Ich bin Kunwulf, das ist meine Schlachtenkrähe und damit zerteil ich alles was mir in den Weg kommt, scheiß auf Geliebte!“ Bei diesen Worten an jenem Abend waren einige Orkensteiner blass geworden und hatten zu tuscheln angefangen. „Weil sie Angst haben“ hatte Kunwulf vermutet und sich innerlich gefreut.

Ein heftiger Ruck riss ihn aus seinen Gedanken. Mit raschem Blick stellte er fest, dass der Kapitän das Steuer rumgerissen hatte und das Boot nun still stand. Dabei fuchtelte der Kapitän wild mit den Händen. „Was bei den Ahnen war das denn du Ausgeburt eines Orks?“. Wild entschlossen stampfte Kunwulf auf den Kapitän zu und riss ihn herum. Dieser versuchte mit einem verzweifelten Blick auf das Vorderboot irgendetwas zu erkennen, doch Kunwulf riss weiter. „Deinetwegen wären wir fast alle ins Wasser gefallen du Ratte.“

„H-h-Herr, ich-ch versuche d-d-doch nur einen B-b-befehl entgegenzunehmen“ antwortet ihm der Kapitän. Die Handzeichen auf dem anderen Boot gingen noch kurz weiter und hörten dann auf.
„Dann erzähl, Bursche, rasch, was fürn Befehl?“
„Ja so genau konnte ich es ja nicht sehen, ihr habt mich ja w-w-weggeschubst.“
„Was konntest du denn verstehen?“
Mit etwas festerer Stimme antwortete der Kapitän.
„...aber ich kann gern nochmal nachfragen.“ „Orkscheiße, nein, ich hab genug gehört“ dröhnte Kunwulfs Stimme.
Endlich gab es was zu tun. Die Tage des Feierns, des im Kerker Verweilens waren nun endgültig vorbei und er hatte einen Befehl von Ottokar bekommen, sogar einen recht anständigen: Kunwulf sollte so schnell es geht einen Wachturm stürmen, keine Überlebenden.

„Dann los du Ratte, wo wir sind ist vorne! Männer, jetzt geht’s ab, jetzt wird Blut fließen, Normonter Blut. Wehe einer stirbt unanständig von euch! Ich verlange: Kein Zögern, kein Zaudern, keine Gnade. Verstanden?“

Ohne auf eine Antwort zu warten stellte er sich an die Rehling, nahm seine Axt in die Hand und winkte Ottokar zu, als sie an seinem Schiff vorbeifuhren.
„Bloß schnell runter von dem Schiff und dann ab durchn Wald, so wie wir es kennen.“

Nachdem er sich bei dem Kapitän über den Wachturm erkundigt hatte, verteilte er die Aufgaben an seine Männer und Frauen. Ein paar wenige sollten das Boot bewachen. Einige Schützen sollten sich verteilen und alles, was nicht zu Yddland gehört und aus dem Turm kommt abknallen, auch wenns nur ne scheiss Taube war. Der Rest sollte mit ihm den Turm stürmen. Aus Baumstämmen wurden schnell behelfsmäßige Rammböcke gebaut, die Männer verteilten sich und dann ging es los. Nach Beschreibung des Kapitäns war es ein ca. 15-20 Schritt hoher steinerner Turm mit einem Aufbau für eine Balliste. Was auch immer eine Balliste sein sollte, Kunwulf hatte nicht nachgefragt.
Je näher er dem Turm kam, desto mehr musste er sich eingestehen, dass sich auch in seinem Magen ein komisches Gefühl breit machte. Das letzte Mal als er mit einer Horde Männer einen Turm angreifen sollte waren nur zwei Mann lebend davongekommen, einer war er gewesen. Mit einem hastigen Blick erkundete er den Standpunkt all „seiner“ Kämpfer. Sie wussten was sie taten, im Wald kannten sie sich aus, doch waren dies zumeist blutige Anfänger, zwar Orkensteiner, aber dennoch blutige Anfänger. „Schwachsinn, einfach als Beispiel voran gehen und sie werden schon folgen“ dachte sich Kunwulf.

Die letzten Schritte waren sie nur noch vorangekrochen, beinah lautlos, der Turm ragte zwischen den Bäumen vor Ihnen auf. Rechts daneben Stallungen, man hörte mindestens zwei Pferde. Mit kurzen Anweisungen schickte Kunwulf zwei Axtkämpfer Richtung der Stallungen.
„Und wenn ich „Vorwärts“ rufe, dann geht’s ab...“endete er seine Ausführungen.
„Dein Vorwärts oder das von Ottokar“, grinste ihn Bert an, ein alter Haudegen mit viel Erfahrung.
„Es gibt nur ein Vorwärts du Idiot“, raunte ihn Kunwulf an und beobachtete weiter die Geschehnisse.

Dann auf einmal unterbrach ein lautes Stöhnen die Stille, gefolgt von einem kurzen Schrei. Kunwulf sah wie die zwei Orkensteiner aus dem Stall kamen und ihm das Zeichen gaben: Erfolg.

Leider hatte dieser Erfolg auch zur Folge, dass nun auch im Turm einiges geschah.

Scheiß drauf: „VORWÄRTS, ANGRIFF“, brüllte Kunwulf, sprang auf und stürmte auf den Turm zu. Er sah wie rechts und links es ihm mehrere Soldaten gleichtaten.

Da kommen viel zu viele bewaffnete Männer aus dem Turm, bei den Ahnen. Zu spät, kein Zögern, kein Zaudern, keine Gnade. Wie oft hatte ihm dieser Leitspruch schon Mut geschenkt und so war es auch diesmal. Zusammen mit Bert stürmte er Seite an Seite auf den Turm zu. Der erste Gegner stellte sich Bert entgegen, doch hatte er gegen den Veteran mit seiner Axt und dem Rundschild keine Chance. Blut spritze und traf Kunwulf im Gesicht. "Für Balduin!!“ Mit diesen Worten schwang er seine Schlachtenkrähe aus vollem Lauf gegen den Schild, der ihm entgegengehalten wurde. Er hörte Holz und Knochen zerbersten, einen verzweifelten Schrei, konzentrierte sich aber nur auf die Eingangstür des Turmes. Wehe die anderen würden ihm den Rücken nicht freihalten...

Ein wüster Kampf entbrannte. Schilde zerbarsten, Arme brachen und Köpfe rollten. Die Normonter versuchten das Tor zu schützen, waren allerdings auf diesen Überraschungsangriff nicht vorbereitet gewesen.

Schnell lag ein halbes Dutzend toter Normonter in ihrem Blut vor dem Turm. Die Orkensteiner versuchten indes sich Zugang zum Turm zu verschaffen. Hier halfen die Rammböcke. Und jedesmal, wenn die Rammböcke zum Anlauf neu ansetzen mussten, stellte sich Kunwulf vor die Tür und drosch mit seiner Axt darauf ein. Ihm lief Blut den Arm herunter, ob es sein eigens war oder das eines anderen, er wusste es nicht. Aber er war sauer, sehr sauer. Seit dem ersten Schlag war in ihm ein Gefühl der endlosen Wut entstanden. So eine scheiß Tür würde ihn nicht aufhalten.
Als die Holztür endlich nachgab brach Sonya, die ganz vorne den Rammbock getragen hatte, gespickt von zwei Pfeilen, zusammen. Kunwulf stürmte herein und wieder war es Bert, der mit ihm voranstürmte. „Hier kann ich nur einmal richtig ausholen“, dachte sich Kunwulf und setze zum Schlag an. Zwei Normonter Soldaten, einer mit Bogen, der andere mit Schwert, behinderten sich gegenseitig und konnten so dem Hieb des Orkensteiners nicht ausweichen. Blut spritze quer durch den Raum. „DAS HIER ÜBERLEBT KEINER VON EUCH NORMONTER SCHWEINESÖHNEN!!“ brüllte er so laut er konnte.

Stockwerk für Stockwerk arbeiteten sich die Yddländer zusammen nach oben. Jeder Raum wurde durchsucht und jeder Normonter wurde entweder im Kampf getötet oder vor dem Turm zusammengetrieben.

„Nur noch die letzte Tür zum Aufbau und bisher zwei Überlebende auf dem Hof“, erstattete Grimbold Bericht.

Als Kunwulf die Tür aufstieß fand er sich ganz oben auf dem Turm wieder. Nur ein einzelner Soldat stand hier, allerdings stand er vor einem Gerät, dass wie eine Armbrust aussah, nur in etwa 100 mal so groß. Ein riesiger Pfeil lag vorne auf einer Holzvorrichtung und die eiserne Spitze zielte genau auf ihn. „Deckung“ schrie Kunwulf und ließ sich fallen. Er hörte nur einen lauten Schlag und wie eine Sehne sich blitzschnell entspannte. Dann sah er diesen Riesenpfeil über sich wegfliegen. Mit gewaltiger Kraft bohrte er sich durch Berts Körper und riss ihn mit sich. Beide, Pfeil und Bert, trafen auf die Außenseite des Turmes und Kunwulf sah, wie gleichermaßen Blut und Stein durch die Gegend flog.
Dann erhob er sich, seine Augen verengten sich zu Schlitzen und er sah nur noch den Soldaten vor sich, der krampfhaft versuchte einen Dolch aus seiner Scheide zu ziehen. Blut tropfte von seinem Helm...

Ein weiterer Schrei zerriss die nun stillgewordene Szenerie. Man hörte mehrere dumpfe Schläge, 5, 10, 20. Dann sah man wie ein Soldat in die Höhe gehoben wurde und vom Turm 20 Schritt in die Tiefe geschmissen wurde. Mit einem ekligen Geräusch landete er auf dem Vorplatz.

Weitere Augenblicke später tauchten mehrere Orkensteiner am Eingang des Turmes auf, von oben bis unten mit Blut besudelt.

„Bericht“, raunzte Kunwulf in die Runde, während er vorneweg aus dem Turm schritt.

Nachdem er alles gehört hatte folgten weitere Befehle:
„Jede brauchbare Waffe wird ausgetauscht oder mitgenommen, Vorräte ebenfalls. Achja, und jedes Blatt wo irgendwelche Zeichen drauf sind oder Karten und son Zeug wird ebenfalls mitgenommen. Und jetzt zeigen wir den Überlebenden unsere Gnade.“

„Gib dem Gefangenen eine Waffe“, rief Kunwulf Fred zu, der ebenfalls in der Runde stand und nun verdutzt dreinschaute. Alle hatten sich versammelt und nur noch ein Normonter Soldat war am Leben.
„Bei 3 wirfst du sie ihm zu, hast du verstanden!“.
Eins...zwei...drei... Ein Langmesser flog durch die Luft und der Normonter Soldat fing sie geschickt auf, ein Anzeichen von Hoffnung in seinem Gesicht. Doch im selben Moment traf ihn eine schwere Axt mitten im Leib und zerteilte ihn fast in zwei Teile. Blut und anderes ergoss sich auf dem Hof.
Kunwulf hatte schon bei zwei angefangen zum Schlag auszuholen und blickte nun auf das klebrige Etwas unter sich. „Das ist unsere Gnade Bastard. Und das war für Bert.“

Er drehte sich um und sah wie ihm einige Recken zunickten, andere sich übergaben.
„Wir werden uns das Blut NICHT abwaschen. Ich will das Ottokar uns genau so sieht. Die blutige dreckige Fratze des Krieges. Vorwärts, unsere Gefallenen nehmen wir mit.“

Die Axt in beiden Händen und das Blut immernoch vom Helmschweif tropfend schritt Kunwulf in Richtung Schiff zurück.

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Ottokar umstellt ein Dorf

Als das Signal aus der Flussmündung kommt, gibt Ottokar Befehl die Schiffe dorthin zu segeln. Missmutig und voller Sorge blickt er dem Turm entgegen, der immer noch dunkel bemoost und trutzig auf der Landzunge steht. Er sieht Kunwulf am Strand stehen und winkt ihn heran, sobald sein Schiff angelandet war. Während er sich einen kurzen Rapport von dem Soldaten geben lässt, schweift sein Blick über den Kampfort. Erst jetzt fällt ihm auf, dass Teile des Turms herausgebrochen sind und dass es doch heftiger zugegangen sein musste, als er sich das erdacht hatte. Die Orkensteiner Soldaten stehen auf ihre Waffen gestützt im Hintergrund und erwarteten neue Order. Ottokar versucht ihren Blick zu deuten, aber sieht bei vielen eher Trotz als Pein. Ein Jungspund hält sich eben so auf den Beinen. Er hat wohl eine Menge gekotzt vorher. Viele haben leichte Verwundungen abbekommen, aber keiner scheint kampfuntauglich zu sein. ... bis auf die Toten.

"Ziel erfüllt, das ist was hier zählt" beschließt er Kunwulfs Bericht und klopft dem Soldaten auf die Schulter, das Blut und den Rond ignoriert er dabei.
Nach einem sehr raschen Begräbnis der eigenen Gefallen und einem improvisierten Götterdienst von Ottokar, holt sich der junge Ritter die Meinung der Kapitäne ein, ob der Fluss noch weiter befahrbar wäre.
"Es ist keine Zeit zu verlieren. Wir segeln in den Fluss. Ab jetzt gilt Fresse halten und aufmerksam sein. Wir sind im Feindesgebiet. Sobald das erste Schiff ein Gehöft oder eine Trutzburg sieht und es unverkennbar entdeckt wurde, wird ein Sturmangriff ausgeführt. Sind wir noch nicht entdeckt, so gebt Signal an mich. Ich entscheide dann."

Leise gleiten die 6 Schiffe den Fluss hinauf. Er ist hier so breit, dass zwei Schiffe bequem nebeneinander fahren können. Die Strömung plätschert leise an jedem Bug, während die Sonne langsam zwischen den Baumwipfeln versinkt. Ottokars Blick wandert über das Schiff zu seiner Rechten. Die Männer darauf sind gespannt. Jahn steht am Mast und schaut mit verschränkten Armen das andere Ufer an. Er bewegt sich nicht. Ottokar wendet seinen Blick wieder ab und überlässt seinem eigenen Ausguck die Sicherung. Mit einem Kohlestift schreibt er Namen in sein Buch...Bert ... Sonya ... Egbert ... Flynn ... Es waren ein paar wenige, aber Ottokar zwang sich, die Namen auswendig zu lernen. Immer noch ist er aufgebracht, unruhig, er muss sich zwingen, diese Gefühle nicht zu zeigen. Und das macht ihm zu schaffen.
Der Ausguck reißt ihn aus seinem Grübeln. "Wir haben Licht da vorne, Ottokar" zischt er. Ottokar besieht sich die Situation. Es scheint ein einfacher kleiner Weiler zu sein, der einen kleinen Bootsanleger und 5 oder 8 einfach, strohgedeckte Hütten besitzt. Am Steg hängen Netze zum Trocknen und es stehen Reusen herum. Ein wenig Bewegung ist auch zu sehen und am Brunnen steht ein Maibaum.
Rasch erteilt er seinen Befehl an die übrigen Boote und die Schiffe legen einen Zahn zu, als sie von jeweils 8 Leuten zusätzlich mit Rudern voran getrieben werden. Schnelligkeit war nun alles und es dauerte nicht lang, bis Lärm im Dorf laut wurde. Sie waren entdeckt. Ottokars Herzschlag beruhigte sich. Er hatte diese Ruhe direkt vor dem Sturm mittlerweile schon oft genug erlebt und ließ nicht zu, dass er sich in die Hosen schiss.
Als der Bug knirschend auf den Sand stößt, war Ottokar mit gezogener Waffe bereits über die Reling gesprungen und jagt nun mit langen Sätzen auf das Dorf zu. Mit der Ungewissheit, ob die Soldaten hinter ihm sind, packt er das Schwert fester und treibt es einem normontischen Soldaten in vollem Lauf durch dessen Parade in die Schulter. Ohne die Geschwindigkeit zu verringern, dreht er die Klinge aus dem im Fall begriffenen Toten, was ein hässliches, schmatzendes Geräusch verursacht. Begleitet von einem dumpfen Stöhnen holt er zum nächsten Hieb aus.
Der Kampf entbrennt, aber dauert nicht sonderlich lange an, weil es kaum namhafte Gegenwehr gibt. Als sich das Chaos ein wenig lichtet, brüllt der Ritter bereits seine Befehle. "Dorf umstellen, Niemand entkommt, Geiseln beim Brunnen zusammen treiben..." Er schickt drei Soldaten pro Haus los, um nach Indizien zu Akrodus zu suchen, was sich aber als Vergebens entpuppt. Hier scheint er nicht zu herrschen, oder zumindest nicht gewesen zu sein.
Auf dem Dorfplatz liegen 15 normontische Soldaten. Bei den eigenen Mannen gab es nicht mal einen Kratzer, was Ottokar ein siegesgewisses Grinsen auf das Gesicht zaubert. Die restliche Dorfbevölkerung steht in zwei Gruppen um den Brunnen.
"Jahn und Kunwulf - Ihr zwei sorgt mit eurer Besatzung dafür, dass die Gefangenen in ein Haus gesperrt werden. Darin soll sich nichts befinden außer einem Axtblatt. Die Türen und Fenster werden sodann von außen ordentlich vernagelt"
"Jesse - Dein Trupp holt Proviant aus den Häusern für die gesamte Mannschaft. Verteil es auf die Boote. Wir fahren gleich noch weiter." Missmutig zeigt der alte Veteran, dem Ottokar ein Kommando über eines der Boote gegeben hatte, in den Himmel. "Es ist schon finster..." "Danke, das sehe ich. Der Entschluss bleibt. Ausführen, Soldat!"

Nicht lange später, steht Ottokar wieder am Mast und versucht in die Finsternis zu starren, auf die das Boot zuhält. Es ist merklich dunkler geworden und die Sicht reicht nur noch wenige Meter. Er kaut auf einem Kanten Brot mit Hartkäse und gibt den Humpen mit verdünnten Wein an den Soldaten neben ihm weiter. Der junge Bengel nimmt ihn mit Dank in seinen Augen von ihm entgegen. Es ist ihm anzusehen, dass er etwas sagen möchte, aber er scheint sich nicht zu trauen und senkt seinen Blick auf den Streitkolben auf seinem Schoß. "Spucks aus Bursche. Was hast Du?" herrscht Ottokar ihn als, ein wenig zu heftig, als er es eigentlich vorhatte. Der Junge zuckt, aber schaut trotzdem ein wenig trotzig zu dem Ritter auf. "hm..inn Orknstain, hammwa es mitn Orkn zu dun. Das ist einfach. Die sin alle blutdurschtig und fiesch. Aber hia sinds Menschen. Ich will kain Menschen erschlagn. Erst rescht keinen, der hübsch is un Titten hat." Er spricht so leise, dass die umstehenden Soldaten ihn kaum hören können. Ottokar schaut verdutzt auf den Knaben, der da vor ihm sitzt, zerzaustes, blondes Haar, ein schäbiger Lederpanzer, der ein wenig zu groß ist und deutlich mehr Kämpfe gesehen hat, als der Junge hat schlagen können. Auf dem Schoß einen Streitkolben, gepflegt und unbenutzt, obwohl auf der Rüstung frische Blutsspuren zu sehen sind. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, von einem Orkensteiner Halbstarken auf eine leise, philosophische Diskussion angesetzt zu werden. Um Zeit zu gewinnen, nimmt er dem Jungen den Becher wieder aus der Hand und trinkt. "Juhnhelm, richtig?" Der Junge nickt. "Schau mal. Im Krieg geht es eigentlich nicht um ... " Ottokar heftet den Blick kurz in die Dunkelheit. Eigentlich weiß er nichtmal, was er dem Jungen sagen soll. Er ringt kurz mit sich und besinnt sich dann doch anders. "Juhnhelm, wir reden später. Jetzt gilt es aufmerksam zu sein." spricht er und lässt den Burschen sitzen. Er stellt sich neben Jamson an den Bug und schweigt, während die Boote stromaufwärts fahren.

Zwei Tage später stehen mehr Namen in Ottokars Buch. Esther ... Wansel ... Unfried ... Bertan ... Ohnke ... Lilli ... scheiße, es waren deutlich zu viele. Der letzte Einfall auf eine Siedlung am Wasser war deutlich anders verlaufen. Sie war befestigt und stärker bewacht. Zudem schienen sie Späher am Fluss gehabt zu haben, denn die Normonter begrüßten sie mit einem Pfeilhagel, obwohl es sehr früher Morgen gewesen war. Ottokar hatte damit gerechnet, dass alles noch schläft. Aber so einfach wurde es wohl nicht. Er ging die Namen weiter durch ... Ransel ... Piet ... Juhnhelm. Er kämpfte seine Selbstvorwürfe nieder, dass er kein Wort mehr mit den Jungen gewechselt hatte. Es hatte sich nicht ergeben. Das sagte er sich zumindest. Eigentlich hätte er sich die Zeit am Vorabend nehmen können, aber nun war es müßig. Er musste damit leben. Aber er versprach sich selber, dass er in Zukunft auch in Betracht zog, dass jede Unterhaltung die letzte sein konnte.
Nach dem Überfall war die Stimmung weiter gesunken. Nicht nur, dass sie einige gute Männer verloren hatten, auch die Taktik war nicht die Beste gewesen und es stellt sich kein Erfolg ein. Noch immer keinerlei Spur von diesem Akrodus. Ottokar spürte, wie sich die Stimmung spannte. Einstweilen wird getuschelt, wenn er im Lager vorbei geht und die anerkennenden Blicke hatten völlig aufgehört. Es musste sich bald etwas ändern, sonst stände er allein da oder schlimmeres.

Gegen Mittag des Tages mussten sie die Boote hinter sich lassen, da der Fluss an einer Fuhrt zu flach wurde. Die Boote zogen sie an Land und tarnten sie so gut es ging. Der Ritter ließ eine kleine Wache von 5 Mann zurück. Ab da ging es zu Fuß weiter und Ottokar wählte das Ostufer. Er hatte rein nach dem Bauch entschieden und flehte nun zu den Göttern, dass er richtig lag. Und er sollte Glück haben. Auf einer kleinen Anhöhe, gerade hoch genug um über den Fluss schauen zu können, ragte eine kleine Trutzfeste empor. Sie war aus verstärkten Hölzern errichtet und nach allen Seiten gut gesichert. Ein kleiner Aussichtsturm schien besetzt und Fahnen flatterten im Wind. Sie waren unverkennbar normontisch.
"Drei Später umrunden diesen Hügel. Ich möchte wissen, was ihr entdecken könnt. 3 Wachen in die Richtung aus der wir kamen. Schlagt Euch ins Unterholz. Ich möchte nicht von hinten angegriffen werden. Der Rest bereitet ein Lager abseits der Straße" Zum Glück hatte sich die Laune der Soldaten nicht so weit ins Negative verkehrt und die Befehle werden prompt ausgeführt.

Einige Stunden später, hörte sich Ottokar den Bericht der Späher genau an. Mitsamt der restlichen Anführer sitzt er um eine im Sand nachgebildete Festung herum, die er aus den Erfahrungen der Späher ergänzt. "Wir werden die Taktik Hornissenschwarm umsetzen. Hier, hier und hier werden drei gleich große Truppen warten. Hier drüben, an der Scheune möchte ich Soutzen und seinen Bruder haben. Weiterhin ...." Der Ritter erklärt seine Taktik den Soldatenanführern, die zuerst nicht sonderlich begeistert drein schauen. Je mehr er erklärt, desto mehr anerkennende Blicke bekommt er jedoch. Die Veteranen unter ihnen erkennen langsam, dass es so klappen kann. "Morgen, wenn der Grünfink singt, schlagen wir zu." mit diesen Worten entlässt er die Anführer, die sich ihren Trupps zuwenden und die Befehle weiter tragen. Einmal mehr ist Ottokar mit seiner Entscheidung allein und er kämpft die Unsicherheit gezielt nieder. Sein Plan war gut durchdacht. Er würde schon klappen. Er musste einfach klappen.

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Am Fluss: Kurz vor dem Ziel

Feste am Fluss

Akrodus vom großen Fluss rotzte den verbliebenen Kautabak in den Wind. Seitdem er vergangenen Tages von seiner Inspektion der Verteidigungsstellungen in den Wäldern zurückgekehrt war, war er unruhig. Irgendwas lag in der Luft. Er hatte ein Gespür dafür. Aber noch konnte er nicht ausmachen, was es sein könnte.
Im sich langsam auflösenden Frühnebel begutachtete er den Wehrturm mit der Wachmannschaft darauf. Er hatte sie extra verstärken lassen, weil der Turm in solch einem gammeligen Zustand war. Das Wetter hier machte dem Holz zu schaffen und so wurde es schneller morsch als sonst wo. Drecksbezirk. Er hatte das nicht verdient, hierhin abgeschoben worden zu sein. Und das alles wegen dem Oberwebel… Blöde Geschichte.
Um sich von diesen misslichen Dingen abzulenken, stellte er sich vor, wie er gleich die Torfstecherstochter im Dorf wach vögeln würde. Er lag gerne bei Melissa, sie war so schön rund um die Hüften und hatte wunderbare Knautschbäckchen. Er mochte das.

Akrodus packte sich eine neue Dosis Kautabak hinter die gelblichen Zähne. Der gedrungene Mann ruckte an seiner Kettenrüstung und rückte das Schwert zurecht, als einer seiner Wachleute auf ihn zugelaufen kam. „Herr, im Dorf hat sich eine Menge versammelt. Keine Ahnung was das ist. Meuterei oder so. Kommt rasch.“
Noch während er seine Schritte beschleunigte, um dem Wachmann zu folgen, kam ihm eine andere Wache entgegen. „Herr auf ein Wort!“ „Erklärs mir im Gehen.“ raunte der Anführer den Soldaten an.
„Herr, die Patrouille mit Egbert, Sanders und Kaara ist immer noch nicht zurück.“
„Drauf geschissen, die drei sind so dumm, die versuchen ihrem Schatten auszuweichen. Nimm Dir … Moment, sagtest Du Kaara oder Keira?“
„Eh.. die Blonde, Herr.“
Also Keira. Bei ihr verhielt es sich anders. Sie war, im Gegensatz zu Kaara, tüchtig und eine ordentliche Soldatin. Auf sie war Verlass und jetzt erinnerte er sich daran, dass er sie extra mit Egbert und Sanders zusammen gesteckt hatte. Vielleicht wirkte ihr Tatendrang und Gehorsam auf die zwei ab. Akrodus ungutes Gefühl verstärkte sich. Es gab nur wenig Möglichkeiten, warum die Patrouille nicht zurückgekehrt sein konnte. Im Geiste spielte er alle durch und blieb auf der Stelle stehen. Noch ehe er aus dem Osttor Richtung Dorf marschiert war.
„Wir werden angegriffen! Du! Ab zur Kriegsglocke, schlag Alarm! Du! Lauf zu meinem Quartier, ich benötige meinen Helm und Panzerhandschuhe!“ Die beiden Soldaten guckten arg verblüfft. „Hört ihr schlecht, Befehle werden nicht weggestarrt. MARSCH! – Hey, Torwache! Macht die Schotten dicht. Verteidigungsfall.“

Als die Glocke läutete, kam Bewegung ins Lager und überall sprangen Soldaten aus ihren Zelten. In aller Eile wurde sich angezogen, gerüstet und gewappnet. Während sich Akrodus seinen Helm fest zurrte, schrie er bereits Formationsbefehle. Wer auch immer ihn hier angriff, sollte einen verlustreichen Kampf bekommen.
Die Zelte im Innenhof ließ er hastig abreißen. Die waren nur im Weg. Auf der Empore des Haupthauses ließ er Schützen Stellung beziehen. Dort hatte man einen guten Überblick auf den Platz und da es keinen Wehrgang sondern nur docke, eicherne Bohlen gab, musste das reichen.
Vom Osttor kam Kunde, dass sich die Gruppe Richtung Tor bewegte. Akrodus verstärkte die Mannschaft dort, ohne jedoch alle vom Haupttor abzuziehen. Sein Blick wanderte zum Wachturm, auf dem Niemand mehr zu sehen war. Mist! Auf einem Auge blind zu sein, mochte er gar nicht, auch wenn es kritisch war. „Ihr drei dort, rauf auf den Turm und mir Bericht erstatten, was ihr seht!“
Er half kurz einem Soldaten mit dem Brustpanzer und als er sich umdrehte sah er eben noch, wie der erste Soldat von der Plattform direkt wieder runter geschossen wurde, einen Armbrustbolzen zwischen den Augen. Der zweite Soldat auf der Leiter zögerte. „ Nun rauf da, Soldat. So eine Armbrust braucht sehr lange zum Nachladen!“
Auch der zweite wurde in die Schulter angeschossen und sackte vor Schmerzen auf der Plattform zusammen. Der Wachturm war für Akrodus verloren, aber immerhin wusste er nun, dass zwei Schützen auf der anderen Seite lauerten. Kaufen konnte er sich dafür gerade gar nichts.
Er ging zwischen seinen Soldaten her und verteilte letzte eindringliche Worte und machte Mut, während das Bollern vom Osttor und Haupttor immer lauter und eindringlicher wurde. Jeden Moment würde eines der beiden bersten. Mit lautem Knarzen war es dasjenige nach Osten, welches splitternd in seine Einzelteile zerrissen wurde. Angreifer in grün schwarz strömten auf den Innenhof. Konnten das wirklich Yddländer sein? So weit im Innland, hinter dem Gehölz. Warum war das nicht aufgefallen? Dafür würden Kopfe rollen.
„Rahmknecht! Mit Deinen Leuten das Osttor verstärken!“
Es waren gar nicht so viele Kämpfer, die einfielen. Ihr wilder Lauf wurde rasch durch seinen Schildwall aufgefangen und zum Erliegen gebracht. Das war geradezu lächerlich, was da durch sein Tor marschierte und Akrodus wollte gerade siegessicher lächeln, als ein Bolzen einen seiner Männer im Schildwall in den Rücken traf und zu Boden gehen ließ. Hektisch schaute er zum Wachturm, auf dem plötzlich auch drei Männer in schwarz grün standen. Da barst das Haupttor und unter lautem Gebrüll stieß der weitaus größere Teil der gegnerischen Streitmacht mit solch einer Wucht in den Innenhof vor, dass die erste Schildreihe direkt überrannt wurde. Es brach ein wildes Gemetzel aus. Akrodus war schlachtenerfahren genug um die Ruhe und Übersicht zu behalten und er suchte nach einem Anführer. Er machte einen Hühnen mit einer großen Axt aus und setzte umgehend drei Schützen auf ihn an. Dann zog er seine Klinge und ließ einen gegnerischen Hieb elegant abgleiten um nach einer Finte dem Opponenten das Schwert in den Rachen zu bohren. Das spritzende Blut erreichte ihn schon nicht mehr. Er schwang das Schwert bereits gegen einen neuen Gegner.

Einige elende, lange Minuten, schien der Kampf ausgeglichen und keine Seite gewann die Überhand. Akrodus kämpfte verbissen und erkannte plötzlich einen Gegner, der genau wie er, immer wieder Kontrollblicke warf, Kämpfer neu ausrichtete und präzise Schwertstreiche führte. Das musste der andere Anführer sein. Er wandte seine Schwertklinge gegen den Mann. „Du, Ritter! Komm zu mir dann … „ der Rest seines Satzes ging in Gurgeln unter. Ein Messerheft ragte ihm aus der kleinen ungeschützten Stelle zwischen Halsberge und Helm und Akrodus sah nur noch einmal kurz Melissas Titten, bevor er von irgendwas zu Boden gefegt wurde. Dann sah er noch Stiefel und Matsch und dann sah er gar nichts mehr.

„Bestandsaufnahme, Kunwulf.“ Ottokar wischte sich mit dem Handrücken Blut von der Wange, wo ihm ein Bolzen beinahe die Lichter ausgeblasen hatte. Seine Rechte drückte er gegen die Rippen, wo ihn ein Hammer empfindlich getroffen hatte.
Kunwulf und Jahn standen bei ihm und sahen ähnlich beschissen aus. Aber sie lebten und das war was zählte.
„Wir haben noch 48 Soldaten kampfbereit. 13 sind verwundet, aber am Leben. Der Rest ist dahin.“
Ottokar war bewusst, dass es hart werden würde und die Zahlen schmerzten ihn, trotz des Sieges. Jahn hatte einen Befehlsstand und einen ziemlich großen Schnappskeller gefunden. Beides war in dieser Situation von entscheidenden, strategischen Interesse. Während der Schnapps in Bechern bei den Soldaten die Runde machte, warf Ottokar einen Blick auf die Pergamente. Karten, Reiserouten, Bestandslisten und niedergeschriebene Befehle. Genau die Ausbeute, auf die der Ritter gehofft hatte. Unsicher war nur, ob Akrodus bei den Toten war.
Keiner seiner Soldaten hatte ihn als Anführer ausgemacht, aber Jahn und Soutzen waren sich sicher, dass sie einen Anführer hatten fallen sehen. Er wollte aber auf Nummer sicher gehen und gab daher Befehl, die Leichen zu durchsuchen. Er bekam allerlei Tand und nutzloses Zeug aber ein Liebesbrief wurde gefunden.
„Ich will diese Melissa befragen. Führ sie her, ebenso wie ihre Eltern.“
Das Verhör verlief einigermaßen problemlos. Unter Tränen gestand Melissa alles. Ottokar war erstaunt, dass Akrodus wohl ein herausragender Liebhaber und fürsorglicher Mann gewesen war, und ihn rührte das Schicksal der Torfstechertochter sogar. Aber er konnte nichts tun und entließ die drei nach einer Weile. Immerhin hatte er nun seinen Beweis, dass er den Anführer erwischt hatte. Es auf diese Weise zu erfahren, gehörte wohl einmal mehr zu den schmerzlichen Dingen, die ein Krieg so mit sich brachte.

Nachdem alle seiner Soldaten geborgen und alles Plündergut verstaut war, gab Ottokar Befehl zur Rückreise. Als ein Soldat auf die Plünderung der Stadt hinwies, schlug ihm der Ritter direkt ins Gesicht. Er hatte keine Geduld, sich nun mit den Trieben der Soldaten auseinander zu setzen. Daher macht er die Unterhaltung kurz und bündig.
Dann verteilte er alle Soldaten auf die Schiffe, auch wenn sie so deutlich unterbesetzt waren. Keines sollte dem Feind in die Hände fallen, wenn jetzt doch noch Verstärkung eintreffen sollte.

In sich versunken lehnte er am Mast und schrieb die restlichen Namen in sein Buch. Diese würden nicht vergessen werden, aber nun sollten seine Gedanken beim Erfolg sein. Er hatte das geschafft, was Balduin von ihm verlangt hatte. Er hatte seine Männer einigermaßen unbeschadet hinter die feindlichen Linien geführt und hatte Akrodus getötet. Er konnte zufrieden mit sich sein, doch urplötzlich wurde er unsanft von den Füßen gerissen und taumelte nach vorne. Er rappelte sich auf und schaute sich hektisch nach einem Hinterhalt um, aber es war lediglich das Schiff auf Grund gelaufen.
„Blitz und Donner, Herr, wir haben viel zu wenig Wasser. Es ist weniger geworden.“ sprach sein Kapitän und zerrte kurz vergebens an der Ruderpinne. Auch die anderen Kähne setzten kurz später auf und bewegten sich nicht einen Meter mehr. Der Kapitän widersprach allen Hoffnungen von Ottokar, den Fluss weiter zu fahren. Zwei seiner Späher kehrten zurück und berichteten, dass man einige hundert Meter weiter das Ufer beinahe trockenen Fußes wechseln konnte. Der Ritter schaute grimmig zu Jahn rüber und sah darin genau das Funkeln, welches er erwartet hatte. „Also doch durchs Gehölz. Ich bin nicht begeistert, aber wir haben unserem Marschall Bericht zu erstatten. Außerdem ist hier zu warten eine verflucht schlechte Idee.“ Einer der letzten Soldaten hatte aus dem Haupthaus Botenraben fliegen lassen, kurz bevor sie ihn getötet hatten. Ottokar wollte sich einer anrückenden Verstärkung mit diesem verwundeten Haufen nicht entgegen stellen. Düster blickte er dem Waldrand entgegen, der beinahe verträumt im Sonnenlicht funkelte. Grillen zirpten, Vögel sangen und der Wind bewegte sehr leise die Baumwipfel.

Der Ritter aber wusste, dass darin der Tod wartete.

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Auftrag erledigt

Mährendorfer Gehölz

Ein dornenbewährter Ast schlug Kunwulf ins Gesicht und riss ihm die Wange auf. Er unterdrückte einen Fluch und folgte weiterhin den Schritten Ottokars. Hoch konzentriert und bis aufs äußerste gespannt blickte er sich rasch um. Um die 30 Kämpfer hatten sich hier verteilt und streiften durch den Wald. Die Vorhut, bestehend aus Jahn und fünf weiteren erfahrenen Waldkundigen, die Flanken, bestehend aus jeweils sieben Nahkämpfern und zwei Armbrustschützen, sowie die Nachhut, sieben Armbrustschützen. Zwischendrin ungefähr ein Dutzend Verletzte und die Schiffbesatzung, die sich irgendwie mitschleppten. An diejenigen, die sie zurücklassen mussten, wollte er gar nicht erst denken. Und erst recht nicht an die, die sie noch zurücklassen werden müssten...

Der Angriff auf die Feste war ein voller Erfolg gewesen. Hier hatte Ottokar bewiesen, dass er Orkensteiner Kampftaktik mit seiner komischen Art von Kampfstrategie verbinden konnte. Ergebnis waren zwar viele Tote, aber eben die meisten auf normonter Seite und vor allem: Der Befehl des Marschalls war erfüllt.
Nachdem das Osttor gestürmt war, hatte Kunwulf dort gut für Ablenkung sorgen können. Wie Berserker hatte seine Kameraden und er sich dem Schildwall entgegengeschmissen, und viele waren dort mit Ruhm zu den Ahnen gegangen, aber der Plan war aufgegangen.
Allerdings hatten sich die Bastarde besser verteidigt als gedacht.

Seine Lederrüstung war total zerfetzt und hing nur noch an seiner rechten Seite, sein gesamter linker Arm hatte eine bläulich-grüne Farbe angenommen und sah aus wie abgestorben. Beugen konnte er ihn nicht mehr. Um diesen Umstand nicht jedem zeigen zu müssen, umklammerte er seine Axt nur noch akribischer. Durch den krampfhaften Druck hatten sich schon Furchen in das Ledergriffband eingezeichnet, aber das war ihm egal.

Nachdem sie den Wald betreten hatten lief es genau einen halben Tag lang gut. Sie kamen recht gut voran, Ottokar übernahm trotz Bedenken Jahns die Führung und so waren Sie immer tiefer in den Wald eingedrungen...Bis der erste Hinterhalt gekommen war. Jahn hatte es als erster bemerkt und auch andere Veteranen konnten sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Aus dem Nichts heraus schwangen mächtige Baumstämme, die an Seilen befestigt waren, durch das Herz des Trupps. Einem Schiffskapitän wurde der Schädel zertrümmert und seine Hirnmasse verteilte sich über die übrigen Zivilisten. Auch Ottokar, der sich in der Mitte aufgehalten hatte, wurde von den Beinen gefegt und krachte scheppernd zu Boden. Dann stürzten ca. ein Dutzend Normonter aus ihren Verstecken und griffen an. Erst nachdem Jahn dem letzten normonter Kämpfer seine Dolche in die Brust getrieben hatte und Kunwulf ihm mit einem seitwärts geführten Hieb ein Bein abgetrennt hatte, kehrte wieder Ruhe ein.
Die Normonter hatte blutige Rache genommen und mehr als sieben Orkensteiner Kampfer hatten bei diesem Überfallkommando ihr Leben gelassen.

Ottokar war nicht ansprechbar, aber am Leben. Jahn hatte daraufhin kurzzeitig die Führung übernommen. Niemand hatte es gewagt zu wiedersprechen und Kunwulf hatte nur mit ernster Miene neben ihm gestanden, die Schlachtenkrähe bluttriefend in den Händen haltend. Durch die neue Aufteilung und Einteilung der Kämpfer kamen Sie nun deutlich sicherer und schneller voran. Auch Ser Ottokar hatte einsehen müssen, dass hier in diesem Wald andere Regeln gelten. Das Kommando hatte weiterhin er, doch verlies er sich zunehmend auf die Instinkte Jahns und der anderen Orkensteiner Waldläufer. Kunwulf hielt sich nun ständig in Ottokars Nähe auf, der es sich zwar nicht anmerken lies, aber anscheinend ernsthaft verwundet worden war.

Wieder peitschte ihm ein Ast ins Gesicht und hinterließ einen roten Striemen. Gerade wollte Kunwulf doch seinem Ärger Luft machen als ein jäher Schrei die Stille unterbrach.
Sofort nahm der Trupp die besprochene Kampfhaltung an, Schilde wurden um die Verletzten aufgestellt und Kunwulf kniete sich hin.
Die Quelle des Schreis war schnell ausgemacht. Jesper, ein Kämpfer mittleren Alters, war in ein knietiefes Loch getreten, welches oberflächlich mit Laub bedeckt geworden war. Aus seinem Unterschenkel ragte ein ca. 3 Spann langer und unterarmdicker Ast, der am Ende angespitzt worden war. Sofort war ein Kamerad bei ihm um ihm den Mund zuzuhalten, damit er nicht weiterschreien konnte. Jahn kam heran und untersuchte den Ast, der immernoch aus dem Bein des Mannes ragte. Er rieb eine zähflüssige Masse zwischen seinen Fingern und roch daran. „Hat jemand zufällig gelben Spahnbaum dabei?“, fragte er in die Runde. Alle schauten sich verwirrt um und schüttelten den Kopf. Als Jahn sich zu Jesper runterbeugte, sprach er etwas leiser: „Da wir kein Gegengift haben, und auch keinen Heiler, hast du jetzt nur noch sehr wenig Zeit eine Entscheidung zu treffen. Entweder du lässt das Gift durch deinen Körper strömen wo es innerhalb einer Stunde tödlich sein wird, oder wir werden dir jetzt das Bein abhacken und du hast eine Chance zu überleben. Entscheide dich, schnell. Wenn ich gleich wieder da bin brauchen wir eine Antwort.“ Mit diesem Worten verlies Jahn den Soldaten und besprach sich mit den Waldläufern, die sich daraufhin verteilten und den Boden mit Stäben absuchten.

Einige Stunden später marschierten sie weiter durch den Wald, ohne Jesper!
Dieser hatte sich für die zweite Variante entschieden. Da weder Medici noch Handwerker mit Säge zugegen waren, und Kunwulf die größte Axt besaß, war es ihm zugefallen, das Bein des Mannes abzutrennen. Dieser hatte jedoch mit seiner Entscheidung so lange gewartet, dass eine schwarze Färbung schon das Bein bis zur Hüfte ergriffen hatte. Laut Jahn musste hier der Schnitt erfolgen. Nachdem man das Bein abgebunden hatte holte Kunwulf aus und trennte mit einem genauen Hieb das Bein des Mannes unterhalb der Hüfte ab. Ein ekliges Knacken war zu vernehmen, als der große Knochen brach. Blut spritze wie aus einem aufgefüllten Wasserschlauch aus dem Körper Jespers hervor und besudelte die Umherstehenden. Nachdem man die Blutung hatte stillen können, war Jesper bereits so schwach gewesen, dass er nur noch getragen werden konnte. Wenige Augenblicke später hatte ihm Kunwulf seinen Dolch durch das Herz gejagt.
Und er hasste sich dafür. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er während der vergangenen Tage nur Schmerz und Leid gefühlt hatte. Und er hatte es genossen, jeden einzelnen Moment wo er einem Feind wehgetan hatte. Aber dies hier war etwas anderes. Er wusste es war das Richtige, Jesper von seinem Leiden und einer möglichen Gefangenschaft zu erlösen, aber man brachte keinen Kameraden um...verdammt. Und wo waren Heiler wenn man sie brauchte?

Seine Gedanken schweiften ab. Zu wenige gab es, und die, die es konnten, wollten lieber was anderes machen. Verbittert dachte er an Amelie und Ihren Entschluss, das Heilen aufzugeben. Bei den Ahnen, was eine Schande. Er würde ihr jeden einzelnen Verletzten vor die Füße werfen und dann selber entscheiden, wer ohne Heiler eine Chance zum Überleben hatte und wer nicht. Und diejenigen, die keine Chance mehr hatten würde er vor ihren Augen von ihren Leiden erlösen. Ein galliger Geschmack sammelte sich in seinem Mund und er spuckte aus.
Erst einmal aus diesem verdammten Wald heraus, dann sehen wir weiter.

Die Kundschafter hatten weiter gesucht und mehrere Dutzend dieser Löcher entdeckt. Ein besonders eifriger Waldläufer, der von Jahn voraus geschickt worden war, kehrte zurück und erstattete Bericht: „Sehr schwieriges Gelände, dichter Wald voraus, kaum ein Durchkommen. Man kann drum herum gehen und kommt dort durch lichteren Wald.“ Er spuckte auf den Boden. „Eine Falle, wenn ihr mich fragt, das sieht zu eindeutig aus.“

Ser Ottokar hatte entschieden kein Risiko mehr einzugehen. Dafür mussten sie sich allerdings durch dichteren Wald kämpfen, genau wie der Orkensteiner gesagt hatte. Dies kostete Zeit und Kraft, aber wenigstens keine weiteren Leben mehr.

Die Nacht und der darauffolgende Morgen verliefen relativ ereignislos. Sie kamen zwar langsam, aber stetig voran. Wieder war es der junge Orkensteiner Späher, der die Kunde brachte: „In etwa einer halben Meile wird der Wald wieder lichter. Dahinter erstreckt sich freies Ackerland. Ich denke wir haben den Wald dann durchquert.“ Allgemeines Gemurmel setzte ein, wurde aber jäh von Ser Ottokar unterbrochen. „Wenn es der Feind auf uns abgesehen hat, und das hat er, dann wird er jetzt seine letzte Chance haben uns zu erledigen.“

Hastig wurden verschiedene Befehle gegeben und dann setzte sich der Trupp wieder in Bewegung. Als endlich der Waldrand in Sichtweite kam, zeigte sich Zuversicht auf den Gesichtern der Kämpfer, aber vor allem auf denen der Verletzten und der Zivilisten. Doch diese Zuversicht wurde abrupt zerstört als sie erkannten, dass sich dort ein Trupp Normonter Soldaten verschanzt hatte. Sie schienen die Yddländer zu erwarten, denn alsbald fingen sie an, mit ihren Waffen auf die Schilde zu klopfen.

Kunwulf hörte die Stimme Ottokars nur noch gedämpft. Sein linker Arm fühlte sich taub an, sein ganzer Körper fühlte sich taub an. „...hier entscheidet es sich...jetzt...SIE ODER WIR...Die Überzahl haben wir, aber wir haben auch Leute die wir beschützen müssen...“

Der Griff um die Axt wurde immer fester, Blut rauschte durch seinen Kopf. Noch immer hörte er Ottokars Stimme, aber er verstand keine Worte. Sein Blick war auf den Schildwall vor ihnen gerichtet. ...“Sturmangriff..., wenn ich es befehle...“

Ein Schleier legte sich vor seine Augen, er konnte nicht mehr klar denken. Alles drohte vor seinen Augen zu verschwimmen... „ANGRIFF !!!“

Wie angewurzelt stand er da, unmöglich sich zu bewegen. Kein Zögern, kein Zaudern, keine Gnade! Er sah sich um, sah die Verletzten und sah die Kapitäne. Sie alle zählten auf sie als Soldaten. Mit einem Ruck riss er sich aus seiner Starre. Mit der flachen Seite seiner Axt schlug er sich dermaßen heftig selber vor die Stirn, dass er fast im selben Moment eine warme Flüssigkeit sein Gesicht runterfließen spürrte. Da war er wieder, dieser Zorn. Diese verdammte Normonter Hurensöhne. Die Sicht war klar. Alles oder nichts. Er spurtete los, die Axt fest in beiden Händen. Jetzt wird sich zeigen, ob du eine Schlachtenkrähe bist...

Sie war es! Alle Normonter, die sich in den Weg von Ser Ottokars Trupp gestellt hatten, wurden vernichtet, die meisten davon lagen nach wenigen Augenblicken zerstückelt am Boden.

Doch auch Yddland hatte geblutet: Die Hälfte der Soldaten hatten in diesem verdammten Wald ihr Leben gelassen, etliche waren verletzt und auch einen unschuldigen Schiffskapitän hatte es erwischt.

Krieg ist nichts für Helden! Krieg ist etwas für Schwachsinnige, die nichts mehr zu verlieren haben. Und eine bittersüße Erkenntnis traf ihn: Genau etwas für dich!

Die letzten Meilen legten sie nur noch humpelnd zurück, alle waren gezeichnet vom Kampf. Doch als die ersten Häuser Jedwardenburgs auftauchten, erhellten sich Kunwulfs Züge und obwohl er nicht singen konnte, stimmte er ein Lied an. Nach und nach stimmten weitere Orkensteiner mit ein, bis Sie letztendlich singend in die Stadt einzogen. Allen voran Schritt Ottokar mit finstere Miene.

Und das waren Ihre Worte:

Land des Falken, Land des Bären
Land der Wälder, Land der Ähren
Land, das rufet uns nach Hause.
Wir kehren Heim, Heim aus der Schlacht

Land des Krieges, Land der Helden
Land, das uns die Hoffnung schenkte.
Hör uns singen, hör uns flehen,
Wir kehren heim, heim aus der Schlacht.

Land der Asche, Land der Weisen,
Land des toten orkschen Feindes.
Sieh uns stürmen, sieh uns streiten,
Wir kehren heim, heim aus der Schlacht.

Land der Trauer, Land des Leidens,
Land der Hoffnung, Land des Herzens,
Land, das nie ward aufgegeben.
Wir kehren heim nach Orkenstein.

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Der Krieg ist vorbei

Jedwardenburg

Ein Desaster. Schmerzliche Niederlage. Hunderte tot oder verletzt. Die Festung niedergebrannt, aber nicht besetzt. Eine vorgelagerte Stellung an einem Wehrturm, die mangels Nachschub nicht zu halten ist. Wie konnte das nur geschehen?

So oft war er mit Ser Reinhard den Plan durchgegangen, alle Berichte der Kundschafter dutzendfach studiert. Wie bei allen Göttern und den Ahnen konnte Normont so schnell Verstärkung senden? Waren ihre Berechnungen falsch? Hatten sie Spione in den eigenen Reihen übersehen? Unmöglich. Nur die Ritter Yddlands wussten über die genauen Pläne, Wege und Zeitvorgaben Bescheid. Und für jeden von ihnen würde er seine Hand ins Feuer legen!

War der Angriff generell ein Fehler? Bei einem siegreichen Ausgang hätte zumindest die Möglichkeit bestanden, auf einen raschen Frieden hinzuwirken. Es war an der Zeit. DOCH WO LIEGT DER FEHLER???

Ein tönerner Krug zerbarst an der Wand. Schon seit Stunden hing der Marschall im großen Speisesaal der Jedwardenburg seinen Gedanken nach. Boten hatten ihm Bericht erstattet. Er wollte niemanden sehen.

Diesmal war es anders. Nicht wie in Orkenstein. Natürlich hatte er auch dort einige Niederlagen hinnehmen müssen. Aber niemals zweifelte er. In seiner Heimat wusste er, wusste jeder, wofür er kämpfte. Für Freiheit, die Familie, das nackte Überleben. Aber hier? Hunderte hatte er in den Tod geschickt. Und wofür? Für ein kleines, unbedeutendes Eiland an der Küste und für den Ruhm seines Markgrafen. War es das wert?

Zumindest konnte Ottokar diesen verdammten Flusspiraten seiner gerechten Strafe zuführen. So viele Monde hatte er an der Küste für Angst und Schrecken gesorgt. Dies hat nun ein Ende. Doch auch hier gab es schwere Verluste. 6 kleine Segler waren verloren und mehr als die Hälfte der entsandten Orkensteiner Soldaten hatten ihr Leben gelassen. Seine Brüder, gestorben fernab der Heimat.

Er hatte versagt. Er hatte enttäuscht. Seinen Markgrafen, die Barone, seine Ritterbrüder und alle Yddländer, die ihm vertraut hatten. Ein Großteil der Streitmacht Yddlands war vernichtet und es würde Monate, wenn nicht gar Jahre dauern, die geschundenen Linien wieder zu füllen.

Und diese Niederlage würde Konsequenzen haben. Für ihn und auch für Orkenstein. Der Markgraf verzeiht kein Versagen, aber das würde er auch nicht erwarten. Er würde Tassilo diese Schmach persönlich berichten und die volle Verantwortung übernehmen. Das war er sich, aber insbesondere seinen Ritterbrüdern, deren Getreuen und den Soldaten, die tapfer gestritten hatten, einfach schuldig

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