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Gabhan - 
Gegenwart - Spätsommer

„Die Sonne – in der Älteren Rede auch feainn genannt, war schon immer ein Sinnbild für Wachstum und Leben. Die Sonne ermöglicht mit Ihrer Wärme das Leben auf dieser Welt. Dies ist nur sinnig, braucht doch alles die Sonne, um zu gedeihen. Kein Wunder also, dass viele Religionen die Sonne zu einem wichtigen Teil ihrer mythischen Auseinandersetzung gewählt haben. Angefangen bei den zuvor erwähnten Elfen – denn auch der sechste Saveaed im elfischen Kalender wird feainn genannt und beginnt mit der Midaëte – der Sommersonnenwende. Und von den Elfen haben auch die Menschen diesen Brauch mit dem Johannisfeuer übernommen. Die Sonne ist ein Geschenk – und so ist es auch Nilfgaard

-         Aus dem Tagebuch des Atheris von Toussaint


Die Sonne schien über Cintra. Wie ein Brennglas schien sie vom Himmel und versengte die versprengten Grasbüschel am Wegesrand. Und sie schien von dem geteilten Wappen, dass immer wieder am Wegesrand der großen Straße aufgestellt worden war: Eine goldene Sonne auf schwarzem Grund auf der einen, drei goldene Löwen auf Blau auf der anderen Seite. Die Flaggen, Fähnlein und Wimpel waren ausgebleicht, die Hellebarden und Stöcke brüchig – doch sie hielten weiterhin die Fahne hoch. Niemand hatte in einem Anflug von Trotz oder fehlgelenktem Patriotismus gewagt die neuen Fahnen abzureißen.

Der Hexer wusste nicht, seit wann die Fahnen dort hingen – er konnte nur Vermutungen anstellen. Seit dem offiziellen Friedensvertrag? Seit der Heirat Emhyr var Emreis mit Cirilla von Cintra? Oder womöglich später bei irgendeinem anderen großen Fest, dass es notwendig machte eine der größten Straßen in einen Anschein von Einigkeit zu tauchen? Der Hexer wusste es nicht und es war ihm ehrlich gesagt auch egal. Seine Füße schmerzten, sein Magen knurrte und seine Geldkatze fühlte sich zu leicht an, um effektiv gegen das eine oder das andere vorgehen zu können.

Der Schultergurt drückte auf die verspannten Schultern, das dunkle Fuchsfell hatte er bereits in einem Beutel verstaut, die Riemen der Lederrüstung geöffnet. Doch diese minimalen Maßnahmen halfen nur wenig gegen die pralle Sonne, die unbarmherzig auf ihn niederbrannte und die Ringe seines Kettenhemdes aufheizte. Gabhan ließ sich auf einem Stein am Wegesrand nieder und genoss für einen kurzen Moment den Schatten, den eine der Fahnen-Sonnen warf. Er verfluchte in diesem Moment seine eigenen Mutationen und fuhr geistesabwesend über die feinen Rillen und Linien des Medaillons mit dem aufgerissenen Bärenmaul. Er war für derart heiße Temperaturen nicht geschaffen.

Wie lange er im Schatten gesessen hatte wusste der Hexer nicht, er musste eingedöst sein und erwachte nun von dem Ruck seines Medaillons. Schlagartig öffnete Gabhan die Augen – die Sonne war ein gutes Stück tiefer gesunken, verschwand nun hinter dem Horizont und hüllte die Straße, die er hinaufgekommen war, in blutrotes Licht. Blutrot war auch der Wagen, der ihm mit halsbrecherischem Tempo entgegenkam. Blutrot war der Mann, der den Wagen lenkte und bei dem er das Weiß in den Augen erkennen konnte. Blutrot war die Flanke des Pferdes, dessen Schweiß Gabhan bis hierher riechen konnte. Blutrot war das Blut.

Ein erneuter Ruck seines Hexer-Medaillons und Gabhan war auf den Füßen, das Silberschwert schnell wie ein Gedanken gezogen. Er lief dem Wagen nicht entgegen, sondern grub seine Füße fester in die Erde, kontrollierte seinen Atem – verengte die Augen zu Schlitzen, um gegen das Sonnenlicht blicken zu können.

Dann war das Ding schon bei ihm – die Sonne spiegelte sich golden auf dem schwarzen Chitin-Panzer, aus dem an allen möglichen und unmöglichen Stellen Gelenke und spitze, bewegliche Dornen ragten. Gabhan zog in einem schnellen Ruck die Silberklinge nach oben, spürte den erwarteten Widerstand und stemmte sich mit ganzer Kraft dagegen. Doch die Wucht, welche das Monster in seinen Sprung gesetzt hatte riss Gabhan mit. Er schlug hart auf dem Boden auf, spürte wie die Luft drohte aus seinen Lungen gepresst zu werden, doch er hielt dem Drang des plötzlichen Ausatmens stand. Ehe er wieder auf den Beinen war sah er das hintere Ende seines Feindes an ihm vorbeiziehen und griff nach einen der aus dem Ende ragenden gegabelten Dornen, vergrub seine Füße gegen den Schotter der Straße und zog. Ein Kreischen – ein Fiepsen entrang dem Ungetüm, ehe es von dem Wagen abließ und sich nun Gabhan zuwandte, mit klackerndem Kieferwerkzeug auf ihn niederstieß. Der Hexer formte mit einer Hand das Zeichen Quen, um sich unter dem tosenden Knallen des Wesens gegen seine Barriere wieder aufrichten zu können. Er wartete einen weiteren Angriff ab, löste das Zeichen auf und sprang zur Seite. Mit einem berstenden Geräusch kollidierte der Kopf des Ungetüms mit dem Boden. Gabhan griff nach seinem Silberschwert, dass noch immer zwischen einigen Segmenten der insektoiden Bestie steckte und riss dieses mit einem Ruck nach rechts, tauchte unter den wild zuckenden Beinchen hinweg und zerteilte die Bestie knapp Oberhalb dessen, was er als Rumpfmitte auszumachen glaubte. Die Bestie erschlaffte und auch Gabhan stolperte von dem Schwung nach hinten, hielt sich jedoch auf den Beinen und betrachtete den Riesentausendfüßler vor sich, dessen Kopfhälfte sich zusammengekringelt hatte wie die Zimtschnecken in den Auslagen der Zuckerbäcker.

„He, Meister!“ Gabhan erschrak über seine eigene Stimme, die noch rauer und ausgetrockneter Klang als normalerweise. „Geht es euch und den Pferden gut?“ er machte einen Schritt auf den Wagen zu, der Abseits des Weges zum Stehen gekommen war. Sein rechter Arm schmerzte, sandte ein dumpfes Pochen aus, dass der Bärenhexer noch nicht ganz einordnen konnte. Als er schließlich den Wagen erreicht hatte, saß dort der Kutscher zusammengesunken auf dem Bock. Gabhan roch das Blut, noch ehe er es sah: Eine dunkle Pfütze, die aus dem Fußtritt der Kutsche lief und im staubigen Sand des Wegrandes versickerte. Der Mann selbst war bleich wie Schnee. Seine Haut grenzte sich so nur umso stärker von dem schwarzen Rock und dem schwarzen Hemd ab, an dessen Ärmel goldene Sonnen genäht worden waren. Seine Kleidung und die Bauweise seines Wagens wiesen ihn als Nilfgaardischen Boten aus – nur die groben und blutigen Striemen an Hals und an der Seite seines Brustkorbes nahmen ihm jeglichen Ausdruck edler Bestimmung. Gabhan tastete wider besseren Wissens nach einem Puls. Die Rasiermesserscharfen Füße des Monsters hatten ihn aufgeschlitzt wie eine Mandarine. „Scheiße…“ murmelte der Hexer als ihm bewusstwurde, dass kaum ein Laie diese Wunden von normalen Schwertstreichen würde unterscheiden können. Das Pferd selbst war deutlich besser weggekommen als sein Halter, das war zumindest ein kleiner Trost. Doch was nun? Weit und breit war auf der Straße niemand zu sehen, doch wenn man ihn so aufgriff würde er wohl einiges zu erklären haben. Es ergaben sich nun drei Möglichkeiten – er konnte weiterziehen und mit etwas Glück erreichte er bevor die finsterste Nacht einbrach irgend ein Gasthaus, wo er sich frisch machen und seinen Arm anschauen konnte – dann war jedoch die Gefahr groß, dass jemand am Morgen des Weges kam und den aufgeschlitzten Schwarzen fand. Die zweite Möglichkeit wäre gewesen nach einer passenden Stelle im Wald zu suchen und den Nilfgaarder zu verscharren – doch was mit Pferd und Karren anstellen?

Gabhan seufzte schwer, als er den Nilfgaarder vom Bock hievte und hinten auf den Karren verfrachtete. Dann lief er zu dem zerteilten Tausendfüßler, warf sich dessen vielgliedrigen Leib über die Schulter und hievte auch diesen auf den hinteren Teil des Karrens. Er musste sein Glück versuchen. Womöglich glaubte man ihm zur Abwechslung mal die Wahrheit. Der Hexer schnaubte – er glaube selbst noch nicht ganz dran, aber das Pferd musste genauso versorgt werden wie er. Er hatte also keine Wahl. Zumindest redete er sich dies ein, während er den Wagen wieder zurück auf die Straße lenkte und den Weg in Richtung des nächsten Dorfes einschlug.

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Gegenwart - Bären

Ein kalter Windhauch blies Atheris ins Gesicht und sein ruhiger, stetiger Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft. Der Greifenhexer stand am Rande der gut vier Schritt hohen Mauer und starrte auf die große weiße Fläche, die sich auf der Ebene unterhalb der Mauer ausbreitete. Die kleinen Schneeflocken, die tanzend aus dem Himmel fielen, ließen die Szenerie friedlich erscheinen. Dieser schöne Moment des Friedens wurde abrupt durch ein lautes Knacken unterbrochen. Die weiße Fläche barst auseinander, und zwischen den sich bildenden Eisschollen begann sich etwas Riesiges zu erheben. Zunächst waren da nur zwei weiße, pelzige Ohren zu sehen - dann folgte der Rest des gigantischen Bärenkopfes. Der Blick des Bären war nach unten gerichtet, so dass er den Hexer auf der Mauer nicht sehen konnte. Während sich der Oberkörper des Tieres aus dem Eis schälte, wurde Atheris das gewohnte Gewicht seines silbernen Schwertes in der rechten Hand bewusst. Seine Faust umschloss die Klinge noch fester, als der weiße Bär sich fast vollständig erhoben hatte und sein markerschütterndes Brüllen ihm das Adrenalin im Blut kochen ließ. Das Wesen ragte gut zwanzig Schritt hoch in den Himmel und der Hexer bemerkte, wie er sich rückwärts von der Mauer weg bewegt hatte, auf der er noch einige Momente vorher gestanden hatte. Atheris blickte sich zum ersten Mal um und sah einen Bergfried hinter sich aufragen. Ein großer steinerner Adler mit gespreizten Flügeln stand über dem Eingang und blickte in seine Richtung ... "A d'yaebl aép arse! - Redanien!" fluchte der Nilfgaarder-Hexer laut. Verzweifelt schaute er zurück zu dem Bären, dessen schwarze, emotionslose Augen ihn nun fixiert hatten. Wie angewurzelt blieb Atheris in der Mitte stehen und wartete. Der Moment zog sich eine gefühlte Ewigkeit hin, bis schließlich der Bär sein Maul weit aufriss und eine Reihe von mannshohen scharfen Zähnen entblößte. In seinem Rücken erschall gleichzeitig ein lautstarkes "Gaude Mater Redania!" und in dem vermeintlich rettenden Eingang waren rote Schilde mit einem weißen Adler darauf erschienen und blockierten diesen. Es gab keinen Ausweg aus dieser Zwickmühle, dass wurde dem Hexer klar. Langsam hob Atheris seine Klinge und umfasste mit der linken Hand den Knauf. Egal was passieren würde, kampflos würde er nicht untergehen. Es war wieder der Bär, der die Ruhe durchbrach und mit nur einem Satz über die Mauer hinweg setzte. Das riesige, weit aufgerissene Maul senkte sich über dem Hexer nieder, der wiederum sein Schwert zum Hieb bereit fest umklammert hatte. "Se'ege na tuvean - Sieg oder Tot!" schrie Atheris noch, bevor ihn absolute Dunkelheit umhüllte.

Sein Puls raste ... sein Körper war in Schweiß gebadet ... die Laken seines Bettes waren zerwühlt. Ein helles kreischen von einer Frau riss den Hexer aus seinem Alptraum, und er öffnete seine schlangenartigen Augen. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, wo er sich befand und er schaute neben sich aufs Bett...es war leer. Erst als die Hand von Kathrin, der hübschen Schankmaid des Gasthofes, sich auf dem Laken zeigte, wurde ihm bewusst, dass die Gute sich ziemlich erschreckt haben musste, denn sie war aus dem Bett geflogen. Galant erhob sich Atheris und half ihr wieder auf die Beine. "Verzeih mir...meine Gute! Die Erlebnisse eines Hexers sorgen des Nachts manchmal für unangenehme Träume!" sagte er, was ihm ein versöhnliches Lächeln von Kathrin einbrachte und dazu führte, dass die beiden wieder im Bett landeten.

Einige Zeit später, die Schankmaid hatte das Zimmer längst verlassen, war Atheris dabei, seine Ausrüstung anzulegen, als ein Tumult von draußen seine Aufmerksamkeit erregte. Er schritt zum Fenster und öffnete die Läden seines Zimmers und blickte hinunter auf den Weg, der durch das Dorf führte. Dort saß ein schwer bewaffneter Mann auf einem Pferdekarren und hatte einen toten nilfgaarder Boten neben sich auf dem Bock sitzen, während hinter ihm auf der Pritsche die Überreste eines großen, zerstückelten Tausendfüsslers lagen. eine Patrouille Soldaten des Kaiserreiches hatten ihn beim Betreten des Dorfes sofort angehalten. "Gabhan?" entfuhr es Atheris, er hatte den Bärenhexer im Laufe des heutigen Tages wie geplant erwartet gehabt, aber nicht unter diesen Umständen. Er beeilte sich die Treppe hinunter in den Schankraum zu kommen und unter den überraschten Blick von Kathrin aus der Taverne zu stürmen. "E'er y glòir - Que aen suecc's?", grüßte der nilfgaarder Hexer seine Landsleute, die sich überrascht umblickten und für einen Moment verdutzt da standen, als sich ihnen ein zweiter Vatt'ghern näherte, der auch noch die goldenen Insignien des Kaiserreiches auf seiner Kleidung trug. Der Gruppenführer fasste sich zu erst wieder und grüßte Atheris höflich zurück. Bevor der Mann mit einer Erklärung ansetzten konnte, drückte der Hexer ihm ein kleines Stück Pergament in die Hand und sagte: "Visse gead'tocht gaedeen - va vort!" Es dauerte einen Moment, bis sich der Soldat durch das Schreiben gearbeitet hatte - obwohl da nicht viel Stand - und befahl dann seinen Männern, den Toten vom Wagen zu holen, um dann anschließend zu gehen.

Gabhan beobachtete das Geschehen schlecht gelaunt von seinem Sitzplatz aus und erst als die Patrouille abgezogen war, konnte er sich zu einem kurzen Lächeln hinreißen - "Atheris, schön dich zu sehen!"



 

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Gabhan - 
Gegenwart - Tavernengeschichten

Die Schwarzen, wie die Nilfgaarder landauf, landab genannt wurden hatten sich entfernt. Waren die lange Straße entlang gelaufen, um irgendwo - wussten die Götter was - zu tun. Fortgetragen von guten Stiefeln, die das kaiserliche Heer jedem Soldaten stellte und fort getrieben von einem kaiserlichen Erlass. Einem Erlass, der sich in der Hand des befreundeten Hexers befunden hatte. Gabhan wunderte sich. Er wunderte sich sogar sehr. Und er hatte allen Grund sich zu wundern, wo doch die meisten anderen seiner Zunft um jegliche Art an Neutralität bemüht waren. Doch die meisten anderen seiner Zunft trugen auch nicht die Sonne des Kaiserreiches auf der alten, benutzten Plattenrüstung. Ja die meisten seiner Zunft trugen noch nicht einmal eine solche Plattenrüstung. Zu schwer war sie für die meisten Hexergeschäfte, auch wenn sie von seiner Schuler, der Schule des Bären gerne getragen wurde. Doch nicht in der Machart, wie sie Atheris trug. Eine Machart, wie sie in den kaiserlichen Schmieden anzutreffen sein mochte. Bei ihrem letzten und bisher erstem Treffen war dieser Umstand Gabhan nicht bewusst aufgefallen, doch nun fiel es ihm auf - und es missfiel ihm, wenn auch nicht sehr. Großes Missfallen konnte er sich nicht leisten. Nicht hier und nicht in solchen Zeiten.

Also brachte er ein Lächeln auf seine Züge, das seine Augen sogar fast erreichte - wenngleich auch die alte Narbe auf seiner rechten Wange teuflisch weh tat wenn er so lächelte. Weshalb er es selten tat. Das es ihm schmerzen bereitete wenn er glücklich war, schien ein grausamer Scherz des Schicksals zu sein, an den er sich jedoch gewöhnt und den er auf seine eigene Art und Weise selbst als amüsant befunden hatte. Wenn auch nicht so sehr, dass man hätte darüber lächeln müssen - aus bekannten Gründen. "Atheris, schön dich zu sehen!" begrüßte er den nilfgaarder Hexer.

Der Hexer schwang sich vom Kutschbock hinab, kam schwer auf dem staubigen Boden auf und blinzelte gegen das Licht der Sonne an, das um den größeren Zunftbruder einen hellen Kranz bildete. Atheris musste sich vorwerfen lassen, sich mit voller Absicht ins Licht gestellt zu haben. Doch Gabhan ignorierte es geflissentlich und warf noch einmal einen letzten Blick in Richtung der Nilfgaarder, die nur noch als schwarze Schemen in der Ferne zu erkennen waren, und überlegte einen Augenblick, ob er Atheris auf die Depesche ansprechen sollte, mit der er auf so wundersame Art und Weise die Soldaten vertrieben hatte ... doch er entschied sich dagegen. Seine Kehle war zu ausgedörrt für lange Gespräche und er hatte in letzter Zeit schon zu viele hohe Meinungen aufgrund zu langer Gespräche revidieren müssen. Er konnte auf eine erneute Darbietung seines knirschenden moralischen Kompasses für den heutigen Tag durchaus verzichten. "Du stinkst nach Sex," knurrte er daher nur, umrundete den Wagen und warf selbst noch einmal einen Blick auf das, was er von dem Tausendfüßler übrig gelassen hatte und legte dann eine Decke darüber. Der Anblick konnte einem armen Tavernenbesucher den Morgen verderben und Gabhan war zu Rücksichtsvoll, um so etwas zu riskieren.

"Na komm", wandte sich der Bärenhexer an Atheris und stemmte sich gegen die schwere Tür der Taverne um diese aufzustemmen. Im Inneren roch es angenehm nach Kraut, Bier und Würsten. Eine Kombination die Gabhan schätzen konnte und die eine willkommene Abwechslung zu den Gerüchen war, die ihn sonst umgaben und von denen viel zu viele von jener Art waren, deren Aroma sich in Kleidungen festsetzte und dort blieben, bis man sie verbrannte. "Du bezahlst," befand er in Atheris Richtung, nachdem er den Blick der Schankmaid gesehen hatte, der definitiv nicht ihm galt. "Mir scheint, du bist bereits in Vorkasse gegangen..." er humpelte in eine Ecke der Schenke und achtete dabei penibel darauf, dass es nicht die hinterste war. Denn die hinterste Ecke einer Schenke war, wie jeder wusste, immer Verbrechern, Halsabschneidern oder Pfeife rauchenden Waldläufern vorbehalten und Gabhan sortierte sich in keine dieser Überkategorien ein.

Seufzend ließ sich Gabhan auf den Stuhl sinken, der mehr knarrte als er sollte und massierte sich den noch immer schmerzenden Arm. "Tut mir leid für die Verspätung. Ich... war eine Weile lang unpässlich. Habe länger gebraucht als angenommen ... Umwege ... Du kennst das..." er blickte auf und der Blick seiner raubtierhaften Augen wanderte an Atheris entlang, neben dem er sich wie das fühlte, was die Tavernenkatze am Kamin gerade hervorgewürgt hatte. "Wie ist es dir ergangen? Wir haben uns seit Solonia nicht mehr gesehen...", fragte er den Greifenhexer. Solonia - keine guten Erinnerungen. Eine Welt am Abgrund, dunkle Magie, Konspirationen und ein Warg, dem Gabhan die entstellende Narbe an der Schläfe verdankte. Und das waren noch die schönsten Erinnerungen, die er an das verfluchte Land hatte.

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Atheris musterte Gabhan, ihm war das Humpeln beim absteigen vom Wagen bereits aufgefallen und auch ansonsten schien der Bärenhexer nicht gut drauf zu sein, aber er kannte die Arbeit eines Hexers selber und auch er hatte die letzten Monate einiges erleiden müssen, nur trug er dies nicht zur schau, wie die meisten seiner Zunftbrüder. Als Gabhan das Thema auf Solonia lenkte, musste Atheris kurz schlucken ... viel war seit dem letzten Winter geschehen ... und der Bärenhexer sollte es wissen, wie es um Kaer Iwhaell, der Greifenhexerschule stand. "Kathrin, ein Kelch vom Hauswein für mich und für meinen Freund ... ein Krug Wasser!" rief Atheris durch den Raum, wobei er während seiner kurzen Pause ein wenig lächeln musste. Er hatte beim letzten Treffen bereits mitbekommen, dass der Bärenhexer fast nur Wasser zu sich nahm, damit ein zu hoher Alkoholkonsum die Wirkung der Hexer-Tränke nicht beeinträchtigte. Nach dem sie ihre Getränke bekommen hatten und Atheris einen großen Schluck aus seinem Gefäß genommen hatte, räusperte er sich, blickte Gabhan aus seinen schlangenhaften Augen an und begann zu erzählen, was in Solonia in den letzten Monaten passiert war.

"Gabhan...bei unserem letzten Treffen hatte Großmeister Valerian bereits angedeutet, dass wir Kaer Iwhaell aufgeben werden müssen. In einer Welt, die dem Untergang geweiht ist, in dem sich gottgleiche Kreaturen bekriegen und der Mond in drei Teile zerbrochen ist und diese hinabstürzen zur Erde ... in dieser Welt können wir nichts mehr ausrichten." Atheris machte eine kurze Pause, nahm einen weiteren Schluck aus seinem Kelch, während Gabhan zustimmend nickte. "Die Evakuierung lief wie geplant, bis uns die Nachricht ereilte, dass eine größere Gruppe an Fanatikern auf den Weg nach Kaer Iwhaell war, um uns zu vernichten. Seit wir Hexer in ihr Land kamen, hat dieses schreckliche Schicksal begonnen und wir seien an allem Schuld ... das wir alles versucht haben, dieses Schicksal von Solonia abzuwenden, schienen sie nicht begreifen zu wollen ... aber so sind Fanatiker nun mal, in Redanien ist es auch nicht anders! Denk nur mal daran, dass sie ihre Magier verbrennen, obwohl diese damals in Sodden den Arsch gerettet haben!" fuhr Atheris fort. Der Bärenhexer nahm derweil knurrend ein kleines silbernes Kästchen hervor, streute sich etwas von dem Inhalt auf seinen Handrücken und zog den Schnupftabak mit einem lauten Geräusch ein. "Es sind immer die Vorurteile und Progrome, die uns Vatt'ghern das Leben schwer gemacht haben!" knurrte Gabhan schlecht gelaunt, während Atheris erneut das Wort ergriff: "Während der Schlacht wurden wir Schüler von unserem Großmeister Valerian getrennt und konnten uns gegen die Übermacht der Angreifer nicht lange halten. Nachdem die Fanatiker die Mauern überwunden hatten, konnten wir uns nur noch durch ein Portal retten ... und wenn ich dir erzähle, wer das Portal mit den magischen Steinen errichten musste, weil Nella ihr Bewusstsein verloren hatte...richtig...ich, der nachweislich keine Ahnung von derlei Dingen hat!" Gabhan machte erst große Augen und konnte dann ein kurzes Lächeln nicht unterdrücken "Du lässt auch nichts aus oder? Ich möchte mir nicht mal ansatzweise ausmalen, was alles bei einer unkontrollierten Nutzung eines Portals schiefgehen kann - auch wenn ihr nicht gerade eine Wahl hattet!" sagte er kopfschüttelnd. "Und Recht hast du Gabhan! Die Flucht klappte zwar, aber der Sprung ins Irgendwo brachte und ziemlich weit weg von unserem eigentlichen Evakuierungsziel der Leuenmark ... mitten in eine verlassene Stadt in der ofirischen Wüste! Ob Valerian die Flucht überlebt hatte, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, da er sich vor den Mauern Kaer Iwhaells befand. Nach einer Wochenlangen Odysse durch die verfluchte Wüste, kamen wir in Miklagard an und weißt du, wen wir da getroffen haben?" Gabhan überlegte kurz und erinnerte sich an die beiden Wissenschaftlerinnen, die er in Solonia getroffen hatte...aber wie hießen die beiden nochmal? "Die beiden Schwestern, diese... Sala und Eva?" war seine Antwort. "Richtig!" antwortete Atheris "Die Cousinen SALEHA und EIWA! Nicht nur, dass sie uns in ihrem Stadtpalais aufgenommen und versogt haben, wir konnten sogar an der Verbesserung der Kräuterprobe arbeiten und ich habe einiges über den Forschungsstand erfahren ... aber dazu später mehr! Nachdem die Forschungseinrichtung auch noch überfallen worden war und dabei einige Experimente entlaufen sind ... und nein diesmal waren wir Hexer sicher nicht Schuld! Haben wir nach einigen Wochen eine Überfahrt nach Nilfgaard und von dort in die Leuenmark klar machen können. Bei unserem Reiseziel, einer Fischräucheranlage, haben wir dann zu unserer Freude auch Großmeister Valerian antreffen können, der bereits ungeduldig auf uns gewartet hat. Vor zwei Wochen habe ich mich schließlich auf den Weg zu unserem Treffpunkt begeben ... wie ist es dir ergangen? Ich habe bemerkt, dass du humpelst? War das der Tausendfüßler?" beendete Atheris seinen Bericht.

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Es war wahrlich viel geschehen seitdem sich die beiden Zunftbrüder getrennt hatten. Sehr viel sogar. Deutlich mehr als Gabhan überblicken und noch mehr als er bereit war preiszugeben. Doch der andere hatte seine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, zu der es viele Fragen gab, die jedoch zu einem anderen Zeitpunkt gestellt werden sollten. An einem Ort mit weniger Betrunken und weniger Ohren. Doch Atheris hatte seine Geschichte geteilt und uralte Gepflogenheiten verlangten, dass er nun auch seine eigene Geschichte teilte. Zumindest in Ansätzen. Denn Erklärungen waren nötig, hatte sich doch viel verändert. Und weitere Veränderungen dräuten am Horizont. Es waren wahrlich verfluchte Zeiten.

Gabhan rückte seinen Gurt auf der schmerzenden Schulter zurecht und nickte dann langsam. "Genau. Den Arm habe ich der Myriopoda Maxima zu verdanken," erwiderte er leise und blickte auf, als die Schankmaid mit einem Wasser für Gabhan und einem Lächeln inklusive einem Glas Wein für Atheris wiederkam. Der Bärenhexer nahm es hin und der Maid den Krug ab, trank gierig einige große Schlucke, bei denen ihm ein Teil des Wassers in den Bart sickerte und zu Boden tropfte, doch es scherte ihn wenig. "Eigentlich war ich nur auf dem Weg hierher, ehe das Drecksvieh mir den Tag verdorben hat. Andererseits, wenn man sich ansieht was es mit dem armen Boten angerichtet hat, dann bin ich ja noch vergleichsweise gut weggekommen..." er schnaubte und stellte den Krug auf dem Tisch ab. "Ansonsten habe ich einen kleinen Umweg über Bogenwald gemacht. Hatte da ein paar Probleme mit Sklavenhändlern," er blieb einen Moment stumm, spürte Atheris blick auf sich und machte dann eine wegwerfende Handbewegung. "Nicht der Rede wert. Und reden werde ich auch nicht darüber..."

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Gabhan
Einige Tage zuvor - Sklaven
Gabhan reist aufgrund eines Umwegs nach Bogenwald und gerät mit einigen Sklavenhändlern aneinander.
Gabhan
Gegenwart - Weitere Tavernengeschichten
Gabhan und Atheris planen wie es weiter gehen soll
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Einige Tage zuvor - Sklaven

Männlich, Mitte zwanzig, muskulös, Besonderes Merkmal: Hautbild auf der rechten Schultern

Weiblich, Ende zwanzig, dürr, Besonderes Merkmal: Gute Köchin

Männlich, Ende zwanzig (?), drahtig, Besonderes Merkmal: Raubtieraugen

Männlich, Ende fünfzig, schlaksig, Besonderes Merkmal: Abgeschlossenes Studium im Bereich der Künste

(...)

-Liste, gefunden im Nachlass eines nilfgaardischen Sklavenhändlers, neuzeitlich


Die Anweisung war einfach gewesen. Eine weiße Stadt, in Mitten einer vom Meer umtosten Insel - starke magische Komponenten der vier weithin bekannten Elemente, durchzogen von den Kräften aus Licht und Dunkelheit. Gabhan hatte tatsächlich geglaubt, dass die ihm bekannte Zauberin mehr als in der Lage gewesen sein sollte mit diesen Informationen ein Portal an den richtigen Ort zu öffnen. Doch als sie beide durch das Tor getreten waren und sich dieses hinter ihnen geschlossen hatte, erkannten die raubtierhaften Augen des Hexers seinen Irrtum.

"Was schaust du so?" die Zauberin hob die Augenbrauen, kaum dass ihr das Gesicht ihres Begleiters aufgefallen war, dass deutlich missmutiger als sonst wirkte. "Wir sind falsch..." knurrte der Hexer und musterte seine Begleiterin voller Abscheu. Grazyna von Strept - Artefaktmagierin von Aurora Groll. Beneidenswert, denn die Grolls schienen gut zu bezahlen. Zumindest sprachen die Perlen auf Hut, Haarnetz und Kleid nicht gerade von einem Leben in Armut. Genauso wenig wie die Goldfäden, die mitten auf ihrer Brust eine große Sonne zeigten und den Blick unnötigerweise noch mehr auf ihr Dekoltée zogen. Nicht das sie etwas zeigte. Grazyna war hochgeschlossen wie eine Gouvernante. Und streng wie zwei.

"Du hast gesagt eine kleine weiße Stadt auf einer von Meer umtosten Insel, umgeben von der Macht der Elemente und gefangen zwischen Licht und Dunkelheit. Das hier entspricht genau deinen Vorgaben!" und das tat es. Bogenwald, ein kleines Dorf, wie es auf der Welt tausende gab, lag auf Siofra, einer von Meer umtosten Insel. Hier war Magie präsent, wenn sie auch dichter, anders wirkte. Und der Eichenmann und der Schrat waren Kreaturen aus Licht und Dunkelheit. Die Beschreibung traf. Dennoch war dies der falsche Ort. Gabhan war schon einmal hier gewesen, zur Zeit der Jahreswende. Als Die Welt noch eine andere gewesen war. Als SIE noch bei ihm gewesen war. Doch seit gut einem halben Jahr war alles den Bach runtergegangen. Und Grazyna war ganz und gar kein adäquater Ersatz für Sie. Noch nicht einmal in Ansätzen. "Das hier ist nicht Ekyne..." knurrte Gabhan. "Ach, auf einmal hat dein Ort auch einen Namen? Und wo sind wir dann?" - "Bogenwald," - "Du kennst diesen Ort also schon?" - "Vergiss es, fick dich Zauberin. Es war eine einfache Aufgabe!" Gabhan drehte sich auf dem Absatz um und stapfte in die Dunkelheit, vorbei an den hellen Tavernen, die den Weg nur matt erleuchteten, für ihn jedoch mehr als genug Licht spendeten. Falsch. Er war falsch. Aber wieso hätte er auch richtig sein sollen? Wieso hätte ausgerechnet Grazyna von Strept ihn an den richtigen Ort bringen sollen? Sie beiden schuldeten sich nichts, hatten durch unglückliche Umstände nur das Wohl und Wehe des jeweils anderen in der Hand. Sie musste es beinahe mit Absicht gemacht haben, war Gabhan sich sicher, während er Zielstrebig auf die Taverne zuging. Dort, mitten in der Tür stand ein Mann in abgerissenen Klamotten, der jenes seltsame Charisma ausstrahlte, das den glücklichsten aller Taugenichtse anhaftete und für ihr Überleben sorgte. Manche sogar zu Königen machte. "Aus dem Weg," knurrte Gabhan und schob sich an dem anderen vorbei, stieß ihn aus der Tür und ging in die Taverne.

Die Taverne "Zum torkelnden Schurken" hatte der Hexer als einen Ort der Freude in Erinnerung. Ein Feuer in der Mitte der Schenke, ein charismatischer, wenn auch Schlitzohriger Wirt, Gesänge. Gelächter. So hatte er die Taverne zur Jahreszeitwende erlebt. Doch von all dem schien nichts übrig geblieben zu sein. Das Feuer war aus. Die Taverne leer. Nur drei Gestalten hatten sich um den nahen These versammelt. Sie sahen wild aus. Ungestüm. Sie wollten nicht so recht zu diesem Ort hier passen. Gabhans Augen wanderten den Rest der Taverne ab, auf der Suche nach weiteren Anzeichen, als sein Medaillon ruckte. Sofort war seine Hand am Griff seines Schwertes, in dem Moment wurde er von hinten angerempelt. "Tut mir Leid Kumpel," der charismatische Taugenichts von vorhin. Gabhan entspannte sich, machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich glaube wir hatten keinen guten Start!" plapperte der Taugenichts weiter und Gabhan folgte dem leicht schwankenden, dabei bedacht die Neuankömmlinge mit den schwarz umrandeten Augen nicht aus dem Blick zu lassen, die sich kehlig unterhielten. Gabhan und Taugenichts landeten schließlich auf einer leeren Bank in der Ecke des Gastraumes und Taugenichts wechselte durch eigene Worte seinen Namen zu Tip. Ein einfacher und guter Name wie Gabhan befand. Und von Tip erfuhr er, dass die Schwarzaugen in der Ecke alte Bekannte in Bogenwald waren. Bekannte jener Art, die zu Familienfeiern kamen obwohl sie niemand eingeladen hatte, die sich daneben benahmen, anderen das Bier wegsoffen und am Ende das Haus des Gastgebers in Brand steckten. "Sie waren vor Eingien Wochen schonmal hier," erklärte Tip dessen lallende Stimme weniger ein Ausdruck übermäßigen Alkohols zu sein schienen, sondern mit dessem fehlen zusammenhing. Denn die Schwarzaugen, die offensichtlich der Meinung waren die Taverne gehöre nun ihnen, schenkten Gabhan und Tip alsbald Getränke ein. Irgend ein scharfes Zeug, das in der Kehle brannte und den Magen wärmte. Normalerweise verzichtete Gabhan auf Alkohol. Er machte ihn sowieso nicht betrunken und die Unmengen die man benötigte um den gewünschten Effekt zu erzielen sorgten dafür, dass man eine gewisse Immunität entwickelte. Eine Immunität, die in letztes Konsequenz auch die geheimen Hexertränke betraf, deren Grundbasis stets Alkohol gewesen war. Doch hier war es unhöflich, vielleicht sogar gefährlich das angebotene Gesöff nicht zu nehmen und so trank er den Becher in einem Zug aus. Zum Glück sprach Tip erst nach dem Absetzen des Kruges weiter, denn sonst hätte es ein Unglück gegeben. "Sie sind Sklavenhändler müsst ihr wissen", erklärte Tip. Gabhans Laune, die bereits am Boden lag, sank noch einige Etagen tiefer, so tief, dass sie Gefahr lief uralte Dinge die unter der Erde lagen zu wecken. Gefahren, die auch in dem Hexer selbst schlummerten und sich nun regten, verschlafen den Kopf streckten und die Augen aufschlugen. Sklavenhändler. Doch bevor er etwas erwidern konnte, bemerkte er wie erneut die Tür aufging und eine zweite Person mit zwei Schwertern die Taverne betrat, die sich auch sonst langsam zu füllen begann. Gabhan hob eine Hand um Tip zu unterbrechen, und durchschritt die Taverne bis zu jener dunklen, nicht von Kerzen beleuchteten Ecke, in der Lado saß. Der Hexer der Vipernschule, der sich hier in Bogenwald ein Haus gebaut und sich niedergelassen hatte. Ein ebenso seltener, wie beneidenswerter Lebenswandel.

"Von allen hässlichen Dreckskerlen auf dieser Welt," grollte Gabhan und Lado sah auf, lächelte und kam dem anderen zuvor: "Kommst du in mein Dorf!" die beiden Hexern brachten ein Lächeln auf das Gesicht und Gabhan ließ sich neben Lado sinken. "Gut zu sehen, dass du wohlauf bist" befand Gabhan und die beiden Hexer richteten ihren Blick auf die Neuankömmlinge. "Hast du von den anderen etwas gehört?" - "Nur wenig," beide nickten knapp. Die Situation schien sich nicht weiter aufzuheizen, wenngleich Gabhan auch noch immer spürte wie etwas dunkles tief in ihm gegen seine Pforten kratzte. Ein Verlangen nach Rache, getarnt als Gerechtigkeit. "Wirst du eigentlich im nächsten Winter nach Kovir reisen?" durchbrach Gabhan schließlich die Stille. Lado nickte langsam. "Ich habe die Nachricht von Valerian erhalten. Die Suche nach der alten Greifenschule. Ich denke ich werde dabei sein..." Auch Gabhan würde dabei sein. Hatte sich dies bereits fest vorgenommen um Ausschreitungen wie jene in Solonia zu verhindern. Um dort zu sein, wenn sich das weitere Schicksal ihrer aller Orden entschied. Und Gabhan hatte nicht vor untätig zu sein. Doch seine weiteren Gedanken wurden durchbrochen, als ein Schatten auf sie fiel und die beiden Hexer dazu nötigte die Köpfe zu heben. Dort stand, ein Glas in der Hand und ein spöttisches Lächeln auf dem Gesicht, Grazyna. "Da bist du ja Gabhan, willst du mich deinem Freund nicht vorstellen?" der Hexer seufzte, warf der Zauberin einen wütenden Blick zu und deutete dann auf sie. "Lado, das ist Grazyna von Strept. Leibzauberin des Senators Luzeran Gaius Groll. Grazyna, das ist Lado von der Schule der Viper" dann, etwas leiser fügte er hinzu, "Pass auf ihren Kragen auf Kumpel, wenn sich der aufstellt versprüht sie gerne Gift!" - "Amüsant, hast du noch weitere Weisheiten, die du deinem Freund gerne mitteilen würdest?" hakte Grazyna nach, trank aus ihrem Becher und hob eine Augenbraue. Gabhan knurrte, Grazyna nickte. Sie hatte offensichtlich nichts anderes erwartet. "Dann lass ich die Herren weiter über ihre ohne jeden Zweifel wichtigen Gespräche und Themen diskutieren. Ich wünsche den Herren Hexern noch einen angenehmen Abend!" Grazyna verschwand und Gabhan spürte Lados Blicke auf sich. "Bezahlen sie wenigstens gut?" Gabhan hätte beinahe aufgelacht, schüttelte den Kopf. "Noch habe ich keinen müden Heller gesehen!" - "Aber wieso..." - "Eine lange Geschichte Lado und ich bin nicht in der Stimmung sie zu erzählen!" - "Wenn du meinst, aber wo ist denn deine andere Begleitung? Die vom letzten mal?" Gabhan zuckte zusammen, als habe Lado ihm den Arm ausgekugelt. "Ich muss pissen," knurrte der Hexer, stand auf und verließ die Taverne.

Als Gabhan wieder in die Taverne kam hatte sich das Bild verändert. Lado saß nicht mehr auf seinem Platz, sondern stand in der Mitte des Raumes, die Daumen in den Gürtel gesteckt, ihm gegenüber einer der Schwarzaugen. Gabhan wusste, dass er sich nicht einmischen sollte. Das es ihn nichts anging. Doch ehe er sich dessen zu sicher war, war er bereits auf die anderen beiden zugetreten, eine Hand auf seinem Schwertgurt an der Hüfte, in welcher das Stahlschwert lag. "Gibt es ein Problem?" Schwarzauge blickte zu ihm, zeigte ein hässliches Grinsen. "Noch einer von deiner Sorte!" brüllte er, beinahe triumphierend. Er stank. Nach Alkohol, Moschus, Fell und Blut. Das Medaillon an Gabhans Hals ruckte noch einmal. Das Blut in seinen Ohren rauschte. Er verstand kaum was der andere sagte, während dieser darüber faselte was sie hier vorhatten. Einen Sklavenumschlagsplatz. Sie wollten hier Skalven verkaufen. Sklaven. Gabhan machte einen Schritt nach vorne, zwischen ihm und dem anderen passte kaum mehr eine Hand. "Ah! Der da hat Cojonnes! Was hast du? Wieso so aggressiv? ich habe doch nichts gemacht! Mit dir kann man nicht reden. Nicht handeln - der da, der ist ruhig. Vernünftig!" Gabhans Hand juckte, die Bestie in ihm kratzte vehementer gegen die Tür seiner Selbstbeherrschung. "Ah! Bringt nichts mit euch zu diskutieren!" befand Schwarzauge, nachdem auch Lado nicht antwortete und zog von dannen. Eine Weile des Schweigens, ehe Lado Gabhan von der Seite musterte. "Scheiße.." murmelte er bloß. "Du warst einmal ein Sklave oder?" Gabhan antwortete nicht, während seine Hand langsam vom Schwertknauf rutschte. "Ich warne dich vor Lado," erwiderte Gabhan. "Ich warne dich, weil ich dich mag. Es besteht hier die Möglichkeit, dass ich Blut vergieße. Viel Blut" Lado nickte. Er verstand. "Mein Schwert wirst du nicht im Rücken haben, auch wenn andere hier in Bogenwald das anders sehen könnten. Vielleicht spürst du meine Faust, falls es außer Kontrolle gerät, mehr aber auch nicht." "Danke, das weiß ich zu schätzen" - "Keine Ursache". Gabhan brauchte frische Luft.

Er kam zu dem Haus der Wache, in welchem er bereits zur Jahreszeitwende untergekommen war, in einem kleinen Raum neben der Treppe. Er brauchte nicht viel. Doch das Haus war nicht, wie er erwartet hatte, leer. Dort saßen, in alter konspirativer Manier, der alte Wachmann Sprotte, Heerführer Antonius, die Puffmutter Gwen und... Grazyna von Strept. "Was ist denn hier los?" knurrte Gabhan und betrachtete die Verschwörer bei Kerzenschein. Die Sklavenhändler waren los. Den hier anwesenden gefiel deren Anwesenheit hier nicht. Ihnen gefiel die Idee nicht, dass es hier einen Marktplatz für Sklaven geben sollte. Doch es gab Gesetze in Bogenwald. Gesetze, die Sklaverei erlaubten. Als Gabhan dies hörte verhärtete sich sein Gesichtsausdruck und er hörte bereits auf zuzuhören. Er konnte bereits erahnen in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickeln würde. Sagen konnten sie alle viel. Aber es war eine wichtige Sache ein Bürger in Bogenwald zu sein. Einem Ort, an dem Politik und die Magie des Waldes auf eine seltsame Art und Weise zusammenhingen. Sie alle hatten sich ein Leben hier aufgebaut. Und offensichtlich war man zu dem Entschluss gekommen, dass Sklaverei in Ordnung war und selbst die hier zusammengefundene Konspiration war nicht viel mehr als ein Sturm im Wasserglas. Keine der hier anwesenden würde etwas unternehmen, das wurde Gabhan schnell klar und er ließ sie alleine in dem Haus zurück, spürte Grazynas Blicke im Rücken.

Er brauchte frische Luft, kniete sich draußen in eine der Gassen und schloss die Augen. Erinnerte sich an die Meditationsübungen. Hexer mussten neutral sein. Aber wie sollte man neutral sein, wenn solch schreiende Ungerechtigkeit sich bereits ankündigte? Wie sollte er Die Welt zu einem besseren Ort machen, wie Sie es gewollt hätte, wenn er neutral blieb? Wie sollte er überhaupt Die Welt verbessern, wo doch selbst Orte wie dieser hier unter ihrer Oberfläche verdorben waren? Er hörte Grazynas Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. Offensichtlich diskutierte sie mit jemandem. Und auch die kehligen Laute erkannte er.

Er erhob sich und schritt durch die Dunkelheit, die ihm in wenigen Minuten ein treuer Verbündeter werden würde, ehe er vor dem Haus der Wache stehen blieb. Dort, im Schein einiger Fackeln standen die Zauberin und einer der Schwarzaugen, der größere der beiden Brüder. "Harz also?" die Zauberin zeigte ein dünnes Lächeln. "Höchst interessant. Und dieses Harz sorgt also dafür, dass eure Wunden besser heilen?" - "Ja! Wir sind unbesiegbar, denn das Harz macht unsere Sippe stark!" - "Faszinierend. Aber kennt ihr denn auch die Nebenwirkungen für eine solche schnelle Heilung? Wucherungen? Tumore? Wenn der Körper so schnell heilt kommt es schnell zu Fehlern müsst ihr wissen!" die Magiern betrachtete den Schwarzaugen wie ein Objekt, das sie gerne vor sich auf dem Seziertisch gehabt hätte. Für eine Biopsie. Dann eine Autopsie. Und irgendwann in einem großen Glas und Formaldehyd. Gabhan trat dazu, denn ihm war das Interesse Grazynas an dem Harz, dessen Wirkungen jener der Schwalbe nicht unähnlich waren ebenso aufgefallen wie Grazynas Blicke, die immer mal wieder auf seinen Tränken lagen, die er in der Tasche vorne am Gurt trug. "Sterilisation," brachte Gabhan an, der eine Chance sah. Die Möglichkeit etwas zu ändern. "Was?" Schwarzauges Blick schwenkte zu ihm. "Derlei Stimulanzien können zu Sterilisation oder Impotenz führen!" - "Das ist doch das gleiche!" - "Ist es nicht. Steril zu sein bedeutet zwar zu können, jedoch ohne ein Ergebnis zu erzielen. Impotenz ist, wenn man noch nicht einmal mehr kann!" - "So ein Unsinn, wenn man nicht kann, kann man nicht!" Gabhan nickte, fachmännisch und verständnisvoll, "Euch muss eure Impotenz nicht peinlich sein," erklärte er mit ruhiger Stimme und die Augen des Anderen wurden groß. "Fick dich! Ich hab nen Mordsschwanz, ich bin nicht impotent!" Gabhans grinsen wurde breiter. "Beweis es doch!" der andere schnaubte vor Wut, nestelte sich an der Hose herum. "Doch nicht vor der Dame! Hab doch etwas anstand Mann. Lass und draußen vor das Tor gehen!" er deutete in Richtung des Tores, dass aus Bogenwald hinaus in den Wald führte. Immer noch nestelnd und fluchend stapfte das Schwarzauge in diese Richtung und Gabhan folgte ihm, unter Grazynas verwunderten Blicken hinaus in die Finsternis. Dort mochte der andere nichts sehen, doch er sah alles. Erkannte dank dem leichten Schein des Mondes jede Kleinigkeit. Und als Schwarzauge sich umdrehte, um ihn einen Beweis für sein Geschenk von Mutter Natur zu beweisen, deutete die Spitze von Gabhans Stiefeldolch auf die Kehle des anderen. In dessen Augen stand nur für den Bruchteil einer Sekunde Angst. "Würdest du das wirklich tun?" fragte er und weckte damit in Gabhan erste Zweifel. War es das was er sein wollte? Ein Mörder, der anderen in der Dunkelheit mit heruntergelassener Hose die Kehle aufschnitt? Der Kerl vor ihm war ohne jeden Zweifel kein guter Mensch, aber war er, Gabhan das denn? Wäre es das, was Sie gewollt hätte? Was würde Sie von ihm halten, wenn Sie ihn hier sehen könnte? "Ich weiß es noch nicht," antwortete der Hexer daher langsam, verfluchte seine eigenen Selbstzweifel, als der andere weiter grinste. "Ich würde keinen Moment zögern!" hauchte Schwarzauge und Gabhan ließ das Messer schnell wie ein Gedanke nach unten wandern, die Klinge am Oberschenkel, in direkter Nähe zu etwas, um das der andere vielleicht mehr fürchtete als um sein Leben. "Spürst du das? Das bin nicht ich, der sich freut dich zu sehen. Da liegt deine scheiß Hauptschlagader du Arschloch. Eine Bewegung von mir und du verblutest wie das Schwein, das du bist! Wenn ihr morgen früh mit Sklaven hier ankommt, dann schlachte ich dich ab!" warnte er. Doch der andere grinste nur. "Wir werden mit Sklaven kommen! Und wir werden Spaß haben!" keuchte er und Gabhan unterdrückte das Zucken seiner Hand. Unterdrückte den Drang des Tötens. Den Drang seine eigene Gerechtigkeit durchzusetzen. Und er hasste sich dafür. Hasste sich für diese Schwäche. Diese Zweifel. Der Dolch wanderte zurück in seinen Stiefel und Gabhan bereute ihn nicht eingesetzt zu haben. Er spürte seinen Wunsch. Spürte den Wunsch, dass der andere nach der Waffe griff, als er ihm den Rücken zuwandte. Das er ihm einen Grund gab. Nur einen einzigen. Doch er gab ihm keinen und Gabhan konnte sich keinen einreden. So trat er zurück ins Dorf.


Der nächste Morgen brach an und von den Sklavenhändlern fehlte jede Spur im Dorf. Die Stimmung wurde ausgelassener, doch Gabhan gab sich nicht der Illusion hin, dass seine Aktion die anderen wirklich vertrieben hatte. Solche Leute ließen sich nicht durch Drohungen vertreiben. Niemals.

Zum Frühstück gab es Kaffee, Würstchen und Gerüchte. Für die ersten beiden Dinge hatte Grazyna Gabhan abgestellt, damit dieser Wasser warm und Fleisch heiß machen konnte. Für letzteres sorgte sie selbst. Doch da Gerüchte um diese Uhrzeit weder wach noch satt machten, beteiligte sich Gabhan nicht daran. Er hing seinen eigenen Gedanken nach, die sich einzig und allein um die Sklavenhändler drehten. Er fasste einen Plan und gedachte diesen auch umzusetzen. Sie hatte ihm beigebracht, dass man die Dinge auch erreichen konnte, wenn man die Leute überzeugte. Wenn man versuchte ihnen mit Menschlichkeit und Einsicht zu kommen. Er wusste nicht, dass der Plan zum Scheitern verurteilt war, denn ihm fehlte das Charisma und die Ausstrahlung, die Sie besessen hatte.

Sein erster Weg führte ihn zum Haus des Bürgermeisters Aldoran. Das heißt, es führte ihn zum Haus des Hexers Lado, in welchem Aldoran zumeist anzutreffen war und tatsächlich - die großen Flügelfenster zum Marktplatz hin waren offen, gewährten einen Einblick in die Giftstube des Hexers. Zwischen Vitriol, Geisterstaub, Nekrophagengift und Endriagenabsud saß das giftigste Gebräu Bogenwalds: Bürgermeister Aldoran. In Nachthemd und Nickelbrille, im Gespräch mit dem Herrscher der Unterwelt, Chapeau. Es verwunderte Gabhan weniger als es sollte, dass der hochverehrte Bürgermeister sich im morgendlichen Gespräch mit der abgerissenen Gestalt des Unterweltbosses blicken ließ.

Gabhan lehnte sich auf das Fensterbrett, über die Auslage und kümmerte sich kaum um das Gespräch der anderen, ehe er sich räusperte. "Also, was planen die werten Herren zu unternehmen, wenn unsere neuen Freunde die Schwarzaugen heute Abend wie angedroht mit Sklaven hier ankommen sollten?" unterbrach er die beiden laut und zwang sie damit ihre Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Aldoran blinzelte, sah zu Gabhan und betrachtete diesen eingehend. Rümpfte die Nase leicht ob des Geruchs, den Gambeson und Fell verströmen mochten. "Was sollen wir denn tun?" hakte er leise nach und hob die Augenbrauen. "Solange sie sich an die Gesetze Bogenwalds halten dürfen sie hier verkaufen was und wen sie wollen. Sklaven und Leibeigenschaft sind in Bogenwald erlaubt. Es sind ihre Sitten und Gebräuche und die müssen wir akzeptieren!" Gabhan blinzelte ungläubig. "Ist das dein scheißt Ernst?" grollte er und hatte jetzt schon nicht schlecht Lust den anderen am Kragen zu packen, über die Auslage und aus dem Fenster zu ziehen, um ihm hier und jetzt seine eigene Meinung mit dem Nietenhandschuh einzuprügeln. Doch er beherrschte sich. "Sklaverei ist hier also erlaubt? Du willst Bogenwald zu einem verfluchten Umschlagplatz für Sklaven machen? Weißt du, was das bedeutet?" doch der Bürgermeister schien sich nicht sonderlich dafür zu interessieren, was dies bedeutete, denn er hob nur eine Hand. "Die Schwarzaugen haben gesagt, dass sie über Informationen über die Orks verfügen. Diese könnten sehr nützlich für uns sein, haben im Frühjahr doch einige Orks Bogenwald angegriffen. Außerdem haben sie mir versichert, dass die Sklaven nur Kriegsgefangene sind. So ist Die Welt nunmal. Sie können sich doch glücklich schätzen, dass sie am Leben gelassen wurden!" Gabhans Beherrschung bekam einen gehörigen Schlag in die Magengrube. "Wenn ich also jetzt mein Schwert ziehe und Chapeau abschlachte, dir aber nur die Knochen breche und dich als Sklave mitnehme, würdest du dich dann glücklich schätzen? Immerhin habe ich dich nicht umgebracht!" der Bürgermeister wurde ein Stück bleicher, aber nicht sehr. Offensichtlich war er es gewohnt bedroht zu werden. Kein Wunder bei seiner Stellung. "Droht ihr mir?" - "Nein. Es war eine Metapher. Ein Sprachbild" - "Ich weiß was eine Metapher ist!" - "Dann wisst ihr ja auch wie ich sie gemeint habe!" Gabhan schüttelte den Kopf. "Diese Leute werden Unglück nach Bogenwald bringen. Ihr solltet sie aufhalten. Wenn hier ein Sklavenmarkt entsteht kommen noch mehr von ihrer Sorte. Und nicht mehr lang, bis die ersten Bürger Bogenwalds zu Sklaven werden. Bis ihr vielleicht überfallen werdet. Ihr erregt Aufmerksamkeit, die ihr vielleicht nicht haben wollt!" warnte Gabhan, doch der Bürgermeister wollte nicht hören. "Auch die Al'Habibs halten Sklaven. Es ist ihre Kultur, manche Menschen sind eben dafür geboren. Sie kennen doch nichts anderes. Sie sind sogar glücklich, denn so müssen sie sich um nichts kümmern. Bekommen Essen, eine Aufgabe," Gabhan schlug auf den Tisch, dass der Endriagenabsud umfiel. "Ihr habt doch keine Ahnung was ihr da redet. Habt keine Ahnung, was diesen Leuten gesagt wird. Was ihnen angetan wird, dass sie das glauben!" seine Mundwinkel verzogen sich Lefzenartig und seine Raubtieraugen fixierten den Bürgermeister. "Ach und ihr wisst es also?" hakte dieser spöttisch nach, doch Gabhan drehte sich auf dem Absatz um. Das hier brachte nichts. Wieso hatte er geglaubt er könne etwas ändern?

Der Abend brach an. Die Taverne füllte sich und auch Gabhan konnte der Sogkraft, die eine Taverne mit Met, Bier und Gesang ausstrahlte trotz seiner schlechten Laune nur schwer widerstehen. Im Inneren traf er nicht nur Grazyna wieder, sondern auch den Wirt der Taverne. Leto Kemperan. Ein Bär von einem Mann mit langen Haaren und buschigem Bart. Tavernenbesitzer, Lebemann und ein halber Drecksack. Gabhan hatte ihn bereits bei der Sommersonnenwende kennen und mögen gelernt, wenngleich auch ihr Ansichten zuweilen weit auseinander gingen. "Gabhan!" begrüßte Leto ihn, und setzte sich neben ihn und Grazyna. "Wie schön euch wieder zu sehen! Ihr kommt viel zu selten vorbei. Wirklich, viel zu selten!" die Taverne füllte sich, Gesund wurde angestimmt und Gabhan glaubte für einen Moment, seine Drohung hätten vielleicht wirklich Wirkung gezeigt. Leto gab eine Runde Schnupftabak aus. Verteufelt starkes Zeug, dass die verbesserten Sinne des Hexers für einen kurzen Augenblick übersteuerten. Ehe Gabhan wieder sprechen konnte, warf Leto ein Auge auf Grazyna. "Ich sehe, ihr seid erneut in weiblicher Begleitung unterwegs. Oh ihr Hexer habt wirklich ein Händchen für hübsche Frauen! Aber sagt, wo ist denn eure ehemalige Begleiterin?" Gabhans Laune sank umgehend und wenngleich er es auch kaum glauben mochte, sie sank sogar noch tiefer, als die Tür zur Taverne einging und drei Schwarzaugen mitsamt einer an die Kette gelegten Sklavin herein kamen. Gabhan sprang wie eine gespannte Feder auf, doch da hatten bereits andere die Sklavenhänder umringt. Er spürte das Blut in seinen Ohren rauschten, während einige Barden aus ebenso passenden wie unpassenden Gründen anfingen die Trommeln zu schlagen. Ein wilder Takt, der ins Blut ging, sein Herz passte sich an den Rythmus an und Gabhan griff bereits nach der Flasche Donner, entkorkte sie. Es war so einfach. Er musste nur die Flasche leeren. Er würde keinen Schmerz spüren. Er könnte nach seinem Schwert greifen, die Sklavenhänder umbringen. Blut vergießen. Sie würde ihn danach wohl aus der Stadt jagen. Würden ihn verfluchen. Vielleicht würden sich einige ihm sogar in den Weg stellen. Denn das Gastrecht stand hoch hier in Bogenwald. Diese würde er auch umbringen müssen. Nicht nur, weil sie im Weg standen. Sondern auch, weil Donner und die dadurch verursachte Trance keinen Platz mehr für Abwägungen ließen. Die Taverne war eng. Das Feuer nah. Die Folgen kaum auszudenken. Sein Blickfeld verengte sich. Der Totschläger knallte auf den Rücken der Sklavin. Ein Knall. Ein Hieb. Schmerzende Narben auf Gabhans Rücken. Ein Hieb. Ein Knall. Dunkle Stimmen. Der Geruch nach Qualm. Dunkelheit. Enge Gänge. Eine Spitzhacke in seiner Hand. Ein Knall. Ein Hieb. Schmerzen. Im Rücken. In der Seele. In der Lunge.

"Gabhan!" Grazynas Stimme durchschnitt seine Gedanken, die andere blickte ihn über die Flammen der Kerze hinweg an. "Nein." Der Hexer schluckte, kämpfte mit sich und steckte die Flasche zurück. Verkorkte sie wieder. Dann trat er auf die Masse zu, die sich um die Sklavenhändler gebildet hatte. Gwen, die versuchte die Sklavenhändler davon abzuhalten die Sklavin weiter zu schlagen. Aldoran, der von einigen anderen Bürgern bedrängt wurde etwa zu tun. Die Sklavenhändler, die selbst aggressiver wurden, weil die Leute nun doch mehr aufbegehrten. Gabhan trat zu Lado. "Kauf sie," knurrte er dem anderen ins Ohr. "Ich kann drei Silber drauflegen. Aber kauf Sie bei allen Göttern. Ich bin verdammt kurz davor die Geduld zu verlieren und wir wollen beide nicht, dass ich die Geduld verliere!" Lado blickte zu dem größeren Hexer auf und zu Gabhans erstaunen nickte er, besprach sich kurz mit Aldoran, dem die Situation ebenfalls zu entgleiten schien.

"Seid ihr ein Bürger Bogenwalds?" drang eine weitere bekannte Stimme an sein Ohr. Dort stand Tjark, ein Krieger den er ebenfalls schon einmal kennen gelernt hatte. "Nein," erwiderte Gabhan ohne den Blick von den Sklavenhändlern zu lassen. "Dann muss ich euch bitten eure Waffen abzulegen. Niemand, der kein Bürger Bogenwalds ist darf normalerweise Waffen innerhalb des Dorfes tragen und naja... die Sklavenhändler merkten an, dass wenn ihr eure Waffen tragt sie diese selbst ja wohl auch tragen dürften!" Gabhan starrte den anderen Ungläubig an. Das hier war kurz davor zu eskalieren und sie wollten ihm die Waffen abnehmen? "Willst du wirklich versuchen mir die Waffen abzunehmen, Bursche?" - "Nein. Eigentlich nicht. Aber ich bitte dich darum!" Gabhan blickte zwischen ihm und den Schwarzaugen hin und her, fluchte saftig und zog sich den Gürtel vom Kopf, ging zum Tisch an dem noch immer Grazyna und Leto saßen und knallte den Gürtel dort hin, ehe er zurück kehrte. Mittlerweile hatte man sich auf Zehn Silber geeinigt, die Situation schien schon unter Kontrolle, doch in dem Moment kam ein Mann in weiter Kleidung hinzu, mit einem Turban auf dem Kopf. "Fünfzehn Silber", erklärte er und Gabhan fiel beinahe aus allen Wolken. Sie hatten sie schon so gut wie gehabt, doch so viel konnte er nicht aufbieten, nicht einmal gemeinsam mit Lado. Um seinem neuen Bieter zu beweisen, wie viel die Sklavin aushielt trat der Sklavenhändler diese noch einmal mit solcher Wucht, dass Gabhan die Knochen knacken hörte. Erneut pulsierte das Blut in ihm. Die Schläge. Die Gewalt. Diese Hilflosigkeit. Und all diese Menschen um ihn herum, die so überfordert mit der Situation schienen, vor der sie Gabhan gewarnt hatte. Es reichte. Es wurde Zeit einen Schlussstrich zu ziehen. Er stapfte zu Grazyna, dort diese hatte bereits die Hand auf seinen Tränken. "Nein!" wiederholte sie. "Das ist es nicht wert!"

Hatte sie recht? War es das nicht wert? Aldorans Worte spukten ihm im Kopf wieder. Sie kannte nichts anderes. Sie würde nicht klar kommen, wenn er sie nun befreien würde. Und was war das für eine Freiheit? War ihre Freiheit es Wert, dass er das Leben von drei Menschen nahm? Und das war noch gut geschätzt. Tjark würde sich ihm wohl in den Weg stellen. Vielleicht noch Leto. Dann würde es schwierig werden. Und selbst wenn er gewinnen sollte - was keineswegs feststand - er würde nie wieder hierher kommen können. Er würde die Sklavin blutend und noch immer angekettet aus einem Berg an Leichen ziehen müssen. Würde sie ihm dankbar sein? Würde irgendwer ihm dankbar sein? Spielte das überhaupt eine Rolle? Es war doch das richtig, oder nicht? War es das? Was sollte er tun? Was würde Sie wollen? Die Menschen hier schienen sich kaum um das Drama hier zu kümmern und Gabhan wurde schlecht. So war es doch nicht gewesne, als Sie gemeinsam mit ihm hier gewesen war. Das hier war ein Hafen gewesen. Ein Ort der Einkunft. Der Akzeptanz. Eine Akzeptanz, die wohl auch Sklaverei mit einbezog, wie sich nun zeigte, während Leto eine Linie Fisstech nahm. Drogen. Gewalt. Sklaverei. Diese verdammte Welt schien dunkler geworden zu sein, seitdem Ihr Licht fehlte. Gabhan war Müde. "Trink!" Grazyna hielt ihm einen Becher entgegen. Gabhan dachte gar nicht mehr darüber nach, sondern trank. Pfefferminzschnaps. "Von welcher anderen Frau hat Leto gesprochen?" fragte sie leise, doch Gabhan schüttelte nur den Kopf. "Ich geh ins Bett..." knurrte er, schnappte sich seinen Gürtel und warf ihn über die Schulter. Hinter ihm wurde die Sklavin verkauft, neben ihm wischte sich Leto das Fisstech aus dem Bart. Hinter ihm feierten die Menschen, als wäre dies ein ganz normaler Tag. Hexer sollten neutral sein. Sich nicht einmischen. Sie hatten sich alle gegenseitig verdient. "Gute Nacht Grazyna" er verließ die Taverne ohne sich noch einmal umzusehen.

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Gegenwart - Weitere Tavernengeschichten

Gabhan nahm noch einen Schluck aus dem Krug. "Und wie waren deine letzten Tage? Angenehme will ich meinen" er warf einen Blick zu der Schankmaid.

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Atheris folgte dem Blick des Bärenhexers zu Kathrin und nickte zustimmend. Seine letzten Tage waren durch aus angenehm gewesen. Die Überfahrt von der Leuenmark nach Cintra war mit günstigen Winden viel kürzer ausgefallen wie ursprünglich veranschlagt. Es blieb ihm sogar genügend Zeit, um die Stadt Cintra zu besuchen und einige seiner ehemaligen Kameraden aus der Armee aufzusuchen und gemeinsam, wie in alten Zeiten, die Tavernen der Stadt unsicher zu machen. Das letzte Mal, wo er in Cintra war, kam er als einer der Eroberer und nun, viele Jahre nach der Eroberung, musste er sagen, dass unter der Herrschaft Nilfgaards die Provinz förmlich aufblühte, aber das interessierte die Nordländer nicht, sie verschlossen in der Regel ihre Augen vor dem Fortschritt, der Wirtschaftsmöglichkeiten und der Kultur des Kaiserreichs. Sie trauerten lieber ihren alten Königen nach, die bei weitem keine moralisch guten Männer gewesen waren....Atheris merkte, wie er mit den Gedanken woanders war und konzentrierte sich wieder auf sein Gegenüber. "Gloir aen Ard Feainn! Ich hatte so gute Winde, dass ich drei Tage früher hier am Treffpunkt ankam und ja, ich habe die Zeit für Studien und ... zur Erholung gut genutzt!" schmunzelte Atheris, bevor er fortfuhr. "Jetzt wo wir beide hier sind, Gabhan - was sind unsere weiteren Pläne für den Herbst?"

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"Studien und Erholung. Soso. Deine Erholungen bringen uns hoffentlich nicht in baldige Schwierigkeiten, auf solche könnte ich nämlich verzichten. Nicht verzichten kann ich hingegen auf deine Hilfe!" er beugte sich über den Tisch, zog eine Kerze heran, deren Duft ihre Herkunft verriet und die etwa eine Meile entfernt lag - auf einem kleinen Bienenhof, der bereits in fünfzehnter Generation geführt von der Familie Rainfarner geführt wurde. All das konnte Gabhan jedoch nicht am Geruch erkennen, sondern an dem Stempel, der in das Bienenwachs gedrückt worden war. Details. Sie machten ihn wahnsinnig. Alles nahm man wahr, wenn man darauf getrimmt worden war.

Er leerte seine Gürteltasche aus, förderte einige Würfel, eine silberne Eichel und zwei Blätter Pergament zu Tage, von denen eines deutlich abgegriffen wirkte. Schnell schob er Eichel und das abgegriffene Pergament zurück, räumte die Würfel wieder ein und strich das übrig gebliebene Papier glatt, welches eine Art Karte zu zeigen schien, wenngleich auch vergilbt, mit Flecken bedeckt und mit Runen beschmiert. Irgendwer schien das Papier sogar mal als Einkaufszettel benutzt zu haben, man hatte Teile der Tinte abgekratzt um neues Papier zu gewinnen und insgesamt war das Papier in keinem guten Zustand. Doch die geübten Augen, denen eben Details mehr als alles andere auffielen, erkannten die Karte darunter. Die elfischen Runen. "Das hier," erklärte er schließlich leise und deutete mit den dreckigen Fingern auf das Papier. "Ich suche Runen. Und ich habe Grund zur Annahme, dass der Ort, der auf dieser Karte verzeichnet ist, irgendwo hier in der Nähe ist. Alte elfische Ruinen will ich meinen. Schließlich hat man ganz Cintra auf elfischen Ruinen aufgebaut. Genauso, wie Nilfgaard große Teile dieses Landes auf den Ruinen des alten Cintras aufgebaut hat. So ist der Lauf der Dinge. Und wie es beim Laufen nunmal ist, fallen Dinge zu Boden. Werden festgetreten. Ich hoffe, dass auch diese Runen festgetreten wurden. Ich habe ein paar neue Schwerter und ich brauche Runen um sie zu verbessern" er sah auf. "Und du? Was versprichst du dir hiervon?"

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Atheris hatte die Ausführungen des Bärenhexers interessiert verfolgt. "Meister Valerian hat mich zu dir gesendet, um etwas zu lernen. An eine Schatzsuche habe ich zwar dabei nicht gedacht ... aber es hört sich spannend an! Gib mir mal bitte die Karte, Gabhan!" antwortete der Nilfgaarder auf die ihm gestellte Frage. Gabhan reichte ihm die Karte und er begann sie genauer zu studieren. Er fand es faszinierend, dass der Bärenhexer auf diesem alten Pergament etwas entdeckt hatte, dass von so großem Wert war. Er selber hätte vermutlich diesem Stück Pergament keinen zweiten Blick gewidmet, aber er hatte in seinem Leben auch wenig mit Schatzsuchen oder dergleichen verbracht. Das Schlachtfeld war die meiste Zeit seines Lebens der Mittelpunkt gewesen, um das sich sein Handeln gedreht hatte. Er überlegte kurz, ob er Gabhan von der alten Elfenruine in den grünen Wäldern Temeriens erzählen sollte, in der er vor etwa fünf Jahren unglücklich durch ein Portal gestürzt war und wie die anschließenden Ereignisse sein Leben grundlegend verändert hatten ... aber ein Blick auf den übelgelaunten Zunftbruder ließ ihn diesen Gedanken verwerfen, es war nicht die Zeit für Geschichten. "Wie um alles in der Welt, bist du an das gute Stück gelangt und wie wollen wir weiter vorgehen ?" durchbrach Atheris das Schweigen.

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"Ich habe gute Verbindungen," erwiderte Gabhan schlicht und knapp. Er hatte die Karte von Grazyna von Strept erhalten, doch das wollte er nicht sagen. Er wollte nur so wenig wie möglich mit der Zauberin in Verbindung gebracht werden, hatte er doch mitbekommen was eine Verbindung mit der Frau Zauberin bedeutete. Sie diente den Grolls und der Name Groll war genauso klang, wie unheilvoll. Zumindest wenn er den Reaktionen in Bogenwald glauben durfte. Die Familie war Umtriebig und Umtriebigkeit konnte Gabhan nicht gebrauchen. "Und was wir nun machen? Erst einmal etwas trinken. Dann brauche ich vor allem Dingen eins: Eine verdammte Mütze Schlaf. Ich habe seit fast eineinhalb Tagen nicht geschlafen und ich werde unleidlich wenn ich nicht gut geschlafen habe. Wir beide wollen nicht, dass ich unleidlich werde" er grinste schief. Seine Narbe schmerzte nicht nur, sondern verzog sein Grinsen auch stets zu einer Grimasse. Keiner freundlichen.

"Morgen früh brechen wir dann auf, Richtung Süden. Die Richtung gefällt dir sicherlich. Und gefallen wir dir auch das, was du in der Höhle wirst lernen können. Denn was uns erwartet wird verteufelt schwer. Diese Ruine soll einst der Palast der Elfenstreiterin Maeven gewesen sein. Eine große Kriegerin. Große Kriegerinnen wollen große Paläste. Große Paläste bedeuten große Räume. Große Räume werden mit den Jahrhunderten unter der Erde große Stollen. Ich rechne mit Nekkern, mit viel Pech hat auch ein Ekkima dort sein Nest. Verteufelt, wie gesagt. Du solltest den Abend nutzen um einige Tränke herzustellen. Und vielleicht nochmal Spaß zu haben. wer weiß wann du wieder dazu kommst!" sagte Gabhan.

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Die beiden Hexer genossen noch ein reichhaltiges Frühstück, bevor sich Gabhan auf sein Zimmer zurück zog. Atheris stand auf und wanderte zum Tresen, an dem Kathrin ihn bereits mit einem freudigen Strahlen im Gesicht erwartete. Der Nilfgaarder lächelte charmant und beglich ihre Schulden. Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Atheris von der Schankmaid, verließ das Gasthaus und schlenderte über den Innenhof zu den Stallungen. Ker'zaer, sein treues Streitross begrüßte ihn mit einem Wieren. Er hatte das edle Tier vor zehn Jahren von Senator Luzeran Gaius Groll als Geschenk erhalten, mit dem er nach dem katastrophalen Ausgang der Schlacht von Brenna, durch die Sümpfe zur Yaruga geflohen war. Nun holte er den Sattle und das Zaumzeug und machte den schwarzen Hengst bereit für den Ausritt. Das Wetter war schön und der Hexer liebte es alleine durch die Wälder zu reiten. Beim verlassen des Stalles warf er dem Stallknecht noch einige Münzen zu und preschte dann durch das geöffnete Hoftor hinaus auf die Straße.

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Atheris
Gegenwart - Allein im Wald
Atheris will die Gegend auskundschaften und macht eine folgenschwere Entdeckung
Gabhan
Gegenwart - Nachtigall
Gabhan erwacht, von Atheris allein gelassen, in der Taverne. Doch etwas stimmt nicht.
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