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Dunkelheit... Dunkelheit war das erste was er richtig wahrnahm. Gefolgt von einer ihn übermannenden Übelkeit. Alte Erinnerungen an eine Zeit, als die Welt noch in Ordnung war blitzten in seinem Gedächtnis auf. Er in jungen Jahren am Esstisch mit seinen alten Kameraden Alfred und Ricky, die genauso zerknautscht wie er mehr auf den Stühlen hingen als dass sie saßen und ihren, dem Vorabend geschuldeten, Kater auskurierten. Doch bevor sich die Erinnerung richtig in der Dunkelheit manifestieren konnte, war es, als ob Jeremia wie ein Fisch an der Angel mit einer irren Geschwindigkeit empor in die Realität gezogen wurde.

Und da war er nun, nicht am alten Esstisch, sondern in einer ovalen Kapsel. Sofort machten sich die jedem Menschen inne wohnenden Urinstinkte freie Bahn und der über sechzig Jahre alte Mann wedelte wild mit den Armen – er musste hier raus!

Doch außer einem leisen dumpfen Pochen, ausgelöst von seinen eigenen Schlägen tat sich erst einmal nichts. Die Kapsel blieb verschlossen Was für eine verdammte Scheiße ist das hier?! Dann fielen ihm die Pillen auf, die soeben in einer durchsichtigen Box aus der Seitenwand fuhren, da seine eigenen Hiebe die bunten Dragees kaum merklich hüpfen ließen. Was zum...Was für eine abgefahrene Show ist das …?! Und dann, als hätte er gegen einen Elektrozaun gepinkelt, schoss ihm die Erinnerung in den Kopf.

Er hatte es geschafft! Er hatte einen der letzten Plätze an Bord der Talon …. bekommen. Der Start musste vorverlegt werden und dann musste der gut gebaute Mann auch noch in diesen viel zu engen neoprenartigen Anzug schlüpfen.

Schlüpfen war gut, er fühlte sich jetzt noch wie die Wurst in der Pelle. Aber irgendwie wie eine Wurst, die man danach eingefroren hatte. Ruhe bewahren, eins nach dem anderen! Mit einer schnellen Handbewegung nahm der graubärtige Mann mit den dunkelgrauen Augen die Pillen aus der Vorrichtung, führte diese zum Mund und balancierte sie gewohnt auf der Zunge. Eine aufkeimende Welle der Übelkeit niederringend schluckte Jeremia die Pillen und sah sogleich, dass sich seine Schlafstätte öffnete... Ausgeklügelt, so nimmt jeder diese Medizin des Teufels, die bitter und sauer zugleich schmeckt, ehe diesen Sarg verlassen kann!

Sein verschwommener Blick fiel in einen ovalen Raum, in dem wohl noch mehrere dieser Kapseln gelegen waren. Es war ihm, als hätte er eine Bewegung gesehen, doch dieser Umstand rückte weit in den Hintergrund als die erneute Welle der Übelkeit sich seinen Weg suchte. Der Inhalt seines Magens suchte sich den schnellsten Weg nach draußen und nur die schnell vor den Mund gepresste Rechte verhinderte noch, dass er sich über sich selbst ergossen hätte. Seine Augen suchten panisch ein geeignetes Gefäß um sich zu erleichtern. Dann schoss die Erinnerung an die Vorbereitungen kurz vor dem Start in seine Gedanken, er wandte sich nach rechts, ertastete den Eimer, roch Erbrochenes und erleichterte sich. Die Übelkeit annehmen und nicht verdrängen … gleich wird es besser!

Speiend und schwitzend krallte er sich an den Rand des Eimers und sank kurz danach auf die Knie. „Willkommen im Paradies!“ sagte er zu sich selbst. Das kann ja was werden! Es dauerte einige Augenblicke ehe der Mann sich wieder aufrichtete und sich mit der Linken den ausgetretenen Schweiß auf der Stirn über den Haaransatz in die Haare rieb.

Dann sah er in dem Raum, in dem sich anscheinden nur eine weitere Kapsel geöffnet hatte eine Person stehen, an die er sich schwach erinnern konnte... sie war kurz vor ihm durch eines dieser Tore kurz vor dem Start gegangen.

„Und sie sind?“

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Der zweiten Kapsel entstieg ein Mann, der so ziemlich in jeder Hinsicht im Widerspruch zu Zuri stand. Er war – aus ihrer Sicht zumindest – alt. Sicherlich um die sechzig. Sie jung, mit ihren Mitte zwanzig. Er war nicht unbedingt raumsparend. Sie klein und zierlich. Sein Haar grau. Ihres hellbraun. Und doch war Zuri irgendwie froh, ihn zu sehen und das, obwohl sie selten richtig froh war, Leute zu sehen. Zugegeben wäre ihr jetzt für den emotionalen Beistand sicherlich ein gackerndes Huhn lieber gewesen, aber für die intellektuelle Komponente war ihr ein Mensch dann doch ganz recht.

Sie erhob sich wieder, ihre Beine immer noch weich und wackelig, aber ihr Magen schien sich langsam zu fangen. Ob das die Tabletten waren, die wirkten? Oder hatte sie die sowieso schon längst wieder ausgespuckt? Was hatte sie da überhaupt geschluckt? Half das gegen die Übelkeit? Oder waren das konzentrierte Nährstoffe gewesen, die ihr Körper nach dem langen Schlaf brauchte? Reiner Zucker vielleicht, um den Kreislauf zu kick-starten? Alles auf einmal? Oder etwas ganz anderes? Rückblickend hätte sie vielleicht nicht so brav den Regeln folgen sollen, die vorher niemand richtig erklärt hatte, aber sie würden schon ihre Gründe haben. Es war ja wichtig, dass sie alle möglichst schnell einsatzfähig waren, so eine Kolonie baute sich ja nicht von selbst auf, also würden kluge Köpfe schon einen Grund haben, warum sie ihnen solche Tabletten zur Verfügung stellten. Dennoch, Zuri sah eine Verbesserungsoption im System. Jedem schien derartig schlecht zu werden, dass übergeben nicht zu verhindern war, deshalb bekam jeder einen Eimer. Nicht so eine kleine Spucktüte aus Papier, falls einem ein bisschen unwohl war, sondern einen richtigen Eimer! Weil man offensichtlich davon ausging, dass jeder seinen gesamten Mageninhalt loswerden musste. Wäre es also nicht viel schlauer gewesen, das erst einmal passieren zu lassen, _bevor_ man die Tabletten schluckte? Gut, nun war es sicherlich zu spät, das für die kommenden Schiffe noch ändern zu können, die waren ja schon unterwegs…aber vielleicht konnte man ja trotzdem noch auf die anderen Computersysteme zugreifen und eine Nachricht einspeisen, die anderen Aufwachenden diesen Tipp gab? Das war ein Vorschlag, den sie definitiv machen musste, sobald sie jemanden zu Gesicht bekam, der sich dahingehend auskannte. IT-Experten hatte man ja bekannter Maßen schon einige hochgeschickt, die würden das schon in den Griff bekommen.

 

Ob der Fremde Mann nun ein IT-Experte war, war ihm schwer anzusehen. Er war zumindest einigermaßen höflich. Zwar hatte er irgendetwas vor sich hin gemurmelt, bevor er mit dem Spuck-Eimer nähere Bekanntschaft geschlossen hatte, aber immerhin wandte er sich dann Zuri zu. Eine Begrüßung wäre ganz nett gewesen, fand sie, aber sie konnte auch damit umgehen, einfach direkt zu den wirklich wichtigen Dingen über zu gehen.

„Zuri Lockley.“, stellte sie sich also vor. „Und Ihr Name?“ Gut, wenn sich einem gerade noch der Magen herumdrehte, die Beine wackelig waren und einem der Kopf dröhnte war es wohl nicht unüblich, eher kurz angebunden miteinander umzugehen. Aber der Name des anderen war ja auch eigentlich gar nicht so wichtig wie die Frage danach, inwieweit er sich möglicher Weise auskannte.

„Die anderen Kapseln gehen nicht auf. Sie wissen nicht zufällig, ob das normal ist? Oder ob man sie manuell öffnen kann?“ Es wäre schon ein großer Zufall, das wusste Zuri. Dass ausgerechnet der andere Mensch, der gerade wach war, Techniker war. Oder Kyrokammerexperte. Oder sowas. Aber es konnte ja sein. Auf diesem Raumschiff waren schließlich ein Haufen Menschen, die für ihre Fähigkeiten mitgeschickt worden waren, vielleicht gehörte er dazu. Und vielleicht war seine Fähigkeit ja eine, die jetzt gerade weiterhalf. Sonst…ja…sonst würden sie sich vielleicht mal auf den Weg zur Brücke machen müssen? Da würde schon irgendwer sein, der wusste, wie sich das mit den Kammern verhielt…

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Ihm gegenüber stand eine kleine und eher schmale junge Frau, das konnte er nun, da sein Verstand langsam hoch fuhr, deutlich am anderen Ende des Raumes sehen. Aber wieso schaute sie ihn auf diese Art an? Ja sicherlich, der enge Anzug war seiner Figur nicht gerade zuträglich aber mit seinen 1,90m würde er sich bei seinem Gewicht als leicht übergewichtig einordnen, ihr Blick schrie ihm allerdings -du bist FETT- entgegen. Das fängt ja gut an...

Der Blick brachte Jeremia dazu seinen Blick abzuwenden -lass gut sein Jeremia, du wolltest einen Neuanfang- und sich ein wenig genauer in dem Raum um zu sehen. Außer einer weiteren offenen Kapsel, der wohl Miss Oberflächlich entsprungen war, waren alle weiteren geschlossen. Seltsam, er hätte eher gedacht, dass es hier in der Aufwachphase voll und gedrängelt zuginge. Oder wurde der Schlaf gesteuert und in bestimmten Intervallen bei den Schläfern gestoppt. Man weiß es nicht.

und dann plötzlich sprach die junge Frau. Zuri Lockley war also ihr Name. Das sagte ihm nichts, den Nachnamen hörte er auch zum ersten mal. Aber sie scheint sich die selben Gedanken machen wie ich... ganz auf den Kopf gefallen ist sie also nicht! Aber wieso fragte sie ihn das, so wie es aussah schien Zuri Länger wach zu sein als er.

Mein Name, wie ist mein Name? Er fühlte sich wie ein minder Bemittelter, als ihm dieser nicht direkt einfallen wollte. aber schließlich brach auch diese elementare Erinnerung einen Weg durch die mentale Mauer, die der Kryoschlaf erbaut hatte.

"Jeremia... Jeremia Rickson. Und nein, zu den anderen Kapsel..." da war wieder so ein Anflug von Übelkeit. er streckte ihr die flache Hand entgegen und hoffte sie würde diese Geste, sich einfach einmal kurz wegzudrehen, verstehen, während er sich wahrscheinlich neue Bröckchen in den eigenen Vollbart spie. Zu seiner Freude blieb es bei einem Aufstoßen. "...also nochmal: Zu den anderen Kapseln kann ich nichts sagen, ich war damit beschäftigt mir das Paradies einmal vor Augen zu führen" Er grinste sie einmal kurz an, wartete aber nicht, ob sie seinen Humor teilte, sondern trat, sich den Bauch haltend, zu der Kapsel zu seiner Linken.

Weit geöffnete Augen, die außerordentlich weit aus der Höhle getreten waren und deren Iris von geplatzen Adern eingerahmt waren, starrten Jeremia anklagend durch eine waberne Flüssigkeit an. Der Körper wirkte aufgedunsen - ähnlich wie bei faulenden aufgeblähten Körpern. Das kann nicht normal sein! "Verdammte Scheiße!" Es sah so aus, als hätte die Frau, die seiner Schätzung nach wohl mitte dreißig war, alles bei Bewusstsein mitbekommen, was hier geschehen war. Neben der Kryokammer war ein kleines Bedienfeld, nach dem mehrfachen wahllosen Tippen auf das Touchpad, war allerdings klar, dass diese Technik wohl zentral entriegelt werden musste - auf sein Tippen hin passierte nichts. "Sind die hier tot?!"

Er drehte sich wieder zu der jungen Frau um "Wie lange bist du schon wach?" Auf diese Antwort war er gespannt. Aber davon ab kam es ihm alles etwas seltsam vor, dass sonst niemand hier war, abgesehen davon dass in diesem Raum definitiv etwas nicht stimmte. Wo war die Crew? Oder das Empfangskomitee im Paradies? Wo war die freudige Zukunft ohne die ständige Gewalt, die Toten und Infizierten?

Sein Hirn war jetzt hochgefahren und nahm die Eindrücke, die sich aus diesen ersten Momenten ergaben nun gefiltert auf und stellte die Fakten klar nebeneinander: Die Schwerkraft funktionierte - sie waren also gelandet. Etwas stimmte hier nicht, viele Kapseln blieben geschlossen und die Schläfer scheinen tot zu sein - bei vollem Bewusstsein ertrunken? Wo war die Crew - sind auch sie tot? War er sich wirklich sicher, dass diese Frau dort hinten mit ihm das Schiff betreten hatte.

Er besann sich erst einmal auf seine oberste Überlebensregel: Vertraue niemandem, hinterfrage alles und Sicherheit existiert nicht!

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Jeremia Rickson. Nie gehört. Was nicht viel heißen musste, Zuri kannte sich mit Menschen nicht aus. Sie wusste nicht, ob der Mann vielleicht reich oder berühmt war. Ein Politiker, ein Star oder ein Firmeninhaber. Wahrscheinlich aber war er ein ganz normaler Mensch, so wie sie auch. Er wirkte nicht, als ob er erwartete, dass sie ihn kannte. Vielleicht hatte er einfach genau wie sie einen Platz hier verdient, weil er nützlich war. Oder hatte Glück gehabt. Oder Geld. Wer wusste das schon? War das eigentlich überhaupt so richtig wichtig? Wer sie früher gewesen waren? Da auf der sterbenden Erde? Wenn jetzt auf Paradise alles neu anfing, fingen dann nicht auch die Menschen neu an? Natürlich, sie mussten ihre Fähigkeiten beisteuern, um etwas für die neue Gesellschaft zu leisten, um eine Kolonie überhaupt möglich zu machen, aber war da dann entscheidend, ob man früher mal berühmt gewesen war? Denn auf Paradise zählte doch erstmal nur, dass sie alle überlebten. Dass sie Häuser bauten, Essen produzierten und eben langsam aber sicher eine neue Gesellschaft auf einem fremden Planeten aufbauen konnten.

Während sie ihn so nachdenklich ansah und versuchte, sich vorzustellen, was er wohl früher einmal gewesen war, hob er kurz die Hand, während er sich unterbrach. Zuri sah dezent zur Seite, während sie versuchte, sich für das platschende Geräusch von Erbrochenem in Eimern zu wappnen, das – zum Glück – ausblieb. Wenn einem ohnehin schon schlecht war, war es nun wahrlich alles andere als hilfreich wenn man zuhören musste, wie andere sich von ihrem zweihundert Jahre alten Mittagessen verabschiedeten. Besser nicht zu genau drüber nachdenken…

Jeremia Rickson nahm seinen Gesprächsfaden wieder auf und machte wohl etwas, das ein Scherz sein sollte. Zuri wusste allerdings nicht, was daran lustig sein sollte. Wenn draußen das Paradies auf sie wartete, dann hatten sie sich das ja wohl alle schon mal ausgemalt. Wenn er das hier drin meinte…nun…das war wohl notwendiges Übel und würde vergehen, wenn erst einmal alle anderen wach waren und sie das Schiff verließen, die anderen Siedler trafen, die vielleicht schon mit dem Bauen angefangen hatten, immerhin waren sie ja schon eine Weile hier…

 

Falls sie aufwachten. Zuri war ganz selbstverständlich davon ausgegangen. Jeremia allerdings offensichtlich nicht. Er warf einen Blick in eine der Kapseln, fluchte, fing an, auf dem Kryokammer-Bedienfeld herumzutippen. Und stellte eine Frage, die Zuri die langsam abflauende Übelkeit gleich wieder in den Magen trieb. Als wäre sie in einem kurzen Sturzflug gefangen hüpfte ihr Magen einen Moment unbestimmt, fing sich dann schwer wieder und war mit diesem Gefühl offenbar keinesfalls zufrieden.

Tot?!“, widerholte sie mit schriller Stimme. „Nein…was?“ Das konnte nicht sein. Die anderen Passagiere waren nicht tot. Sie lagen doch friedlich in ihren Kammern. In ihrer Flüssigkeit. Wie… Zuris Hirn wanderte zurück zu dem Vergleich, den es bei der ersten Betrachtung ganz automatisch angestellt hatte. Wie Insekten in Bernstein eingeschlossen. Aber Insekten in Bernstein lebten nicht mehr. Zitternd wandte sich Zuri der nächsten Kammer zu. Sie war sicher, dass die ersten, in die sie geschaut hatte, ausgesehen hatten, als hätten die Menschen geschlafen. Ganz sicher. Doch als sie einen Blick in die nächste Kammer riskierte, starrten leere Augen zu ihr zurück. „Oh du meine…was zum…du liebe…“, stammelte sie, während sie zurücktaumelte. Noch nie in ihrem Leben hatte Zuri einen toten Menschen gesehen. Man hätte meinen sollen, es wäre nicht so beängstigend. Doch es war vielleicht das Erschütterndste, was sie je gesehen hatte.

Vollkommen überfordert sank sie auf den Boden. Alles schien sich zu drehen. „Was ist hier bloß passiert? Wir…wir müssen…die anderen aufwecken…“ Die, die nicht tot waren. Oder die zumindest nicht tot aussahen… Zuri war heiß und kalt gleichzeitig, sie wollte weinen, glaubte, dass es sich gehört hätte, um die Toten zu weinen, auch wenn sie diese gar nicht kannte. Aber der Schock saß viel zu tief für Tränen.

„Ich will hier raus…“, fiepte sie leise. Mindestens zwei Menschen hier drinnen waren tot. Vielleicht mehr. So wie Jeremia klang. Und sie wollte wirklich nicht in einer Leichenhalle seine. Dafür war sie nicht hergekommen! Sie war für Leben hergekommen, nicht für den Tod.

 

Endgeistert blickte sie den älteren Mann an. Wie lange sie schon wach war? Was hatte das mit…irgendwas zu tun?! „Ich…weiß nicht…fünf…Minuten? Zehn?“ Sie konnte es nicht einschätzen. Mit einem Mal wirkte alles unwirklich und ein Gefühl für Zeit zu haben, nachdem man gerade erst aus einem langen Schlaf aufgewacht war, war sowieso schwierig…

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Die Kleine nahm das Gesagte spürbar mehr mit als Jeremia, der aber, wenn er ehrlich war, auch ganz schön erschrocken und überfordert mit der Situation war. Kein Wunder, da schläft man zwei Jahrhunderte, wacht auf und das versprochene Paradies scheint so fern wie die Erde zu ihrem Standpunkt zu sein. Was war jetzt sinnvoller Weise zu tun? Auf keinen Fall die Kammer der Toten öffnen - vielleicht war eine Krankheit hierfür verantwortlich! Am besten auf die Brücke gelangen und schauen, wem noch zu helfen war.

Zuris Gestammel und das Zusammensinken zeigten Jeremia deutlich, dass die junge Frau einer Panikattacke nahe war, wenn sie nicht bereits schon eine hatte. Kein Wunder, ihrer Artikulation zu folge war auch der Insasse der Kammer, vor der die Frau stand, ebenfalls tot. Was war nun also sinnvollerweise zu tun? Zuri beruhigen und mit ihr schnellstmöglich diese Kammer verlassen. Sie muss sich beruhigen! Vorher am besten schnell die verbleibenden vier Kammern untersuchen, ob auch diese Insassen nicht mehr unter den Lebenden weilten. Obwohl nein, sein Hauptaugenmerk sollte erst einmal auf den Lebenden liegen.

Er ging langsamen Schrittes auf Zuri zu machte beruhigende Armbewegungen und redete behutsam auf Sie ein "Zugegeben, die Situation ist verfahrene Scheiße, aber wir machen das Beste draus, immerhin sind wir nicht allein, Kleine. Ruhig durchatmen ... und einatmen.. und ausatmen. Erstmal schaffen wir dich aus diesem Raum" Jetzt hatte er die junge Frau fast erreicht und streckte ihr seine große Hand entgegen. " Komm erstmal hoch und dann schauen wir weiter."

Es hilft ja nun nichts... wir müssen hier zusammen arbeiten. Ich hoffe nur es gibt weitere Überlebende. Mit einem solchen Nervenkostüm allein auf der Talon... Jackpot!

Er lächelte sie an " Nun komm schon, wir suchen die Brücke"

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Zuri bemühte sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen, sich zu sammeln, nicht in Panik zu verfallen, aber das war ganz schön schwierig, wenn man zwischen toten Menschen in Hartplastiksärgen saß, denn genau das war es ja. Das einzige, was das hier von einem ausgebuddelten Friedhof unterschied, war vermutlich, dass die Särge aus Plastik und Aluminium bestanden. Wenn überhaupt. Wie hatte das passieren können? Kryoschlaf war lange getestet, Kryoschlaf war sicher! Hatte es einen Systemfehler gegeben? Das konnte doch nicht sein, das musste doch wieder und wieder geprüft worden sein. Ein Angriff auf das Schiff von irgendeiner außerirdischen Spezies? Unwahrscheinlich, warum sollten sie dann nicht alle Kapseln zerstört haben? Und warum hätte man sie überhaupt töten sollen? Schlafende Menschen taten einem ja nichts. Zuri wollte keine Antwort einfallen, die Sinn ergab, in ihrem Kopf drehte sich mittlerweile alles deutlich stärker als ihr Magen. Nichts ergab Sinn. Gar nichts.

So richtig Sinn ergab von außen betrachtet vielleicht auch nicht, dass Jeremias Tonfall und ganzer Gestus sich auf einmal änderte, als er langsam auf sie zutrat und beruhigend auf sie einredete. Fast ein bisschen seltsam, nachdem er gerade noch so forsch gewesen war, aber Zuri wollte sich nicht bescheren. Ruhige Worte brachten sie gerade besser weiter als mehr erschreckende Erkenntnisse oder die harsche Anweisung, sich zusammenzureißen. Dass sie das musste, war ihr bewusst. Aber das war eben nicht so einfach, wenn auf einmal alles um einen herum zusammenbrach, alles, wovon man überzeugt gewesen war. Wenn die Angst einen auf einmal in den Fängen hatte.

 

Zuri nickte stumm, bemühte sich weiter, ruhig zu atmen, in dem Rhythmus, den Jeremia vorgab und griff schließlich die Hand, die er ihr hinstreckte, ließ sich auf die Beine ziehen, fühlte sich immer noch zittrig. „Puuuuh…okay…“, murmelte sie, fuhr sich kurz mit den Händen übers Gesicht und schüttelte den Kopf. Schluss jetzt. Sie kannte diese Leute nicht. Sie bedeuteten ihr nichts. Risikos wurden eingegangen, Unfälle passierten, sie musste rational an die Sache herangehen und Jeremias Vorschlag folgen. Auf die Brücke. Ja. Genau. Die Crew würde schon wissen, was passiert war. Und wer von den Menschen hier in den Kammern vielleicht noch lebte…möglicherweise hatte ihr erster Eindruck sie ja doch nicht getäuscht und zumindest ein paar der Passagiere schlummerten einfach noch friedlich.

Knapp nickte sie also und tappste mit immer noch weichen Knien auf die Tür zu, berührte das Touchpad. Nichts geschah. Zuri wurde wieder flau, aber das Pad reagierte nicht. Fahrig suchten ihre Finger nach dem ID-Chip, fanden ihn, brachten ihn in die nähe des Pads. Vielleicht musste es nur aktiviert werden? Doch nichts.

„Jeremia…“, begann sie, versuchte dabei ruhig zu bleiben, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Stimme ein kleine bisschen hysterisch klang. „Warum geht die Tür nicht auf?“ Waren sie hier eingesperrt? Wer um alles in der Welt hatte sie hier eingesperrt? Ängstlich sah sie sich um. Gab es noch einen zweiten Ausgang? Es sah nicht danach aus…

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Na also, geht doch! Sie scheint meinen Ratschlägen zu folgen ... also eher der Emphatische Rickson heute dachte Jeremia, als sich Zuris Atmung verlangsamte und sie seine dargebotene Hand ergriff um sich empor zu ziehen. Nach einem knappen Nicken ging sie auf die augenscheinlich einzige Ausgangstür zu und tippte auf dem Bedienteil herum.

Doch das erwartete "sssssp" mit dem die automatischen Türen sich normalerweise öffneten blieb aus. Genau genommen tat sich überhaupt nichts, keine anderen Geräusche, die auf eine Fehlfunktion hindeuteten, keine elektronische Stimme die raumerfüllend erklärte, warum sich die Tür nicht öffnen ließ - nichts! Auf den ersten Blick würde ich sagen, sie hat alles richtig gemacht.

Sogleich drehte sich Zuri um und die Maske des Selbstbewusstseins, die sie sich kurz aufgezogen hatte, begann schon wieder zu bröckeln, während sie ihn fragte ob er wusste, was hier los wäre. Also gut, es hat eben geklappt, also weiter beruhigt auf sie einreden! Es bringt schließlich nichts, wenn wir beide panisch umherlaufen.

"Das kann ich dir nicht sagen, lass mich mal versuchen." sagte er, legte seine Hand auf ihre Schulter und schob sie mit sanfter Gewalt zur Seite, während die junge Frau sich hektisch im Raum umsah. Auch er hielt seinen Unterarm, in dem der ID-Chip eingebracht war vor den Sensor des Bedienteils. Nichts außer dem stetigen Jucken des Chips unter seiner Haut. Als würde dies irgendetwas nutzen, rieb er sich über den Unterarm und hielt ihn erneut vor den Sensor. Das Ergebnis war das gleiche wie zuvor. Was war also nun zu tun? Eingesperrt in einem Raum, aus dem es vorerst keinen Ausweg zu geben schien, ohne Ahnung von Zeit und Raum. Das Bedürfnis mit aller Kraft gegen die Tür zu trommeln wurde immer stärker und machte sich schließlich Bahn. Doch bereits nach dem ersten Schlag mit der rechten Faus gegen die Stahltür wurde ihm klar, dass dies nicht sehr zielführend sein würde. Zum einen besaß er nicht ausreichend Kraft um auch nur irgendetwas an diesem Schließmechanismus auszurichten, zum anderen würde eine unkontrollierte Panikreaktion seinerseits Zuris Zustand auch nicht verbessern.

Er versuchte sich möglichst selbstbewusst herumzudrehen, die Tatsache vollkommen ignorierend, dass er wie ein Gorilla gegen die Tür gehämmert hatte und sagte dabei "Gut, das funktioniert auch nicht. was könnten wir sonst probieren?" Die Frage ging mehr an ihn selbst, als an Zuri.

Er ließ ebenfalls den Blick schweifen und wie befürchtet, schien die verschlossene Tür vor der er stand der einzige Ausweg aus dem Raum zu sein. Dann fiel sein Blick hinter die "Schlafsärge" und eine Erinnerung kam ihm in den Sinn. Die Tresore mit dem persönlichen Hab und Gut in den Kabinen! Sie waren jeweils hinter den Ovalen Kryokammern in der Wand eingelassen. Vielleicht waren die Kabinen in einem seperaten Stromkreislauf geschaltet oder liefen mit einer Batterie! Dann könnte man dort vielleicht etwas nützliches finden. Er versuchte sich krampfhaft zu erinnern, was er beim Start dabei gehabt hatte - auch dies ohne nennenswertes Ergebnis. Während er überlegt ließ er seinen Blick schweifen und ihm kam eine andere Idee: Es musste irgendeine Möglichkeit für die Crew geben, die Passagiere zu überwachen, die Folge - Kameras!

"Zuri, wir müssen ruhig bleiben. Wie wäre es wenn einer von uns versucht die persönlichen Schließfächer in den Kabinen zu öffnen? Vielleicht finden wir dort etwas hilfreiches..." während er sprach fing er bereits an, die Decke nach einer Optik abzusuchen "...der andere könnte diese Kammer nach einer Kamera absuchen, vielleicht ergibt sich dadurch eine Kommunikationsmöglichkeit nach draußen!"

Er ging einen Schritt nach vorn, legte erneut seine Hand auf ihre Schulter und zwang sich sie so natürlich, wie in dieser Situation möglich, zu lächeln und sagte "Wir kommen hier schon raus!"

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