previous
Arian - 
4. Spielabend

Ich bekomme mit, dass Einar bei einem Buchmacher arbeiten soll, um später evtl. in der Papierfertigung tätig zu werden. Außerdem soll er eine Zeit auf den Hochweiden verbringen.

Malik hingegen soll in den Hafen. Er mault rum, weil er sich als Kistenschlepper sieht. Friga erzählt dazu später, dies sei zugleich eine Lektion in Demut.

Sjard darf zu den Ingenieuren, wie sich später herausstellt.

Friga sagt, sie kennt jede Ahnin in Fleuven. Manchen misstraue sie. Sie wisse nicht genau, was die Grendlinge wollen (in Bezug auf die Beleidigung und das ganze Tamtam drumherum). Wenn wir zur Fleuvenhall reisen, werden Osrun und Fina für Friga sorgen. Lydia, Aarod, Malik und Stellan sowie Svartkjil werden alle mitkommen.

Kjaelnyr und ich sollen für Svartkjil sorgen. Dies soll nach außen vermitteln, dass Svartkjil voll in unsere Sippe integriert ist. Vor anderen sollen wir entsprechend keine Fragen stellen. Wir sollen vor anderen unseren Gehorsam demonstrieren.

Wir werden mit einem Planwagen und einem Rinderkarren reisen, was heißt, dass wir (Kinder) viel laufen werden. In ca. 2 Tagen - bei gutem Vorankommen - erreichen wir dann voraussichtlich die Fleuvenhall.

Friga fragt, was ich denke warum sie mich auf diese Reise zur Fleuvenhall mitschickt - aus Sicht der Grendlinge. Mir fällt darauf zunächst nichts ein. Als wir tags darauf wieder darüber sprechen, mutmaße ich, dass sie vielleicht „angeben“ will. Ich bin groß und kräftig, Kjaelnyr schlau… Die Grendlinge halten Stärke für wichtig, ich wirke stark. Indem ich Svartkjil unterstehe, zeigen wir laut Friga, dass er wichtig für uns ist.

Andererseits halte ich Sjard für schlauer und hinterfrage, warum sie nicht z.B. ihn schickt. Friga meint, ich sei eher bereit Verantwortung zu tragen. Ich entgegne, dass Sjard dies sicher ebenso könne und auch täte, wenn er denn soll. Dennoch beharrt sie darauf, dass ihre Einschätzung zutreffe.

Svartkjil erzählt zu den Sippen in Uster. Tausch, Handel, Verwandtschaft, Misstrauen und sogar Liebe verbinden sie. Und es gäbe viele Verbindungen. Er erzählt, dass man sich nach außen gegenseitig helfe. Nach innen gäbe es aber auch viel Zwist und den Wunsch, die Sippe stark zu halten. Es sei sicher in den letzten Jahrzehnten auch vorgekommen, dass „Sippen zu Familien“ wurden. Ich verstehe diese Äußerung so, dass sie arg schrumpften – durch nicht ganz natürliche Selektion.

Er weist darauf hin, dass es sein mag, dass Sippen und Familien sich untereinander manipulieren und ausspielen. Der Streit zweier Sippen müsse nicht unbedingt von diesen ausgelöst sein, denn oft profitieren gerade Dritte.

Friga war mal mit Dom Jegeson verbunden. Der war mein leiblicher Opa.

Dina ist eine Josegar (gewesen).

Die Sippe der Dijan sehen ein bisschen anders aus, sind fast sowas wie Südlinge. Die John sind uns über unsere Verbundenheit mit den Wirdogh eher schlecht gesonnen. Friga hasst wie Joslin die Ketler.

11 Sippen gibts. Waren vielleicht auch mal mehr.

Kjaelnyr und ich mutmaßen, dass vor ungefähr 50 Jahren alle Sippen gemeinsam ankamen und die besten Gegenden besiedelten. Dies würde die sozialen Strukturen am ehesten erklären. Allerdings ist es unserer Ansicht nach seltsam, dass niemand sich so genau an diese Zeit oder die Zeit davor erinnert. Die Ahninnen sollten sich an die Zeit davor erinnern, zumindest aber an die Zeit unmittelbar nach unserer Ankunft in diesem Land.

Unsere Überlegungen scheinen Svartkjil nachdenklich zu machen. Ihn scheinen diese Dinge auch zu interessieren und zu beschäftigen.

Stellan ist Halbbruder meiner Mutter. Hatten gleiche Mutter. Stellans Vater ist unbekannt. Judith war jünger als er. Er hat ihr beigebracht, wie man sich verteidigt. Als Stellan zum Militär ging, gabs den Grafen noch nicht lange, vor etwa 15 oder 20 Wintern. Die Kaserne selber war damals noch recht neu, vielleicht 10 Jahre älter.

Uster hatte damals schon einen Than. Man fand es daher sinnvoll, dass es für andere Gebiete auch eine Art Verwalter gäbe. Man entschied, dass jede Kongregation einen eigenen Than haben solle. Das war vielleicht eine Reaktion auf die Kriege mit den Jalpur. Die wurden von Vesthendrek zurückgedrängt, was aber lange gedauert hat. Durch die Thane als Verwalter wurde es leichter, Ressourcen zu koordinieren.

Ich erwähne gegenüber Friga, dass ich nicht so prima mit Svartkjil klar komme. Sie meint, dann habe ich wohl noch nicht so viel mit ihr zu tun gehabt.

Friga sagt, sie und Joslin seien etwas über 50. Sie sind gemeinsam groß geworden. Sie sagt aber auch, es sei schwer Dinge zeitlich einzuordnen. Erinnerungen seien trügerisch. In ihrer Erinnerung war sie stets in Uster oder hier. An ihre Eltern kann sie sich zwar erinnern, aber nicht daran, wie sie ausgesehen haben.

Kjaelnyr äußert etwas später die Idee, dass die Erinnerungslücke von Friga bzgl. ihrer Kindheit sehr ähnlich meinem Erinnerungsverlust bzgl. unserer Erlebnisse in der Höhle und der tanzenden Paare ist.

Am nächsten Tag ist es diesig und kalt. Trotzdem zeigt der kahle Baum einen Zweig mit grünen Blättern und eine weiße Blüte. Das ist wohl ein Zeichen. Der Fleuventhan kann dafür sorgen, dass bei uns dieses Zeichen erscheint, wird uns erklärt. Svartkjil behauptet, wie viele andere „magische“ Dinge, ließe sich auch dieses wissenschaftlich erklären, wenn man sich richtig damit befasse.

Wir bekommen wie immer Pakete, nun aber auch neuere Leinenhosen aus dickerem Stoff. Außerdem Moorstiefel. Man lehrt uns die Hosen in die Stiefel zu falten. Darüber tragen wird hellgraue Mäntel aus abgewetztem Leder. An diesen sind Kapuzen mit Fellbesatz. Sie reichen bis zur Mitte des Oberschenkels. Kann man mit Schnallen enger machen. Gibt wieder ein Messer in Lederscheide, das im Mantel getragen werden soll.

Vor unserer Abreise übergibt Friga ihre Schärpe an Joslin und sagt irgendwas Zeremonielles. Joslin streicht über die Schärpe, greift ihrer Schwester an die Schläfe und ich habe kurz den Eindruck, dass die Schriftzeichen der Schärpe kurz an der Schläfe sichtbar werden, gülden, und hinunterlaufen. Fast, als seien sie unter der Haut. Zuvor hatte ich schon kurz den Eindruck, dass die Zeichen auf der Schärpe im Sonnenlicht leicht aufblitzen.

Stellan fährt mit Herdis vorne weg. Aarod fährt den Planwagen mit Friga, Osrun und Fina. Der Rest wandert. Osrun, Fina und auch Herdis laufen auch gelegentlich. Die Positionen um die Wagen werden regelmäßig gewechselt. Sogar Friga steigt ab und an vom Wagen und geht eine Stunde.

Ich sammele einige Wurfsteine, falls wir angegriffen werden sollten. Später finde ich mit einigen Würfen heraus, dass ich ca. 20 Meter weit werfen kann und dabei noch was treffe. Im Falle eines Angriffs sollen wir hinter Stellan und Aarod und der mittig zu platzierenden Ahnin bleiben. Falls jemand wegläuft, sollen wir ihn daran hindern.

Wir wollen bei den Jännen rasten, einer Familie, die für die Wirdogh arbeitet. Irgendwas mit Getreide. Das Haus, als wir ankommen, steht halb auf Pfählen über dem Wasser und hat zwei Mühlräder. Eins treibt einen Mühlstein (das Große), das Kleine läuft irgendwie gegenläufig seitlich davon. Über der Tür ist das Zeichen der Wirdogh, die gebundene Kornähre.

Ein alter Mann mit schlechten Zähnen empfängt uns dort. Man reicht eine Schüssel mit warmen Wasser, logisch erst zur Ahnin, dann den Erwachsenen, bis sie schließlich bei uns ankommt, damit wir uns die Hände waschen können. Ist eine Art Willkommens-Ritus.

Tags drauf gehen wir weiter, kommen an weiteren zwei Mühlen vorbei. Eine davon gehört noch den Wirdogh, danach eine, die irgendwem anders gehört. Ich habe von allerlei Dingen der Umgebung bereits gehört, wenn ich sie auch noch nicht sah.  

Wir reisen am Fluss entlang, bis wir zu einem Seeufer gelangen. Der See zeigt an seiner Oberfläche bereits viele Wirbel und Wellen und entpuppt sich schließlich als ein Fluss-Delta, also ein See, der durch das Aufeinandertreffen von Fleuv und Grent entstanden ist.

Darin ruht eine Insel voller (geschnittenem) Gras mit einer großen Halle in der Mitte. Diese hat mindestens die Größe der halben Insel. Aus dunklem Holz, mit Torf zur Dämmung und einem runden Dach mit Pfeilern. Die Halle ist das größte Gebäude, das wir bisher gesehen haben. Fenster hat es keine. Drei Brücken führen zur Insel, es sind gut 15-20 Meter vom Ufer bis zur Insel. Das Wasser darunter sieht gefährlich aus. An jeder Brücke steht eine Wache mit blau gefärbtem Mantel (ähnlich unseren Mänteln). Sie tragen Speer und Schwert. Rückseitig der Halle sehen wir einige Kähne liegen, welche vermutlich der Versorgung dienen.

Als Kjaelnyr dahingehend Anstalten macht, werden wir noch einmal ermahnt nichts ins Wasser zu werfen. Warum wir das nicht dürfen, wird nicht weiter ausgeführt.

Die Ahnin tritt vor und legt ihre Hände aufs Gras vor dem Wasser. Sie murmelt was. Dann weist sie auf einige Pfähle, wo wir die Tiere festmachen sollen. Die Pfähle waren merkwürdigerweise vorher noch nicht da... Svartkjils Augenbrauen verschwinden fast unter dem Haaransatz. Neben meinem eigenen Staunen mutmaße ich im Stillen, dass er nun wohl mit seinen wissenschaftlichen Erklärungsmöglichkeiten an die Grenzen kommt.

Wir säubern uns kurz und nähern uns anschließend der Brücke. Die Wache kommt heran. Auf der Brust hat er ein Emblem, einen Drachenkopf (Tribal) über zwei gekreuzten Schwertern.

Sind wohl die Wachen des Fleuventhan. Malik bleibt mit seiner Mutter Lydia sowie Osrun zurück. Wir gehen zur Insel. Das Portal zur Halle hat 5 Meter breite und 5 Meter Höhe. Überall auf dem Holz sind Intarsien.

In der Halle bzw. dem eckigen Vorbau dazu steht ein Baum, zu dessen Füßen Blütenblätter liegen. In der Decke des Vorbaus befindet sich ein flaches Glasdach.

Auf dem Balken über dem Portal steht außen etwas drauf:

"Freund gewährt Freund Freundschaft und gibt Gabe mit Gabe, Hohn erwidert Hohn, Losheit wider mit Lüge."

Ahnin soll "vor Kurn dem eisigen Wächter" schwören, diese Worte zu befolgen, stellvertretend für die Sippe.

Neben dem Baum steht ein massiger, alter Mann. Hat gute Kleidung und Schärpe in blau. Neben Schriftzeichen sind Hammer, Zange und Amboss darauf zu sehen. Neben ihm steht eine ältere Frau mit vollen grauen Locken. Sie trägt eine Brille mit goldener Einfassung sowie eine purpurne Schärpe, welche ebenfalls Schriftzeichen und Hammer, Zange und Amboss zeigt. Das ist die Sippe der Skeland. Die Dame heißt wohl Engrid. Harod heißt der Alte. Er scheint der Fleuventhan zu sein.

Wir werden alle nacheinander vorgestellt. Der Alte meint joval, ich würde das Zeug zum Than haben oder so.

Als Svartkjil vorgestellt wird, betrachtet die Dame ihn etwas länger.

Nachdem wir schließlich die Halle betreten, sehen wir 12 Säulen mit Zeichen der Sippen. An einem mittigen Tisch sind seitlich je 5 Stühle und einen Chefsessel an einem Ende. Daneben steht ein Gästetisch und hinter den Säulen sind abgetrennte Bereiche für die Gäste aus den jeweiligen Sippen. Der innere Kreis (ohne den Bereich für die Sippen) hat vielleicht 20 bis 25 Meter Durchmesser, die Halle ist gut 10 Meter hoch. Es hat jede Menge Feuer, von offenen Stellen, Fackeln, etc. Trotzdem ist die Luft sehr gut.

Jeder soll ein Haar abgeben, welches von einem jungen Mädchen verbrannt wird. Als sie das tut, wird die Luft besser. Später mutmaßt Kjaelnyr, dass ein Ahn dies wohl bewirke. Ich frage mich, ob das Ritual nicht auch dazu dient zu prüfen, ob jemand ein echter Mensch ist und nicht etwas, das nur so tut. Später fällt von Skull (s.u.) noch die Bemerkung, er schütze diese Halle (u.a.) gegen solche, die in „Menschengestalt“ kämen. Darin sehe ich meinen Verdacht bestätigt.

Ein Junge von 14-15 Jahren und ein Mann betreten von Seiten der Grendlinge die Halle. Der Junge hat unter dem linken Auge ein Muttermal oder eine Tätowierung, genau kann ich es auf die Entfernung nicht sehen. Die Ahnin sieht sich die beiden an. Es kommt zu einem Austausch, der Junge äußert sich ziemlich respektlos und läppisch. Der Mann stellt sich als Ward vor, der Junge Jennar ist sein Sohn. Ward hat stylisch braunes Haar und wache blaue Augen. Sieht eigentlich ganz gut aus. Areta Grendling, die Mutter des Jungen, tritt später auch hinzu, als man wieder im eigenen Bereich steht. Areta Grendling ist Trinets (s.u.) Tochter, Ward also ihr Schwiegersohn.

Man sieht, der Junge hat offenbar gerade den Militärdienst hinter sich. Ward sagt, er würde für seinen Sohn einstehen. Oder sonst könne auch sein Sohn die Sache ausfechten, vorzugsweise gegen unser "neues Mitglied" Svartkjil.

Der Junge hat seine Beleidigung in der Kaserne ausgesprochen. Die genauen Umstände sind nicht bekannt, da die Grendlinge extra jemanden zu uns geschickt haben, um die Beleidigung zu bezeugen, bevor wir sie von jemandem Dritten erfahren haben. Dadurch ist uns nur bekannt, was der Bote erzählt hat.

Irgendwann kommt auch die Ahnin der Grendlinge, Trinet, herein. Sie hat zwei Kinder in unserem Alter, Jotan und Esbel, dabei. Sie und Friga zicken sich ein wenig an, doch was die wahren Motive der Aktion angeht, wird nicht viel klar.

Jens und Ann Wirdogh sind in der Loge. Ann ist eine ziemlich junge Ahnin.

Kjaelnyr und ich kommen zu dem Schluss, dass Zweck der ganzen Übung sein könnte, unsere besten Kämpfer vom Dorf wegzulocken. Um es schutzlos zu machen. Vielleicht um die Papiermühle außerhalb der Palisade abzufackeln oder ähnliches. Wir besprechen das mit Svartkjil, welcher meint, wir sollten später mit der Ahnin darüber reden.

Dann erscheint ein waffenstrotzender Merino-Typ. Warum er die Waffen tragen darf, obwohl alle sonst sie ablegen mussten, wird nicht klar. Sein Zeichen ist eine offene Hand, auf der ein Pflänzchen wächst. Er trägt Kettenhemden über Kettenhemden und zig Waffen. Skull Merino aus der Sippe der Merino. Mir ist bekannt, dass die Merinos in enger Beziehung zu der Kaserne der Fleuven stehen. Sind gute Kämpfer - und Heiler. Skull ist scheinbar eine Art Ausbilder in der Kaserne.

Arestine Grau kommt auch in die Halle. Sie trägt gefärbe Gewänder, ein Zeichen von Wohlstand.

Alle essen im Stehen, keiner sitzt am Tisch. Es ist recht sauber.

Wir beobachten, dass Trinet sich gar nicht mit Ward und seinem Sohn unterhält.

Engrid kennt jeden mit Namen und ist zu jedem freundlich. Sehr professionell.

Später tritt ein älterer Typ herein, der einen elfenbeinfarbenen, geschneiderten Leinenrock trägt. Kleidung hat gute Qualität. Hat Tätowierungen auf den Unterarmen. Heißt Avok, "Entfernter Vertrauter des Drengir von Uster" - so sein Titel. Drengir sind wohl eine Art Handelsfürst. Er lehnt an der Säule ohne Zuordnung (- möglicherweise die der Skorn, wie wir mit späterem Wissen deduzieren können). Als Svartkjil sich vorstellt und wir ihn begleiten, sehen wir die Tatoos etwas genauer. Auf beiden Armen lese ich "Freund gewährt Freund...". Der Rest verschwindet unter dem Ärmel. Aus der Nähe sieht der Typ eher grob aus, wie jemand, der arbeitet. Svartkjil will wissen, ob Avok mit Kräutern handelt.

Avok erzählt uns später er reise mindestens zu fünft. Er hat für Fleuven mit anderen Kongregationen gehandelt.

Fleuven hat ein großes Handelshaus. Dort treffen die Prognosen der Orte ein, z.B. wie viel Glimmer zu erwarten sein wird. Um Händler zu sein, muss man sehr penibel sein, Lust haben zu wiegen, zu zählen, etc. Oder man wird freier Händler, entsagt der Sippe. Oder man schließt sich den Treks an und sucht dort sein Glück. Er selbst sei so eine Art Priester, Priester der Gier. Gier sei nichts Schlimmes, nur ein Mittel zum Zweck. Er will uns sagen, was wir wollen. Mich nennt er ungläubig, wenig Gier. Doch dann sagt er, er wolle mich mit einer Geschichte ködern. Arestine tritt kurz hinzu und sagt, er solle uns nicht „verderben“.

Auf Kjaelnyrs Frage, was er selber wolle oder ob er gegen die Gier gefeit sei, entgegnet er, dem sei nicht so. Seine Wünsche wären nur sublimer, feiner. Er wolle Dinge in immer besserer Qualität statt einfach nur mehr. Mir fällt auf, dass Avok eine Abneigung gegen das Meer hat. Über die Drengir sagt er, es seien geübtere und bessere Händler.

Kjaelnyr absentiert sich zwischendurch zum Feuer und verbrennt etwas Rosmarin, um dem Ahnen der Halle zu huldigen. Später erfahre ich von Kjaelnyr, dass diese Opfergabe einen Mann namens Daren Virst dazu veranlasste, ihn recht grob zur Rede zu stellen. Er sei quasi aus dem Nichts erschienen und habe Kjaelnyr gewürgt und an die Wand gedrängt, nachdem er sein Opfer erbracht habe.

Sodann tritt Janus mit seiner hübschen Nichte Lysandra in die Halle. Janus fungiert heute Protokollant.

Hier sehe ich aus der Nische neben der unseren einen Mann heraustreten. Helle Hose, blauer Mantel, dünne, gescheitelte Haare und ein gekrümmtes Schwert an der Seite. Wurde nicht angekündigt. Gleich darauf kündigt er sich selbst an: Daren Virst, im Auftrag des Grafen.

Der Than grummelt irgendwas, dass er wohl „nicht durch die Tür gekommen“ sei.

Irgendwann tritt der Fleuventhan an den Tisch und wartet, bis alle Ahninen oder ihre Vertreter hinzukommen. Wir gehen in unseren Bereich. Janus bekommt als Protokollant einen Tisch neben dem Than. Avok und Arestine setzen sich an den Gäste-Tisch. Skull Merino und Daren Virst scheinen ziemliche Aversionen gegeneinander zu hegen.

Der Than redet über die Vorwürfe, er nennt das Verhalten des Jungen ungehörig. Er überlässt in diesem Fall der beleidigten Partei die Wahl der Waffen.

Jennar Grendling entschuldigt sich zunächst nicht und begründet dies damit, die Vorwürfe könnten ja stimmen. Dann meint er, seine Ahnin sage aber, der Vorwurf treffe nicht zu. Daher entschuldigt er sich schließlich doch noch. Friga nimmt das an.

Endlich können wir unseren Verdacht mit der Ahnin besprechen. Die Tatsache, dass die Angelegenheit nun auch noch so unspektakulär beigelegt wurde, bekräftigt unseren Verdacht für mich. Alles kann nur ein Ablenkungsmanöver sein. Die Frage ist, liegen wir mit unserer Vermutung richtig, dass dem Dorf Gefahr droht?

Unsere Sippe berät sich und kommt schließlich zu dem Schluss, dass man unserem Verdacht nachgehen solle. Hierzu soll Svartkjil mit mir und Kjaelnyr noch in der gleichen Nacht heimlich zurückreisen. Ziel ist es, dass unser Fehlen möglichst spät auffällt.

next
5. Spielabend

Gegen Mitternacht brechen wir auf und gehen querfeldein statt über den Weg zurück zu unserer Siedlung. Mit Glück könnten wir es so in 30 Stunden schaffen, zeitlich gesehen ist das kein großer Gewinn, doch wir erreichen so auch zuerst die Papiermühle. Wir nutzen dabei (maximal) Trampelpfade, es ist kalt und bedeckt. Sollte Schnee fallen, würde uns das Probleme machen.

Nach einer Weile sehen wir unterwegs in einiger Entfernung eine größere Wildkatze, ähnlich einem Säbelzahntiger mit weißem, zum Bauch hin sich bräunlich färbendem Fell. Sie hat zwei Schwänze und lange, vorne scheinbar bewegliche Eckzähne. Sie hat eine Körperlänge von gut drei Metern und eine Schulterhöhe von etwa einem Meter. Außerdem hat sie ein Junges dabei. Es handelt sich wohl um einen "Weißen Schlingzahn". Diese Tiere sollen in Gebirgen jagen. Ihr Fell ist wertvoll, da es warm ist, zudem hübsch und eine gute Tarnung bietet. In den Zähnen hat der Schlingzahn angeblich kleine Löcher, mit welchen er das Blut trinken kann. Das behaupten zumindest einige Geschichten und Svartkjil bestätigt es.

Kjaelnyr theoretisiert, dass sie vielleicht ihre Beute am Leben lassen, weil es nicht viel Beute in den Gebirgen gibt. So könnten sie sich am gleichen Tier wieder und wieder laben, ohne es zu töten. Blut sei schließlich nahrhaft. Nach kurzer Zeit verlieren wir das Tier aus den Augen.

Beim Weitergehen halten wir die Grendberge rechts von uns und entfernen uns schließlich vom Fluss.

Nach etlichen Stunden Wanderns habe ich Probleme mit Blasen an den Füßen. Svartkjil behandelt die Wundstellen, beim ersten Halt mit einer Fettpaste, danach mit einem Pulver, Fett und Feuer. Es gibt ein grünliches Feuer, tut aber nicht sehr weh. Inzwischen ist Voller Schimmer, die Sonne steht zwischen den Bergen und ist halb sichtbar.

Da das Wandern rasch langweilig wird, unterhalten wir uns unterwegs über zahlreiche Dinge. Svartkjil erläutert uns Verschiedene, wie etwa die Zeitzählung:

Eigentlich zählen wir, also die Sippe der Karnagh, die Zeit seit der Besiedlung von Uster. Diese legen wir auf das Jahr 47 fest. Ob das exakt stimmt, weiß natürlich niemand genau. Andere Sippen und Leute zählen anders.

Seit der Begründung von Vest-Manajar sind 33 Jahre vergangen.

In Uster soll es eine Gruppe geben, die versucht Geschichten zusammenzutragen, um eine neue Zeitrechnung zu schaffen.

Etwas später will Svartkjil uns eine Geschichte von seinem Lieblings-Ahnen Rostes, dem Trümmerer, erzählen.

Offenbar unternahm Rostes zur Buße eine Reise. Er bezeichnet sich unter anderem als "verstoßener Knappe", denn er hat wohl aus Doofheit einen König getötet. Er wollte Eis-Riesen in den Gebirgen finden. Immer wieder betet er zu "Aman, dem Einen"...

Rostes' Lehrmeister war nach dieser Erzählung Tresigur.

"Frühlingssonne hatte sich lange vor ihrer Schwester erhoben"... Hier ist die Rede von zwei Sonnen! Der König (in dieser Geschichte gibt es tatsächlich einen) hieß wohl "Amenelo".

Als wir die Mühle erreichen, nähern wir uns vorsichtig. Svartkjil geht voraus, Kjaelnyr und ich umkreisen die Mühle und halten Ausschau. Als wir uns nördlich nach je einer halben Umrundung treffen, begeben wir uns gemeinsam zum Mühleneingang.

In der Mühle ist scheinbar alles in Ordnung und wir laufen weiter zur Palisade. Auch dort scheint erstmal alles gut zu sein.

Wir sprechen mit unserer Ahnin Joslin. Sie hört sich unsere Geschichte geduldig an und fragt schließlich, ob Trinet ihre Schärpe trug. Aber wir erinnern uns nicht mehr genau.

Joslin schickt uns auf Svartkjils Rat hin noch zur Glimmerhöhle, um auch dort nach dem Rechten zu sehen. Sie bemerkt zu Svartkjil etwas zerknirscht, dass wir gewiss vorher ihren Segen wünschen. Er bejaht dies. 

Also segnet sie uns einen nach dem anderen. Mir geht es anschließend sofort wesentlich besser. Ich fühle mich frisch und motiviert. Als Joslin Kjaelnyr segnen will, stockt sie plötzlich und verkrampft sich komisch. Irgendwas läuft da falsch und ich sehe, wie ein seltsames, goldenes Licht, das ich schon mal bei solchen "magischen" Aktionen gesehen habe, sich rötlich färbt und von ihren zum Segen erhobenen Händen herunter "tropft". Bevor irgendwas anderes geschehen kann, scheint ein anderes Licht (von nicht erkennbarer Quelle) das drohende Unheil zu stoppen. Kjaelnyr spekuliert später wild, woher dieses Licht gekommen sein mag. Er meint, es müsse von Friga gestammt haben. Svartkjil wendet ein, dass Friga dafür doch recht weit weg sei. Joslin selber tut so, als sei nichts passiert und sagt, ihr sei nur unwohl gewesen.

Als wir ohne die Ahnin darüber reden, erzählt Svartkjil, er sehe kein Licht wie Kjaelnyr und ich, sondern verspüre vielmehr ein Kribbeln. Er erzählt von einem Heiler der Merinos, der auch irgendwas machen konnte, was bei ihm ein Kribbeln erzeugt, ähnlich wie das Wirken unserer Ahninnen.

Es ist inzwischen die 18.te Stunde, als wir uns zur Höhle am Berg aufmachen.

Unterwegs kommt uns der Minenarbeiter Jaken aus Richtung der Höhle entgegen und wir verbergen uns alle. Svartkjil tritt ihm entgegen, während wir uns im Verborgenen halten. Jaken erschrickt nicht unerheblich über die unerwartete Begegnung im Dunkeln. Svartkjil bedeutet uns unser Versteck nicht zu verlassen. Jaken erzählt, dass Fjerne vor 12 Stunden verschwunden sei. Man habe nur einen Schrei gehört und später Blut gefunden. Das sei außerhalb der Höhle geschehen, links vom Höhleneingang und am Abort vorbei. Auch ein paar Kleiderfetzen seien dort gewesen. Wegen des Schnees sei man nicht in der Lage gewesen sofort nach Fjerne zu suchen, zumal mit Aarod der Vorarbeiter auch nicht da war. Svartkjil schickt ihn ins Dorf.

Er vermutet, dass die Grendlinge Fjerne mitgenommen haben könnten. Ihre Gabe macht sie ziemlich wertvoll. Er überlegt, wie sie von ihrer Gabe erfahren haben könnten. 

Wir besprechen uns kurz und beschließen gemeinsam, den Grendlingen in Richtung ihrer Heimat zu folgen. Wir vermuten, dass sie Fjerne beseitigen könnten, wenn sie unsere Verfolgung bemerken. Wir rätseln, ob es sich bei den Grendlingen um Erwachsene handelt oder vielleicht auch nur um Jungmänner, die sich beweisen wollen.

Svartkjil gibt uns jedem eine Pille, die wie uns unter die Zunge legen sollen, um daraus Energie zu ziehen. Bloß nicht zerkauen, das könnte einen Herzstillstand verursachen.

In der 23.ten Stunde nähern wir uns einem Tannenhain von vielleicht 100 Metern Durchmesser, hinter welchem wir ganz leise Stimmen hören. Die „theoretischen“ Grendlinge sind nun praktische geworden. Da Kjaelnyr der Leiseste von uns ist, soll er vorgehen und kundschaften.

Als er zurückkehrt, berichtet er, dass dort nördlich des Wäldchens ein Lager sei. An einem Glimmerstein lägen drei Personen, nahebei wache eine Frau.

Wir beraten uns und beschließen, dass Kjaelnyr und ich weitläufig um das Lager herumschleichen. Dann nähern wir uns von Norden bzw. oberhalb aus dem Berghang. Wenn wir nah genug sind, soll Kjaelnyr rufen und ein Pulver werfen, welches sich sofort entzündet und zu blenden vermag. Svartkjil will sich von der anderen Seite nähern und dabei so nah wie möglich an die Wache herankommen. Sodann möchten wir versuchen die geblendeten Gegner zu überwältigen. Laut Svartkjil soll der Blendeffekt minutenlang anhalten.

Nachdem wir unsere Position etwa 20 Meter oberhalb des Lagers eingenommen haben, versucht Kjaelnyr noch näher heranzukommen. Leider wird er recht schnell zu laut und beschließt aufs Ganze zu gehen. Er schreit und rennt auf die Gegner zu, um die Distanz noch auf 10 Meter zu verkürzen. Svartkjil sagte uns, auf diese Distanz sei das Pulver auf jeden Fall wirksam. Dann wirft er seine Ladung. Die Wache erkennt ihn blitzschnell und versucht noch etwas nach ihm zu werfen, verfehlt Kjaelnyr aber knapp.

Im Kampf geht alles schnell, aber letztlich können wir die überraschten Leute am Lager überwältigen. Fjerne trägt ordentlich dazu bei, denn sie erhebt sich fluchend und schimpfend und ergreift den Glimmerstein, um ihn einem ihrer Entführer über den Kopf zu hauen. Der fällt kreischend um und ist erstmal beschäftigt. Ich springe herbei und keile mit einem Knüppel um mich, während Kjaelnyr gleichfalls Svartkjils Rat folgend mit dem Messerknauf austeilt.

Probleme haben wir allerdings mit der Wache. Ihrem Bogen nach könnte es sich um eine Jägerin handeln. Wir sehen zunächst, wie sie trotz Blendung ganz cool bleibt und sogar den sich von hinten anschleichenden Svartkjil bemerkt. Sie wirft etwas nach ihm, woraufhin er scheinbar sofort umfällt. Die Jägerin fragt sodann, wer wir sind. Ihre Frage ist außerordentlich „verlockend“ und ich muss mich beherrschen, um nicht zu antworten. Nachdem sie sich uns zuwendet, taucht Svartkjil auf einmal wieder hinter ihr auf und schlägt sie nieder.

Er erklärt später, dass er ein Spiegelbild erzeugen kann. Diese Gabe gefällt ihm allerdings selbst nicht besonders, weil er es nicht immer gut kontrollieren kann.

Wir fesseln alle an Händen und Füßen, bis auf einen. Wir möchten die Gefangenen nicht hilflos zurücklassen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, sich nach einer Weile zu befreien. Auch die Augen verbinden wir ihnen, um etwas mehr Zeit zu gewinnen.

Gleich nach dem Kampf sehe ich eine weitere Frau mit Bogen, die uns beobachtet. Sie ist gut 30-40 Meter weiter oben am Berg. Das macht mich überaus unruhig, denn es ist klar, dass wir trotz Fesselungen kaum Zeit gewinnen werden, bevor wir mit Verfolgung rechnen müssen. Bevor meine Begleiter die Gestalt erblicken, verschwindet sie schon wieder.

Es zeigt sich, dass Fjerne Svatkjil sehr abschätzig betrachtet. Sie fragt mit einem schon fast verächtlichen Unterton, warum wir sie geholt hätten. Sie ist sich offenbar sicher, dass wir sie nur als „wertvolle Investition“ unserer Sippe betrachten, welche wir ungern verlieren wollten.

Ich reagiere auf diese vorwurfsvollen Worte leicht genervt und entgegne, dass wir sie gerettet haben, weil sie zu uns gehört. Es gehe nicht immer alles um Wert und derlei Dinge. Sie wirkt überrascht und bedankt sich. Im Anschluss betrachtet sie uns immer wieder nachdenklich, wobei sie ihre Einstellung gegenüber Svartkjil nicht sonderlich zu ändern scheint.

Nach etwa einer Stunde bemerken wir, dass die Jägerin, welche Wache stand, uns auf den Fersen ist. Sie rennt (!) uns hinterher und ist etwa eine halbe Stunde entfernt. Nach einer weiteren Stunde bemerken wir, dass sie den Abstand auf nur noch 200 Meter verkürzen konnte. Kurz vor der Palisade hat sie schließlich auf 50 Meter aufgeholt und pfeift zu uns herüber. Dann holt sie einen Pfeil hervor und schießt ihn in unsere Richtung ab. Ich denke noch (wie die anderen auch) er fliege exakt auf mich zu, da bohrt sich der Pfeil zwei Meter von uns entfernt in einen Stein. An ihm hängt ein Zettel, auf dem steht: "Respekt. Gute Nacht." Ich lese das und die Jägerin verschwindet. Den Pfeil ziehe ich heraus und nehme ihn mit - er ist ungewöhnlich schwer und hat eine recht lange Stahlspitze. Außerdem möchte ich mir das Papier noch genauer ansehen.

In der Palisade begeben wir uns zu Joslin. Wir berichten aber noch nicht sehr viel, sondern gehen zunächst einmal erschöpft schlafen. Nur Svartkjil bleibt auf ihr Geheiß etwas länger.

In Anlehnung an das spöttische Rätselgedicht, welches Svartkjil uns mal stellte, gebe ich ihm nun eines zurück, bevor wir zu Bett gehen:

Fürs Erste brauchst Du Wasser, heiß,                       

Das Zweite ist ein verneinend Geheiß,                                  

Das Dritte kürzt eine Himmelsrichtung                                  

Übel ist das Letzte, wie meine Dichtung        

 

Am nächsten Tag meint Svartkjil, vielleicht habe man Fjerne auch entführen wollen, weil sie nicht ganz regelgerecht von uns "erworben" wurde. Sie ist zwar schon lange bei uns, aber wer weiß.

Er erzählt uns, dass Joslin noch einmal die für uns geplante Ausbildung im Lichte der jüngsten Ereignisse überdacht habe. Sie habe entschieden, dass sich fürs erste Svartkjil unserer annehmen solle. Ich sehe vor meinem geistigen Auge wieder das grausliche Moor und kann etwas Katzenjammer nicht unterdrücken. Es soll auch sehr zeitnah losgehen. Bereits am folgenden Tag wollen wir mit Svartkjil am Rande des Moores einige "Start"-Ingredienzien sammeln.

how to continue?
Arian
Rokburs Notizen 4
Mitschrift aus Charaktersicht
next
Rokburs Notizen 4

Jahr 47 der Besiedlung von Uster, Tag der Ankunft in Fleuvenhall

Heute sind wir in Fleuvenhall angekommen, doch jetzt bin ich schon fast wieder weg. Ich liege auf meiner Schlafmatte und warte, bis das Nachtagzwielicht sich gänzlich zur Nacht wendet. Dann werde ich mit Kjaelnyr und Svartkjil zurück zu unserer Sippe eilen.

Aber ich sollte von vorne beginnen.

Die Ahninnen beschlossen, dass die Beleidigung von Friga vor dem Fleuventhan in der Fleuvenhall beantwortet werden sollte. Alles deutete auf ein Duell hin. Ich zerbrach mir in den letzten beiden Nächten den Kopf darüber, ob die Grendlinge mit der offen zugegebenen Beleidigung von Friga etwas ganz anderes bezwecken wollten, was wir nicht bemerkten. Ich dachte daran, wie sie uns das Papierfertigen neiden. Dabei kam es mir sehr merkwürdig vor, dass ausgerechnet Stellan, der sich hauptsächlich um die Herstellung des Papiers kümmert, ein Duell mit ihnen ausfechten soll. Klar, die gehen in der Regel nicht tödlich aus. Aber Unfälle kommen halt vor, nicht? Ups, wie bin ich da gerade auf Dein Herz getreten? So ein Missgeschick, tut mir schrecklich leid…

Andererseits durfte jederzeit auch Aarod das Duell bestreiten, das konnten sich die Grendlinge nicht aussuchen. Dann würde es sich wohl eher nicht um einen Angriff auf eine bestimmte Person handeln. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass hinter der Sache mehr steckt.

Nun sollte also eine Gesandtschaft aus unserer Sippe nach Fleuvenhall gehen, dort Stärke demonstrieren und sich der Angelegenheit annehmen. Neben Stellan und Aarod wollte auch Friga selbst den Zug begleiten. Osrun und Fina sollten mitreisen und sich um Friga kümmern. Ebenso sollten Lydia und Malik mitreisen. Svartkjil wollte man ebenfalls mitnehmen, um allen zu zeigen, dass er uns ganz wichtig ist und zu uns gehört. Um das noch zu unterstreichen, sollten Kjaelnyr und ich als seine demütigen Handlanger mitreisen. Mein erster Gedanke war, dass ich es als Schauspieler versuchen sollte, wenn man mir das Theater abkaufen würde. Aber man erklärte Kjaelnyr und mir, was wir machen sollten. Eigentlich nur die Klappe halten und ihm allerlei Sachen bringen. Das habe ich dann sogar hinbekommen, denke ich.

Vor unserer Abreise war an unserem Baum ein Zweig mit grünen Blättern und einer weißen Blüte erschienen. Man erklärte uns, es handele sich dabei um ein Zeichen des Fleuventhans. Den meisten anderen und mir schien es, als müsse ein Zauber dies bewirkt haben, doch Svartkjil meinte, die Wissenschaft könne dies erklären. Er konnte es (wenig erstaunlich) nicht.

Während unserer zweitägigen Reise erzählte er Kjaelnyr und mir dann einiges über die Sippen von Uster. Wie sie durch zahlreiche Bande miteinander verbunden sind. Er wies mich darauf hin, dass mein Großvater ja ein Jegeson war. Ich hatte bis dahin tatsächlich noch nie darüber nachgedacht. Vielleicht schickt mich Friga ja auch deswegen zu den Jägern, weil sie hofft, dass mir die Jagd im Blut liegt, wie angeblich allen Jegesons.

Doch Svartkjil berichtete auch, wie sich die Sippen beizeiten gegenseitig ausspielten und manipulierten, dass sie zwar einen Wehrbund bildeten, doch untereinander oft um die Vormacht stritten. Man muss ihm lassen, er kann einem solche Dinge wirklich gut auseinandersetzen. Vor allem aber erwähnte er, dass sie bei ihren Machtspielen oft sehr indirekt und geschickt vorgingen. Es sei schon geschehen, dass zwei Sippen sich stritten, nur weil eine Dritten dies angezettelt hatte, um am Schluss vom Streit zu profitieren. Seine Erläuterungen machten mich in Hinsicht auf unsere Reise nur noch unruhiger. Sollte es wirklich „nur“ um eine Beleidigung gehen?


Svartkjils Ausführungen zeigten uns nicht zuletzt, wie wenig über die Geschichte der Sippen landläufig bekannt ist. Dies schien uns merkwürdig, es sind ja gerade einmal 47 Jahre seit der Besiedlung Usters vergangen. Unsere Ahninnen mussten also alles selbst miterlebt und sogar die Zeit davor gekannt haben.

Etwas später fragten wir dann auch Friga, ob sie sich an die Zeiten der Besiedlung erinnert oder ob sie uns etwas dazu erzählen kann, wie die Sippen entstanden sind. Doch sie erzählte zu unserem Erstaunen, dass sie sich an viele Dinge ihrer Kindheit kaum richtig erinnern könne. Vor allem gelänge es ihr nur sehr schwer, genaue Zeitangaben zu machen. Erst wunderten wir uns sehr, doch dann fragte sie Kjaelnyr und mich nach einigen Ereignissen unserer eigenen Kindheit – und tatsächlich hatten auch wir beide Schwierigkeiten zu bestimmen, wann genau etwas geschehen war, wenn es bereits ein paar Winter zurück lag. Auch an andere Dinge, wie das Aussehen ihrer Eltern, vermochte sich Friga nicht mehr zu erinnern. Sie erinnerte sich zwar an das gemeinsame Aufwachsen mit Joslin, doch kaum an Einzelheiten. Unsere Frage nach der Entstehung der Sippen konnte sie ebenso wenig beantworten.

Als wir unter uns waren, sprach Kjaelnyr aus, was auch mir durch den Kopf gegangen war. Ich hatte schon am Tag nach den Geschehnissen in der Berghöhle arge Schwierigkeiten, alles in eine richtige zeitliche Folge zu bringen. Wenn ich heute darüber nachdenke, kann ich mich nur an einzelne Dinge erinnern, wie die schrecklichen T’arrkel, Slochteren und die Herrin mit ihren tanzenden Paaren. Will ich mich aber auf die Reihenfolge der Geschehnisse besinnen, so entrinnt mir das alles wie Wasser zwischen den Fingern.

Zurück zur Sache, denn ich habe gerade bemerkt, dass mir nicht mehr viel Zeit bis zu unserem Aufbruch bleibt.

Am ersten Tag unserer Reise erreichten wir die Mühle der Familie Jännen, wo man uns Nachtlager bot. Heute Morgen reisten wir dann am Flussufer entlang bis zum See, wo wir schließlich die mächtige Fleuvenhall auf ihrer Insel liegen sahen.

Ich könnte noch viel von dem erzählen, was wir nach unserer Ankunft in der Halle des Fleuventhans erlebt haben. Manchmal wiederfährt einem so vieles in so kurzer Zeit. Ich könnte von einem seltsamen und beeindruckenden Zauber berichten, welchen Friga gleich nach unserer Ankunft am Ufer des Sees wirkte, der sogar Svartkjil die Augen aufreißen und den Kiefer hängen ließ. Von den beeindruckenden Wachen, welche an allen drei Brücken zur Insel standen und die Waffen der Gäste entgegennahmen. Oder von der riesigen Halle des Fleuventhans selbst und dem großen Baum unter dem Glasdach des enormen Vorbaus, dessen Stamm von zahlreichen Blütenblättern umsät war. Wir trafen natürlich auch den Fleuventhan selbst, Harod, und seine Frau Engrid, die Ahnin der Skeland. Auch von unserem ersten Treffen mit den Grendlingen am späteren Tag könnte ich künden und von deren dreisten Vorschlag, Svartkjil solle doch das Duell für uns bestreiten. Und natürlich könnte ich auch noch lange von den erstaunlichen Gästen des Fleuventhans erzählen, wie dem riesenhaften Krieger Skull Merino oder dem wortgewandten Händler Avok, einem Priester der Gier und entfernten Vertrauten des Drängir von Uster, und von Daren Virst, einem ganz absonderlichen Mann, der im Auftrag des Grafen höchstselbst erschien und gewiss nicht zuletzt von der lieblichen Lysandra, der holden Nichte von Janus, dem Fischer. Ein ganzes Buch könnte ich über sie schreiben, und habe doch noch nicht einmal mit ihr gesprochen.

Es war schon recht spät, als auch endlich die Ahnin der Grendlinge, Trinet, in der Halle erschien. Die Begrüßung zwischen ihr und Friga fiel erwartet frostig aus.

Doch alle Ausführungen zu Personen und Wunderlichkeiten sollen nun warten, denn sie erklären nicht, warum Svartkjil, Kjaelnyr und ich nun rastlos auf unseren Lagern bei den Wagen kauern und den Schutz der Nacht abwarten, um mit größtmöglicher Hast klammheimlich wieder zur Sippe zurück zu reisen.

Kaum war nämlich das Nachtagzwielicht angebrochen, wurde es still in der Fleuvenhall. Der Fleuventhan legte allen Anwesenden dar, dass und auch womit ein junger Grendling namens Jennar, Sohn der Areta und des Ward, die Ahnin Friga vor Zeugen beleidigt hatte. Er nannte die Tat ungehörig und ließ uns die Wahl der Waffen für den Fall, dass wir den Täter für sein Verhalten zur Rechenschaft ziehen wollten. Immerhin war Jennar bereits am Ende seines Militärdienstes, also durchaus wehrfähig.

Auch dem Täter wurde nun die Gelegenheit geboten, sich zu seinem Verhalten zu äußern. Obwohl er und sein Vater sich nach unserem ersten Treffen am früheren Abend recht stolz und trotzig gezeigt hatten, entschuldigte sich der junge Jennar nun plötzlich doch noch für seine Worte, ohne aber irgendein Zeichen der Reue zu zeigen, die Schatten sollen ihn holen! Er meinte nur, seine Ahnin habe ihm gesagt, dass seine Äußerungen nicht zuträfen.

Obwohl dieser Entschuldigung jeder Funken Ehrlichkeit fehlte, akzeptierte Friga sie großmütig und die ganze Angelegenheit war damit im Grunde beendet.

Dieser merkwürdige und abrupte Abschluss der Angelegenheit bekräftigte jedoch einen Verdacht, den sowohl Kjaelnyr als auch ich inzwischen hegten und welchen wir schon früher am Abend Svartkjil gegenüber zum Ausdruck gebracht hatten. Das nämlich diese ganze Episode nur als Ablenkung dienen sollte und als Grund, um uns von unserem Dorf fortzulocken. Wir sprachen nun mit der Ahnin über diese Vermutung und erklärten ihr überdies den Verdacht, dass man unsere Abwesenheit dazu nutzen könnte, unserem Dorf zu schaden, es vielleicht sogar anzugreifen.

Gerade die Papiermanufaktur, die ja außerhalb der Palisade liegt, könnte umso leichter Ziel eines Angriffs werden, wenn das Dorf einen guten Teil seiner waffenfähigen Männer entbehrt.

Man beriet sich über diese Bedenken und fand sie schließlich hinreichend begründet. Wohl nicht zuletzt, weil man gerade Svartkjil mit der ersten Forderung hier festhalten wollte, soll nun gerade er heimlich und schnell zum Dorf zurückkehren, um denkbares Unheil abzuwenden. Kjaelnyr und ich sollen ihn begleiten und unterstützen. Damit unsere Abreise nicht sofort auffällt, liegen wir in unseren Lagern und warten darauf, dass die Nacht ihre schwärzeste Punkt Stunde erreicht.

Es ist ein merkwürdiges Gefühl, das sich jetzt in mir ausbreitet. Eine Anspannung, eine Mischung aus freudigem Erwarten und kalter Angst. Haben wir Recht, könnten wir unserer Sippe einen guten Dienst erweisen. Aber zugleich würden wir uns einer noch unbekannten Gefahr aussetzen. Zumal wir keine schützende Palisade zwischen uns und möglichen Angreifern haben würden. Wie sagte Svartkjil gestern noch? Es sei schon vorgekommen, dass aus Sippen Familien wurden.

Ich werde versuchen, nicht zu schwarz zu sehen.

next
mapcontextcommentchat