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Der Weg zu den Wurzeln

Eines Nachts - es war Neumond, erwachte Muriel aus einem wirren Traum. Sie hatte kein schlechtes Gefühl, aber auch kein Positives. Ihre Eltern, oder zumindest die, die sie als Eltern kannte, waren bereits verstorben. Ihre beiden älteren Brüder verstießen sie – schon immer. Am Sterbebett ihrer Mutter erfuhr sie auch warum.

Rückblick:

Muriel wurde als kleines Kind auf der Handelsroute ihrer Eltern von eben jenen gefunden. Eingewickelt in eine wollene Decke hatte sie sonst nur eine Kette mit einem Anhänger aus weichem, grauen Stein bei sich, mit einer Zeichnung drauf. Ob sie abgelegt wurde oder verloren ging, vermag zum jetzigen Zeitpunkt keiner zu sagen. Ihre Ziehmutter war eine Celtoi, die sich von ihrem Ehemann die keltische Lebensweise zu großen Teilen hat nehmen lassen. Er war herrschsüchtig, starrköpfig und streng. Die Mutter jedoch liebevoll und bei Vollmond zuweilen nachdenklich. Als die Mutter an einer mit Pusteln am Körper einhergehenden Krankheit kurz nach dem Vater starb, erzählte sie Muriel ihre Geschichte. Mit letzter Kraft sprach sie zu ihr: „Geh und finde deinen Stamm.“ Dann starb die Mutter. Muriel aber hatte tausende von Fragen, die unbeantwortet blieben. Von den Brüdern hatte sie auch keine Hilfe zu erwarten, verstießen sie Muriel ja schließlich bereits als Kind und nannten sie Schmarotzer.

Ein neuer Lebensabschnitt begann nun also. Allein auf sich gestellt und nur mit dem Wissen, was sie bei ihren Zieheltern über den Handel mit Salz wusste, schlug sie sich ein paar Jahre, mehr schlecht als recht durchs Leben. Sie fand in Neu-Ostringen eine neue Heimat, begann ihr Handelsgeschick und ihr Wissen über Salz und andere Gewürze auszubauen.

Jedoch in jener besagten "traumhaften" Nacht konnte sie schon schlecht einschlafen. Mag es an den grollenden Orkhorden hinten im Steinbruch gelegen haben, an den feiernden Gästen, die sich jeden Sommer im Lande der Lesath einfanden oder an ihren Gedanken der letzten Worte ihrer Ziehmutter, ihrer einzigen Bezugsperson, die sich seit dem Tod nicht recht aus dem Kopf vertreiben ließen? Sie träumte. Sie träumte von starken, großen Bäumen, einem verträumten Wald, vom weiten Meer und von goldig, klitzernden Steinen, die sich scheinbar hüpfend vor ihr her bewegten. Vermochten sie ihr den Weg zu zeigen? Den Weg zu ihrem Stamm. Diese Worte begriff sie am Sterbebett tatsächlich nicht und wusste mit dieser Information auch nichts anzufangen. Sie hörte im Traum eine vertraute Stimme, weich und sanft, die ihr etwas zuflüsterte: 

„ Auf diesen Hügeln übersiehst du deine Welt.

Hinab ins Tal, von Rasen sanft begleitet,

vom Weg durchzogen, der hinüber gleitet,

dein eigenes Sein inmitten aufgestellt.

Nichts ist´s, was deinen Blick gefesselt hält,

deine Heimat liegt im Nebel und nicht in dieser Welt.

Auch ein Ort ward einst genannt.

Der Schleier wird schwinden, die Wurzeln dich binden,

doch hat die Zeit den Namen verbannt.

Was sein wird, was ist und jemals war,

im goldenen Reich wirst du es finden

geh nach Mistraspera.

Eine Erinnerung, die niemand mehr sieht,

weil sie im Meer der Vergangenheit liegt

und wenn der Nebel sich verdichtet

und das Meer in Stürmen wankt,

bleib stark, bleib standhaft, den Blick nach Süden gewandt.

Dort wirst du finden, du weißt es schon,

die Antwort auf deine Frage, ist Belldraighon.“


Als Muriel erwachte drehte sich ihr Kopf, hatte sie zu viel Tempelwein gehabt am Vorabend? Nein, das kann es nicht sein. Die Namen, die sie im Traum vernahm, kannte sie nicht. Mythodea, Belldraighon, Mitraspera? Doch die Worte des Traums bohrten sich wie heißes Eisen in ihren Kopf.

Es war nach dem morgendlichen Nebel ein sonniger Tag geworden. Sie saß am Rande des Versammlungsplatzes und kaute grübelnd auf einem Grashalm rum, als sie ein paar Römer vorstreifen sah. Sie setzten sich in ihre Nähe in den Schatten. Sie 3 Männer unterhielten sich angeregt. Als Muriel von einem von ihnen die Wörter Mythodea und Mistraspera hörte, wurde sie aufmerksam.

Einige Zeit später traf sie einen der Römer, sein Name war Quintus Treverius, in der Taverne wieder und setzte sich zu ihm. Sie kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass Quintus nach Mitraspera reisen möchte um die Kelten zu finden, warum, fragte Muriel nicht. Zumindest war das die essentielle Information des Gesprächs, an das Muriel sich noch erinnerte. Sollte das ein Zufall sein? Sollte sie Neu-Ostringen verlassen? Sollte sie tatsächlich Antworten auf ihre Fragen erhalten? Muriel und Quintus beschlossen sich gemeinsam auf den Weg nach Mythodea zu machen, in eine ungewisse Zukunft. 

…........




Nach wochenlanger Reise durch Wind und Wetter waren Quintus und Muriel an einer Küste angelangt, von der aus sie dann zu Fuß den Weg fortsetzten. …… [Später] Es ist warm am Feuer, dass im großen steinernen Kamin im Weghaus entzündet wurde. Sie sind scheinbar mitten in eine Zusammenkunft geraten, werden aber freundlich empfangen. In einem großen Haus, von Balken aus Holz durchzogen, inmitten vieler unbekannter Menschen suchen sich Quintus und Muriel einen Tisch in der Ecke. Sie sind angekommen, doch wo? Die beiden befinden sich in einem hohen Raum, jedoch nicht allzu groß. Die Wände sind verzieht mit Bannern in grün und gelbgold. Ein paar Holzschnitzereien mit Abbildern unbekannter Herren gesellen sich dazu. Im Raum stehen schwere Holztische auf denen sich weiße Tischdecken, Blumenschmuck und Wasserkrüge befinden, umsäumt von einfachen Holzstühlen und Bänken. Zentral gegenüber vom Kamin steht ein sehr massiver Holztisch mit einer großen Bank, die scheint, als wäre sie in Einem aus dem Baumstamm geschlagen. Dort sitzt eine freundlich dreinblickende Frau mit dunklen Locken, die hochgesteckt sind, auf ihrem Kopf eine Art Krone. Ihr dunkelrotes, samtenes Kleid schimmert im Kerzenlicht. Neben ihr ein stattlicher Herr, der Thul´Hen.

Nun befinden sie sich mitten bei einem Treffen des goldenen Reiches. Shanna – die Frau am Kopf des zentralen Tisches, mit den braunen Locken, ist die Nyame des südlichen Siegels und hat zum Ende des Jahres nach Lichtensee geladen. Der Archon, der ebenso wie die Nyame diesen Teil Mitrasperas führt, ist nicht zugegen – dringende Geschäfte oder so ähnlich, hieß es.

Quintus und Muriel unterhalten sich eine gewisse Zeit über die vergangene Reise. Immer wieder setzt sich jemand zu ihnen an Tisch und fragt sie, wer sie seien. In kurzer Zusammenfassung erzählen sie, was sie suchen und wie sie nach Lichtensee gekommen sind. Nehmen umgekehrt aber auch gern jede Information an, die sie über den [für sie] noch unbekannten Landstrich erhaschen können. Quintus hat wunderbaren Gewürzwein dabei, den sie beide Krug um Krug leeren. Es ist dunkel geworden draußen, was in dieser Jahreszeit aber auch recht zeitig geschieht, draußen prasselt der Regen an die Fenster. Eine eigenartige Gestalt nähert sich dem Tisch. Sie sieht anders aus als die Menschen in diesem Haus. Sie trägt ein freundliches Lächeln auf den Lippen und hat einnehmende Gesichtszüge. Ihre Bewegungen – die Arme scheinen zu tanzen. Sie sagt nichts, sondern schaut Muriel nur tief in die Augen als sie am Tisch steht und streckt ihr die Hände entgegen. Muriels Augen werden schwerer und sie merkt nicht, wie die Wirklichkeit verschwimmt. Die Stimmen um sie rum werden leiser, das Licht dunkler und der Gewürzwein im Kopf hilft einen nahtlosen Übergang zu schaffen.

Traum oder Wirklichkeit:

Muriel fühlt unter sich etwas Weiches. Hatte sie doch auf der Bank nicht auf einem Fell gesessen, so tut sie aber jetzt. Als sie die Augen öffnet befindet sie sich in einem kleinen Raum. Nur erleuchtet von ein paar wenigen Kerzen und bunten Lichtern, die sie umschwirren. Sie vernimmt Stimmen um sich herum.....

"Schaut sie euch an". "Da ist sie".

Die Stimmen wirken quitschig und feindseelig, gar wirr, doch gleichzeitig einnehmend und freundlich. Das zauberhafte Wesen steht vor und über ihr. Muriel befindet sich sitzend vor dem Geschöpf, das sie nicht einordnen konnte. Die Augen sehen freundlich, aber gefährlich aus. Dunkel umrandet verleihen sie ihr eine ungeheure Tiefe. Sie fragt Muriel wer sie sei und was sie hier wolle. Mehr und mehr nimmt Muriel den Rest der Umgebung wahr. Das zauberhafte Wesen, welches ihr am Tisch noch die Hände entgegenstreckte ist nicht allein. Neben Muriel und sich schnell bewegend stand eine Gestalt mit einer roten Mütze und langem Bart, daneben noch einer. Die quitschende Stimme kam von einer zierlichen Gestalt mit einer roten Mütze. Sie alle bewegten sich um Muriel herum und redeten wild durcheinander. Was Muriel jedoch angst machte, war ein Wesen schräg rechts hinter ihr. Sie saß. Still und unbewegt. ein goldener Schimmer ging von ihrer Haut aus und war auch im schummernden Licht erkennbar. Längliche Ohren durchbrechen das lange, helle Haar. Die ebenmäßigen Gesichtszüge wirken wie versteinert.

Muriel wird gefragt, was sie sucht. Die einzige Antwort, weshalb sie sich auf die Reise von Neu-Ostringen machte war: "meinen Stamm, meine Wurzeln". Denn keine andere Antwort hatte sie. Die Wesen sprachen noch immer wild durcheinander jedoch wurde Muriel eindringend gefragt: "Was können wir für dich tun? DU hast uns gerufen, es ist dein Traum. Wie also sollen wir dir helfen und weißt du eigentlich wer wir sind?". Völlig verblüfft, dass es sich um einen Traum handeln soll, wo es sich doch so wahrhaftig anfühlt, entgegnete Muriel nur mit einem Schulterzucken. Nicht ganz klar ob die Wesen die erste Antwort nicht verstanden hätten, formulierte Muriel noch einmal: "Ich bin auf der Suche nach meinen Wurzeln, meiner wahren Heimat und meinem Stamm und vielleicht könnt ihr mir dabei helfen". Ein helles Lachen erklingt und die Wesen meinen sie seien die Fea. "Fea"? fragte Muriel überrascht, dieses Wort hatte sie noch nie gehört. "Ja, Fea" Muriel schaute überrascht. "Und das will eine Celtoi sein, die ihre eigene Geschichte nicht kennt?!" sagte einer der Rotkappen. "Eine Celtoi?" brabbelte Muriel in sich hinein. "Und weißt du wer das ist?" wurde sie gefragt. Ihr Blick richtete sich auf die stille goldene Gestalt. "Nein" entgegnete Muriel beängstigt. Die Rotkappe stellte sie mit "Das ist die Provinzkönigin. Die Sidhe Lady Earainne Ni Dougal." vor. Schlagartig erhob sich die Sidhe von ihrem Platz und befand sich ebenso zeitgleich Aug in Aug vor Muriel. Eindringend schaute sie Muriel an. In ihren Augen schien sich der Himmel zu verlieren. "Was willst du von uns?" fragte Earainne mit starken langsamen Worten. Nun dachte Muriel, sie spreche eine andere Sprache. Sie hatte doch schon zweimal geantwortet. Sie ging blitzschnell in ihrem Kopf die bereits gegeben Antworten durch und stellte fest. Es waren immer die gleichen. Erneut antworte Muriel. "Könnt ihr mir helfen, meine Heimat zu finden, meine wahre Heimat? Ich suche meine Meine Wurzel." In der Hoffnung, dass die Antwort nun klar formuliert wäre fasste sie diese bewußt kurz.

"Hast du eigentlich mal Móirea gefragt?" entgegnete Earainne. Muriel atmete tief aus und dachte sich wer ist denn jetzt schon wieder Móirea. Ich kenne so viele Menschen nicht und auch keine Móirea. "Nein, wer ist das?" brachte Muriel als einzige Frage hervor. Die Rotkappen lachten und Earianne meinte "du wirst sie schon noch kennen lernen". Earainne wurde plötzlich laut: "vergeude nicht meine Zeit. Du möchtest also deine Heimat finden, deine Wurzeln? Und du würdest alles dafür tun?". "Ja" antwortete Muriel knapp und erschrocken. Zu ihren Fea, Wesen und Rotkappen gewand sprach Earainne in leicht erheitertem Ton: "Dann lasst und den Wunsch gewähren und es ihr zeigen".

Plötzlich überschlug sich alles. Die bunten Lichter wirbelten wirr um Muriel, die Fea und Rotkappen hielten sie fest und die zierlich, zarte Gestalt mit der quitschigen Stimme biss zu.....

Als Muriel einen Augenblick später, erschlagen von den eben erlebten Ereignissen wieder zu sich kam, fühle sie einen leicht brennenden, aber angenehmen Schmerz am linken Handgelenk. Die Sihde Earianne mit den tiefen dunklen Augen befand sich nun unmittelbar vor Muriel und hielt ihr eine Phiole. Sie sagte zu Muriel in einem freundlich ruhigen Ton, fast mütterlich: "Du kannst Mythodea fortan nun nicht mehr verlassen. Dieser Staub in der Phiole wird sich leeren, wenn du es dennoch tust. Solltest du nicht zurück gekehrt sein, eh der Staub verbraucht ist.... wirst du selbst zu Staub! Finde Móirea... sie kann dir Antworten geben.

Eine neue Zukunft:

Mit diesen Worten und dem leichten brennen am Handgelenk öffnete Muriel die Augen. Sie befand sich an eben jenem Tisch mit Quintus, an dem sie saß, bevor ihr die zauberhafte Gestalt die Hände reichte. Nur eins hatte sich verändert. Mit ihnen saß eine weitere Person dort. Einschüchternd, doch freundlich lächelnd und mit Quintus in ein Gespräch vertieft. Um den Hals trug sie einen goldenen Reif, deren Enden in Schnecken eingerollt war. Die langen Haare hochgebunden. Muriel nahm einen kräftigen Schluck Gewürzwein und schaute, was dort am Handgelenk brannte. Völlig überrascht entdeckte sie ein leicht blutbeschmiertes Zeichen. "Das ist eine Triskele" meinte die fremde Frau. Sie schaute Muriel an und fragte: "wer bist du?". Erschlagen von den Ereignissen und der festen Überzeugung, dass es ein Traum gewesen sein muss - dem aber scheinbar nicht so war, nannte Muriel ihren Namen. Die fremde Frau wandte sich kurz dem Gespräch mit Quintus ab und meinte: "du scheinst müde gesesen zu sein, du hast geschlafen.... ich bin Móirea".

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