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Gabhan - 
Kapitel 1 - Blutsbrüder

Maðr er moldar auki; 

mikil er græip á hauki.

  • Inschrift auf einem Skelliger Grab


Salzige und feuchte Luft. Ein prickeln auf der Haut und ein Stechen in den Augen ob der Kälte. Die Skelliger Inseln zeigten sich wieder einmal von ihrer rausten, wenn auch schönsten Seite. Eine Seite, die Gabhan über alle Maßen gefiel - und die als einzige in ihm noch ein Gefühl der Schönheit auszulösen vermochten. Alle anderen Orte, die er auf seiner Reise in den letzten zwei Jahren besucht hatte schienen vor seinen Augen ihrer schönen Fassade beraubt zu werden und nur noch Schrecken zu offenbaren. Aber Skellige? Skellige zeigte jedem unmittelbar wie schrecklich es war - und wie schön zugleich.

Wahrlich. Die vergangenen Monate waren anstrengend gewesen und Gabhan spürte die Anstrengung in allen Knochen. Schwer wog das Gewicht der fehlenden Klinge auf seinem Rücken, schwer wog die Verantwortung die er trug. Aber all das konnte für einen Augenblick vergessen werden, wenn er die raue Schönheit dieses Ortes sah. Eine Schönheit, die er zuerst auf Yngvars Zahn gesucht hatte, in der Hoffnung dort Tjaske zu finden - doch der alte Bär war nirgends aufzuspüren gewesen, ehe ihm einige Fischer unten am Hafen einen Hinweis hatten geben können: Hindarsfjall. Gabhan hatte sich ein Boot geliehen und sich in Richtung der Insel begeben. Das Wasser war ihm dabei immer wieder ins Gesicht geschlagen, hatte Wangen und Lippen mit einer salzigen Kruste überzogen, doch es machte ihm nichts aus. Der beißende Schmerz der Kälte war willkommen, nicht gefürchtet.

Hindarsfjall selbst war nicht die größte Insel von ganz Skellige, aber dennoch groß genug um sich auf ihr verlaufen zu können - glücklicherweise war ein beinahe zwei Meter großer Hexer selbst unter Skelligern auffällig und einige Waschweiber konnten Gabhan in die richtige Richtung weisen.

Er hatte viel erwartet - doch was er erblickte, als er den immer lauter werdenden Rufen und Lauten folgte, sich durch Dornengebüsch und Sanddorn schlug, hätte er nicht erwarten können.

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Tjaske - 
Kurz davor...

"Eine Feste errichtet sich nicht von alleine Tjaske. Nicht von alleine" 

Tjaske schnaubte genervt als er den Hufspuren im Eis von Hindarsfjall folgte. Quer über einen gefrohrenen Acker hin zum Waldesrand. 

Zwei Wochen war es her das Tjaske von den Priesterinnen der Freya angesprochen wurde. Die alljährliche Umrundung der Insel Hindarsfjall stand an. Ein Ritual der Freya gewidmet das den Inseln eine drohende Hungersnot abwenden solle.

Tjaske ging die letzen Monate nur ungern vor die Tür. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Yngvar's Zahn und seiner Restauration. Der Weg zur Feste war grob mit Brücken aus Holzplanken genagelt, das Dach notdürftig geflickt und der Keller halbwegs trocken gelegt. Zumindest das was man auf Skellige trocken nennen konnte. 

Es war also noch genug zu tun und der Vorrat an Münzen war nicht unerschöpflich. Missmutig hatteTjaske den Auftrag also angenommen. Grollborste waren garstige Viecher. Größer als ein ausgewachsener Keiler, die Borsten auf dem Rücken spitz und hart wie Speerspitzen, Hauer hart wie Stahl und glühende Augen die das Höllenfeuer in sich trugen. Tjaske konnte sich besseres vorstellen als gerade eine Grollborste durch den Schnee zu jagen aber Auftrag war Auftrag.

Drei ganze Tage war er nun schon auf der Suche, hatte Spuren gefunden, verloren und wieder aufgenommen. Der Wind pfiff hart über den gefrohrenen Acker und trug mit jeder Böhe den salzigen Atem der nahen See mit sich. Nicht unweit von hier lag noch ein alter Steinzirkel der früher intensiv von den Druiden genutzt wurde. Heutzutage gingen die Bewohner der Insel eher auf die Priesterinnen der Freya zu und die Druiden waren in den Hintergrund gerückt. 

Tjaske hielt inne als er den Waldrand erreichte. Aus dem dunkel hob sich ein paar Augen ab, so glühend Rot es könnten Scheiterhaufen des Ewigen Feuers sein. Tjaske atmete tief ein und die Hand wanderte langsam zu seinem großen Bihänder aus gutem harten Skelliger Stahl. Ein plötzliches Krachen irgendwo zischen dem Sanddorn und dem Dornengebüsch ließ die Sau aufschrecken und kreischend nach vorne preschen. "Verdammte Kacke" fluchte Tjaske lautstark und konnte den Bihänder nicht mehr schnell genug ziehen ehe die Sau mit einem lauten Schlag in Tjaske krachte. Mit einer gefühlten Kraft eines Steintrolles wurde Tjaske von den Beinen geholt und seine Armschiene verfing sich in den unzähligen Borsten auf dem Rücken der Grollborste. Ohne auch nur den Funken einer Gegenwehr aufbringen zu können wurde er über den gefrohrenen Acker geschleift. "Dreckiges...." Tjaske versuchte den aufkommenden stechenden Schmerz der Felsen zu ignorieren über die er gezogen wurde und angelte nach dem Beil das an seinem Gürtel baumelte. Es dauerte ein paar Meter ehe er es aus der Halterung bekam und mit einem großen Schwung in den Nacken der Grollbroste schlug. "...MISTVIEH!!" Wiederholt schlug Tjaske in den Nacken der Bestie bis diese noch einige Meter weiter schnaufend zu Boden ging.. 

Tjaske fluchte lautstark als er sich zur Seite drehte und mit schmerzverzogenem Blick in den Skelliger Himmel blickte. Die dicke Panzerung sollte in vor dem schlimmsten bewahrt haben doch bei einfachen Prellungen würde es sicher nicht bleiben. 

Noch während Tjaske tief durchatmete und mit dem Geist gegen den Schmerz ankämpfte begann die Bestie neben ihm zu verfaulen. Ihr Körper zerfiel förmlich in einen Haufen aus Dreck, Staub und Maden und setzte umgehend einen äußerst unangenehmen Gestank der Verwesung frei.

Und in diesem Moment realisierte Tjaske das es wohlmöglich noch nicht das Ende seines Auftrages war, aber darum würde er sich später sorgen. Erstmal wollte er wissen was bei allen Skelliger Winden dort hinten im Wald so einen Lärm gemacht hat. Schwerfällig richtete er sich auf und wand sich dem Waldrand zu...


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Gabhan - 
Kapitel 1.1 - Blutige Brüder

Gabhan schob den Sanddorn grob bei Seite, der krächzend und klagend über Metall und Leder schnarrte und dort winzige Rillen hinterließ. Spuren, in die sich über die nächsten Jahrzehnte Salz, Blut, Schweiß und Staub setzen würde um die Patina, die der Bärenhexer mit sich herum trug weiter zu unterstützen und die ihn - wie eine bekannte Zauberin zu sagen pflegte - besser schützte als die Rüstung selbst.

Noch ehe er Tjaske entdeckte, roch er ihn. Oder zumindest das, worin der Waffenbruder bis vor wenige Augenblicke noch gelegen haben musste. Ein morastiges etwas von zweifelhaftes Konsistenz, das dank Gewürm mehr zu leben schien als so manche Hafenhure in Novigrad. "Scheiße," knurrte Gabhan und schob sich vollends durch das Gebüsch, ehe er auf der Lichtung stehen blieb und den deutlich größeren von oben bis unten musterte. "Du hast ja noch nie gut gerochen - aber die Zeit allein auf der Feste scheint dir nicht gut zu tun!" ein knappes, auf nur eine Gesichtshälfte beschränktes Grinsen trat auf Gabhans Gesicht und verlieh diesem einen widerwärtigen Ausdruck. Er straffte sich, drückte den Rücken durch und spannte alle Muskeln an. Nur für den nicht gerade unwahrscheinlichen Fall einer prompten und eindeutigen Antwort von Seiten Tjaskes, die regelmäßig dazu in der Lage waren Gelenke und Nackenwirbel auszukugeln. Weder das eine, noch das andere konnte er gebrauchen.

Er umrundete den anderen, darauf bedacht dabei stets eine Stellung einzunehmen, die halbwegs zu verbergen mochte, dass er nur mit einem denn zwei Schwertern wieder auf die Inseln zurück gekehrt war. Insbesondere, da das wichtigere von beiden fehlte. Stahlschwerter, sogar die Guten, bekam man heutzutage vielerorts. Silberschwerter, sogar die Schlechten, beinahe nirgends. Er wusste, dass er es Tjaske kaum würde verheimlichen können. Weder gut, noch lang. Aber kurz und schlecht war immer eine Option. "Du hast da noch was," lenkte er die Aufmerksamkeit nun auf ein Stück Schlamm - oder was auch immer es sein mochte - das an Tjaskes Ellenbogen klebte und aus dem sich gerade ein Mistkäfer wühlte.

"Verdammter Kleiner...." Tjaske schnippte den Mistkäfer mit dem Finger in Gabhans Richtung und schüttelte den Arm um den restlichen Dreck aus der Ellbogenkachel zu bekommen. Natürlich entging es ihm nicht wie Gabhan um ihn herum schlich. Er hätte es Tjaske auch genauso gut ins Gesicht schreien können.

"Du bist zu viel mit den Greifen unterwegs Gabhan. Sie färben offenbar auf dich ab. Wo ist dein Silber?" Es war kaum zu verkennen das durch das unschöne Ableben der Grollborste Tjaske's Laune massiv gesunken war. 

Knurrend zog er das alte Beil aus dem verrottenden Überresten des Biests und versuchte es mit den Handschuhen etwas sauber zu wischen ehe er es zurück an den Gürtel steckte. Dann blickte er zu Gabhan und beantwortete Ihm seine Frage noch bevor er sie gestellt hatte.

"Was? Glaubst du ich bin Blind?.. Du tänzelst um mich herum wie ein Knabe der was vor seiner Mutter versucht zu verstecken." 

Tjaske schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Großartig. Schosse es Tjaske durch den Kopf. Das Vieh müsste eigentlich Tot sein und sich nicht in einen verwesten Haufen Scheisse verwandeln

Tjaske kratzte sich noch ein paar Würmer aus der Armschiene und blickte wieder zu Gabhan nachdem er sich seine Erklärung angehört hatte und schnaubte. "Was machst du eigentlich hier? Du bist doch nicht hier weil du Sehnsucht nach mir hattest"

Der Mistkäfer war an Gabhans Rüstung abgeprallt, doch die nachfolgenden Worte hatten ihn an ungerüsteter Stelle erwischt und Gabhan zuckte, wenn auch kaum merklich, zusammen. Draußen auf dem Festland mochten die Leute glauben, dass er ein unangenehmer Zeitgenosse war, doch nur weil sie nur zu gerne Tjaske vergaßen. Wäre Gabhan mutiger oder dümmer gewesen, dann hätte er gegen den anderen aufbegehrt. Aber weder war er mutig, noch dumm genug.

Gabhan betrachtete erst einmal kundig den Haufen vor Tjaskes Füßen, um sich um eine Antwort zu drücken. Verdammt - er war doch sonst nie derart kleinlaut. Aber vor Tjaske schien er wieder der grüne Junge von einst zu sein. Er hatte mal über sowas gelesen. Die Umgebung beeinflusste die Persönlichkeit oder sowas. "Sieht mir nach einer zwiefachen Verwünschung aus," meinte er leise mit Blick auf den Haufen, doch Tjaskes Blick brachte ihn zum schweigen. Er hatte ihm die Frage nicht beantwortet und einen zweiten Versuch bekam er nicht, das war eindeutig aus dem Blick heraus zu lesen.

"Wie du schon sagtest, ich verbringe zu viel Zeit mit den Greifen - glaube mir, da bekommt man sogar Sehnsucht nach nem Kerl wie dir!" erwiderte er düster und sah sich kurz um. Sie waren mitten auf einem kleinen Trampelpfad. Kein Ort für das, was folgen musste. "Ich bin wegen eben jenen Greifen hier. Es gibt Dinge zu besprechen. Die Sache ist außer Kontrolle geraten und ich fürchte die Greifen haben in einen Tornado gepisst. Wir müssen reden...." er betrachtete noch einmal den Haufen Morast vor Tjaskes Füßen. "Brauchst du dabei Hilfe?"

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