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Gegenwart - Bären

Ein kalter Windhauch blies Atheris ins Gesicht und sein ruhiger, stetiger Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft. Der Greifenhexer stand am Rande der gut vier Schritt hohen Mauer und starrte auf die große weiße Fläche, die sich auf der Ebene unterhalb der Mauer ausbreitete. Die kleinen Schneeflocken, die tanzend aus dem Himmel fielen, ließen die Szenerie friedlich erscheinen. Dieser schöne Moment des Friedens wurde abrupt durch ein lautes Knacken unterbrochen. Die weiße Fläche barst auseinander, und zwischen den sich bildenden Eisschollen begann sich etwas Riesiges zu erheben. Zunächst waren da nur zwei weiße, pelzige Ohren zu sehen - dann folgte der Rest des gigantischen Bärenkopfes. Der Blick des Bären war nach unten gerichtet, so dass er den Hexer auf der Mauer nicht sehen konnte. Während sich der Oberkörper des Tieres aus dem Eis schälte, wurde Atheris das gewohnte Gewicht seines silbernen Schwertes in der rechten Hand bewusst. Seine Faust umschloss die Klinge noch fester, als der weiße Bär sich fast vollständig erhoben hatte und sein markerschütterndes Brüllen ihm das Adrenalin im Blut kochen ließ. Das Wesen ragte gut zwanzig Schritt hoch in den Himmel und der Hexer bemerkte, wie er sich rückwärts von der Mauer weg bewegt hatte, auf der er noch einige Momente vorher gestanden hatte. Atheris blickte sich zum ersten Mal um und sah einen Bergfried hinter sich aufragen. Ein großer steinerner Adler mit gespreizten Flügeln stand über dem Eingang und blickte in seine Richtung ... "A d'yaebl aép arse! - Redanien!" fluchte der Nilfgaarder-Hexer laut. Verzweifelt schaute er zurück zu dem Bären, dessen schwarze, emotionslose Augen ihn nun fixiert hatten. Wie angewurzelt blieb Atheris in der Mitte stehen und wartete. Der Moment zog sich eine gefühlte Ewigkeit hin, bis schließlich der Bär sein Maul weit aufriss und eine Reihe von mannshohen scharfen Zähnen entblößte. In seinem Rücken erschall gleichzeitig ein lautstarkes "Gaude Mater Redania!" und in dem vermeintlich rettenden Eingang waren rote Schilde mit einem weißen Adler darauf erschienen und blockierten diesen. Es gab keinen Ausweg aus dieser Zwickmühle, dass wurde dem Hexer klar. Langsam hob Atheris seine Klinge und umfasste mit der linken Hand den Knauf. Egal was passieren würde, kampflos würde er nicht untergehen. Es war wieder der Bär, der die Ruhe durchbrach und mit nur einem Satz über die Mauer hinweg setzte. Das riesige, weit aufgerissene Maul senkte sich über dem Hexer nieder, der wiederum sein Schwert zum Hieb bereit fest umklammert hatte. "Se'ege na tuvean - Sieg oder Tot!" schrie Atheris noch, bevor ihn absolute Dunkelheit umhüllte.

Sein Puls raste ... sein Körper war in Schweiß gebadet ... die Laken seines Bettes waren zerwühlt. Ein helles kreischen von einer Frau riss den Hexer aus seinem Alptraum, und er öffnete seine schlangenartigen Augen. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, wo er sich befand und er schaute neben sich aufs Bett...es war leer. Erst als die Hand von Kathrin, der hübschen Schankmaid des Gasthofes, sich auf dem Laken zeigte, wurde ihm bewusst, dass die Gute sich ziemlich erschreckt haben musste, denn sie war aus dem Bett geflogen. Galant erhob sich Atheris und half ihr wieder auf die Beine. "Verzeih mir...meine Gute! Die Erlebnisse eines Hexers sorgen des Nachts manchmal für unangenehme Träume!" sagte er, was ihm ein versöhnliches Lächeln von Kathrin einbrachte und dazu führte, dass die beiden wieder im Bett landeten.

Einige Zeit später, die Schankmaid hatte das Zimmer längst verlassen, war Atheris dabei, seine Ausrüstung anzulegen, als ein Tumult von draußen seine Aufmerksamkeit erregte. Er schritt zum Fenster und öffnete die Läden seines Zimmers und blickte hinunter auf den Weg, der durch das Dorf führte. Dort saß ein schwer bewaffneter Mann auf einem Pferdekarren und hatte einen toten nilfgaarder Boten neben sich auf dem Bock sitzen, während hinter ihm auf der Pritsche die Überreste eines großen, zerstückelten Tausendfüsslers lagen. eine Patrouille Soldaten des Kaiserreiches hatten ihn beim Betreten des Dorfes sofort angehalten. "Gabhan?" entfuhr es Atheris, er hatte den Bärenhexer im Laufe des heutigen Tages wie geplant erwartet gehabt, aber nicht unter diesen Umständen. Er beeilte sich die Treppe hinunter in den Schankraum zu kommen und unter den überraschten Blick von Kathrin aus der Taverne zu stürmen. "E'er y glòir - Que aen suecc's?", grüßte der nilfgaarder Hexer seine Landsleute, die sich überrascht umblickten und für einen Moment verdutzt da standen, als sich ihnen ein zweiter Vatt'ghern näherte, der auch noch die goldenen Insignien des Kaiserreiches auf seiner Kleidung trug. Der Gruppenführer fasste sich zu erst wieder und grüßte Atheris höflich zurück. Bevor der Mann mit einer Erklärung ansetzten konnte, drückte der Hexer ihm ein kleines Stück Pergament in die Hand und sagte: "Visse gead'tocht gaedeen - va vort!" Es dauerte einen Moment, bis sich der Soldat durch das Schreiben gearbeitet hatte - obwohl da nicht viel Stand - und befahl dann seinen Männern, den Toten vom Wagen zu holen, um dann anschließend zu gehen.

Gabhan beobachtete das Geschehen schlecht gelaunt von seinem Sitzplatz aus und erst als die Patrouille abgezogen war, konnte er sich zu einem kurzen Lächeln hinreißen - "Atheris, schön dich zu sehen!"



 

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Gabhan - 
Gegenwart - Tavernengeschichten

Die Schwarzen, wie die Nilfgaarder landauf, landab genannt wurden hatten sich entfernt. Waren die lange Straße entlang gelaufen, um irgendwo - wussten die Götter was - zu tun. Fortgetragen von guten Stiefeln, die das kaiserliche Heer jedem Soldaten stellte und fort getrieben von einem kaiserlichen Erlass. Einem Erlass, der sich in der Hand des befreundeten Hexers befunden hatte. Gabhan wunderte sich. Er wunderte sich sogar sehr. Und er hatte allen Grund sich zu wundern, wo doch die meisten anderen seiner Zunft um jegliche Art an Neutralität bemüht waren. Doch die meisten anderen seiner Zunft trugen auch nicht die Sonne des Kaiserreiches auf der alten, benutzten Plattenrüstung. Ja die meisten seiner Zunft trugen noch nicht einmal eine solche Plattenrüstung. Zu schwer war sie für die meisten Hexergeschäfte, auch wenn sie von seiner Schuler, der Schule des Bären gerne getragen wurde. Doch nicht in der Machart, wie sie Atheris trug. Eine Machart, wie sie in den kaiserlichen Schmieden anzutreffen sein mochte. Bei ihrem letzten und bisher erstem Treffen war dieser Umstand Gabhan nicht bewusst aufgefallen, doch nun fiel es ihm auf - und es missfiel ihm, wenn auch nicht sehr. Großes Missfallen konnte er sich nicht leisten. Nicht hier und nicht in solchen Zeiten.

Also brachte er ein Lächeln auf seine Züge, das seine Augen sogar fast erreichte - wenngleich auch die alte Narbe auf seiner rechten Wange teuflisch weh tat wenn er so lächelte. Weshalb er es selten tat. Das es ihm schmerzen bereitete wenn er glücklich war, schien ein grausamer Scherz des Schicksals zu sein, an den er sich jedoch gewöhnt und den er auf seine eigene Art und Weise selbst als amüsant befunden hatte. Wenn auch nicht so sehr, dass man hätte darüber lächeln müssen - aus bekannten Gründen. "Atheris, schön dich zu sehen!" begrüßte er den nilfgaarder Hexer.

Der Hexer schwang sich vom Kutschbock hinab, kam schwer auf dem staubigen Boden auf und blinzelte gegen das Licht der Sonne an, das um den größeren Zunftbruder einen hellen Kranz bildete. Atheris musste sich vorwerfen lassen, sich mit voller Absicht ins Licht gestellt zu haben. Doch Gabhan ignorierte es geflissentlich und warf noch einmal einen letzten Blick in Richtung der Nilfgaarder, die nur noch als schwarze Schemen in der Ferne zu erkennen waren, und überlegte einen Augenblick, ob er Atheris auf die Depesche ansprechen sollte, mit der er auf so wundersame Art und Weise die Soldaten vertrieben hatte ... doch er entschied sich dagegen. Seine Kehle war zu ausgedörrt für lange Gespräche und er hatte in letzter Zeit schon zu viele hohe Meinungen aufgrund zu langer Gespräche revidieren müssen. Er konnte auf eine erneute Darbietung seines knirschenden moralischen Kompasses für den heutigen Tag durchaus verzichten. "Du stinkst nach Sex," knurrte er daher nur, umrundete den Wagen und warf selbst noch einmal einen Blick auf das, was er von dem Tausendfüßler übrig gelassen hatte und legte dann eine Decke darüber. Der Anblick konnte einem armen Tavernenbesucher den Morgen verderben und Gabhan war zu Rücksichtsvoll, um so etwas zu riskieren.

"Na komm", wandte sich der Bärenhexer an Atheris und stemmte sich gegen die schwere Tür der Taverne um diese aufzustemmen. Im Inneren roch es angenehm nach Kraut, Bier und Würsten. Eine Kombination die Gabhan schätzen konnte und die eine willkommene Abwechslung zu den Gerüchen war, die ihn sonst umgaben und von denen viel zu viele von jener Art waren, deren Aroma sich in Kleidungen festsetzte und dort blieben, bis man sie verbrannte. "Du bezahlst," befand er in Atheris Richtung, nachdem er den Blick der Schankmaid gesehen hatte, der definitiv nicht ihm galt. "Mir scheint, du bist bereits in Vorkasse gegangen..." er humpelte in eine Ecke der Schenke und achtete dabei penibel darauf, dass es nicht die hinterste war. Denn die hinterste Ecke einer Schenke war, wie jeder wusste, immer Verbrechern, Halsabschneidern oder Pfeife rauchenden Waldläufern vorbehalten und Gabhan sortierte sich in keine dieser Überkategorien ein.

Seufzend ließ sich Gabhan auf den Stuhl sinken, der mehr knarrte als er sollte und massierte sich den noch immer schmerzenden Arm. "Tut mir leid für die Verspätung. Ich... war eine Weile lang unpässlich. Habe länger gebraucht als angenommen ... Umwege ... Du kennst das..." er blickte auf und der Blick seiner raubtierhaften Augen wanderte an Atheris entlang, neben dem er sich wie das fühlte, was die Tavernenkatze am Kamin gerade hervorgewürgt hatte. "Wie ist es dir ergangen? Wir haben uns seit Solonia nicht mehr gesehen...", fragte er den Greifenhexer. Solonia - keine guten Erinnerungen. Eine Welt am Abgrund, dunkle Magie, Konspirationen und ein Warg, dem Gabhan die entstellende Narbe an der Schläfe verdankte. Und das waren noch die schönsten Erinnerungen, die er an das verfluchte Land hatte.

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Atheris musterte Gabhan, ihm war das Humpeln beim absteigen vom Wagen bereits aufgefallen und auch ansonsten schien der Bärenhexer nicht gut drauf zu sein, aber er kannte die Arbeit eines Hexers selber und auch er hatte die letzten Monate einiges erleiden müssen, nur trug er dies nicht zur schau, wie die meisten seiner Zunftbrüder. Als Gabhan das Thema auf Solonia lenkte, musste Atheris kurz schlucken ... viel war seit dem letzten Winter geschehen ... und der Bärenhexer sollte es wissen, wie es um Kaer Iwhaell, der Greifenhexerschule stand. "Kathrin, ein Kelch vom Hauswein für mich und für meinen Freund ... ein Krug Wasser!" rief Atheris durch den Raum, wobei er während seiner kurzen Pause ein wenig lächeln musste. Er hatte beim letzten Treffen bereits mitbekommen, dass der Bärenhexer fast nur Wasser zu sich nahm, damit ein zu hoher Alkoholkonsum die Wirkung der Hexer-Tränke nicht beeinträchtigte. Nach dem sie ihre Getränke bekommen hatten und Atheris einen großen Schluck aus seinem Gefäß genommen hatte, räusperte er sich, blickte Gabhan aus seinen schlangenhaften Augen an und begann zu erzählen, was in Solonia in den letzten Monaten passiert war.

"Gabhan...bei unserem letzten Treffen hatte Großmeister Valerian bereits angedeutet, dass wir Kaer Iwhaell aufgeben werden müssen. In einer Welt, die dem Untergang geweiht ist, in dem sich gottgleiche Kreaturen bekriegen und der Mond in drei Teile zerbrochen ist und diese hinabstürzen zur Erde ... in dieser Welt können wir nichts mehr ausrichten." Atheris machte eine kurze Pause, nahm einen weiteren Schluck aus seinem Kelch, während Gabhan zustimmend nickte. "Die Evakuierung lief wie geplant, bis uns die Nachricht ereilte, dass eine größere Gruppe an Fanatikern auf den Weg nach Kaer Iwhaell war, um uns zu vernichten. Seit wir Hexer in ihr Land kamen, hat dieses schreckliche Schicksal begonnen und wir seien an allem Schuld ... das wir alles versucht haben, dieses Schicksal von Solonia abzuwenden, schienen sie nicht begreifen zu wollen ... aber so sind Fanatiker nun mal, in Redanien ist es auch nicht anders! Denk nur mal daran, dass sie ihre Magier verbrennen, obwohl diese damals in Sodden den Arsch gerettet haben!" fuhr Atheris fort. Der Bärenhexer nahm derweil knurrend ein kleines silbernes Kästchen hervor, streute sich etwas von dem Inhalt auf seinen Handrücken und zog den Schnupftabak mit einem lauten Geräusch ein. "Es sind immer die Vorurteile und Progrome, die uns Vatt'ghern das Leben schwer gemacht haben!" knurrte Gabhan schlecht gelaunt, während Atheris erneut das Wort ergriff: "Während der Schlacht wurden wir Schüler von unserem Großmeister Valerian getrennt und konnten uns gegen die Übermacht der Angreifer nicht lange halten. Nachdem die Fanatiker die Mauern überwunden hatten, konnten wir uns nur noch durch ein Portal retten ... und wenn ich dir erzähle, wer das Portal mit den magischen Steinen errichten musste, weil Nella ihr Bewusstsein verloren hatte...richtig...ich, der nachweislich keine Ahnung von derlei Dingen hat!" Gabhan machte erst große Augen und konnte dann ein kurzes Lächeln nicht unterdrücken "Du lässt auch nichts aus oder? Ich möchte mir nicht mal ansatzweise ausmalen, was alles bei einer unkontrollierten Nutzung eines Portals schiefgehen kann - auch wenn ihr nicht gerade eine Wahl hattet!" sagte er kopfschüttelnd. "Und Recht hast du Gabhan! Die Flucht klappte zwar, aber der Sprung ins Irgendwo brachte und ziemlich weit weg von unserem eigentlichen Evakuierungsziel der Leuenmark ... mitten in eine verlassene Stadt in der ofirischen Wüste! Ob Valerian die Flucht überlebt hatte, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, da er sich vor den Mauern Kaer Iwhaells befand. Nach einer Wochenlangen Odysse durch die verfluchte Wüste, kamen wir in Miklagard an und weißt du, wen wir da getroffen haben?" Gabhan überlegte kurz und erinnerte sich an die beiden Wissenschaftlerinnen, die er in Solonia getroffen hatte...aber wie hießen die beiden nochmal? "Die beiden Schwestern, diese... Sala und Eva?" war seine Antwort. "Richtig!" antwortete Atheris "Die Cousinen SALEHA und EIWA! Nicht nur, dass sie uns in ihrem Stadtpalais aufgenommen und versogt haben, wir konnten sogar an der Verbesserung der Kräuterprobe arbeiten und ich habe einiges über den Forschungsstand erfahren ... aber dazu später mehr! Nachdem die Forschungseinrichtung auch noch überfallen worden war und dabei einige Experimente entlaufen sind ... und nein diesmal waren wir Hexer sicher nicht Schuld! Haben wir nach einigen Wochen eine Überfahrt nach Nilfgaard und von dort in die Leuenmark klar machen können. Bei unserem Reiseziel, einer Fischräucheranlage, haben wir dann zu unserer Freude auch Großmeister Valerian antreffen können, der bereits ungeduldig auf uns gewartet hat. Vor zwei Wochen habe ich mich schließlich auf den Weg zu unserem Treffpunkt begeben ... wie ist es dir ergangen? Ich habe bemerkt, dass du humpelst? War das der Tausendfüßler?" beendete Atheris seinen Bericht.

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Es war wahrlich viel geschehen seitdem sich die beiden Zunftbrüder getrennt hatten. Sehr viel sogar. Deutlich mehr als Gabhan überblicken und noch mehr als er bereit war preiszugeben. Doch der andere hatte seine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, zu der es viele Fragen gab, die jedoch zu einem anderen Zeitpunkt gestellt werden sollten. An einem Ort mit weniger Betrunken und weniger Ohren. Doch Atheris hatte seine Geschichte geteilt und uralte Gepflogenheiten verlangten, dass er nun auch seine eigene Geschichte teilte. Zumindest in Ansätzen. Denn Erklärungen waren nötig, hatte sich doch viel verändert. Und weitere Veränderungen dräuten am Horizont. Es waren wahrlich verfluchte Zeiten.

Gabhan rückte seinen Gurt auf der schmerzenden Schulter zurecht und nickte dann langsam. "Genau. Den Arm habe ich der Myriopoda Maxima zu verdanken," erwiderte er leise und blickte auf, als die Schankmaid mit einem Wasser für Gabhan und einem Lächeln inklusive einem Glas Wein für Atheris wiederkam. Der Bärenhexer nahm es hin und der Maid den Krug ab, trank gierig einige große Schlucke, bei denen ihm ein Teil des Wassers in den Bart sickerte und zu Boden tropfte, doch es scherte ihn wenig. "Eigentlich war ich nur auf dem Weg hierher, ehe das Drecksvieh mir den Tag verdorben hat. Andererseits, wenn man sich ansieht was es mit dem armen Boten angerichtet hat, dann bin ich ja noch vergleichsweise gut weggekommen..." er schnaubte und stellte den Krug auf dem Tisch ab. "Ansonsten habe ich einen kleinen Umweg über Bogenwald gemacht. Hatte da ein paar Probleme mit Sklavenhändlern," er blieb einen Moment stumm, spürte Atheris blick auf sich und machte dann eine wegwerfende Handbewegung. "Nicht der Rede wert. Und reden werde ich auch nicht darüber..."

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Gabhan
Einige Tage zuvor - Sklaven
Gabhan reist aufgrund eines Umwegs nach Bogenwald und gerät mit einigen Sklavenhändlern aneinander.
Gabhan
Gegenwart - Weitere Tavernengeschichten
Gabhan und Atheris planen wie es weiter gehen soll
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Gegenwart - Weitere Tavernengeschichten

Gabhan nahm noch einen Schluck aus dem Krug. "Und wie waren deine letzten Tage? Angenehme will ich meinen" er warf einen Blick zu der Schankmaid.

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Atheris folgte dem Blick des Bärenhexers zu Kathrin und nickte zustimmend. Seine letzten Tage waren durch aus angenehm gewesen. Die Überfahrt von der Leuenmark nach Cintra war mit günstigen Winden viel kürzer ausgefallen wie ursprünglich veranschlagt. Es blieb ihm sogar genügend Zeit, um die Stadt Cintra zu besuchen und einige seiner ehemaligen Kameraden aus der Armee aufzusuchen und gemeinsam, wie in alten Zeiten, die Tavernen der Stadt unsicher zu machen. Das letzte Mal, wo er in Cintra war, kam er als einer der Eroberer und nun, viele Jahre nach der Eroberung, musste er sagen, dass unter der Herrschaft Nilfgaards die Provinz förmlich aufblühte, aber das interessierte die Nordländer nicht, sie verschlossen in der Regel ihre Augen vor dem Fortschritt, der Wirtschaftsmöglichkeiten und der Kultur des Kaiserreichs. Sie trauerten lieber ihren alten Königen nach, die bei weitem keine moralisch guten Männer gewesen waren....Atheris merkte, wie er mit den Gedanken woanders war und konzentrierte sich wieder auf sein Gegenüber. "Gloir aen Ard Feainn! Ich hatte so gute Winde, dass ich drei Tage früher hier am Treffpunkt ankam und ja, ich habe die Zeit für Studien und ... zur Erholung gut genutzt!" schmunzelte Atheris, bevor er fortfuhr. "Jetzt wo wir beide hier sind, Gabhan - was sind unsere weiteren Pläne für den Herbst?"

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"Studien und Erholung. Soso. Deine Erholungen bringen uns hoffentlich nicht in baldige Schwierigkeiten, auf solche könnte ich nämlich verzichten. Nicht verzichten kann ich hingegen auf deine Hilfe!" er beugte sich über den Tisch, zog eine Kerze heran, deren Duft ihre Herkunft verriet und die etwa eine Meile entfernt lag - auf einem kleinen Bienenhof, der bereits in fünfzehnter Generation geführt von der Familie Rainfarner geführt wurde. All das konnte Gabhan jedoch nicht am Geruch erkennen, sondern an dem Stempel, der in das Bienenwachs gedrückt worden war. Details. Sie machten ihn wahnsinnig. Alles nahm man wahr, wenn man darauf getrimmt worden war.

Er leerte seine Gürteltasche aus, förderte einige Würfel, eine silberne Eichel und zwei Blätter Pergament zu Tage, von denen eines deutlich abgegriffen wirkte. Schnell schob er Eichel und das abgegriffene Pergament zurück, räumte die Würfel wieder ein und strich das übrig gebliebene Papier glatt, welches eine Art Karte zu zeigen schien, wenngleich auch vergilbt, mit Flecken bedeckt und mit Runen beschmiert. Irgendwer schien das Papier sogar mal als Einkaufszettel benutzt zu haben, man hatte Teile der Tinte abgekratzt um neues Papier zu gewinnen und insgesamt war das Papier in keinem guten Zustand. Doch die geübten Augen, denen eben Details mehr als alles andere auffielen, erkannten die Karte darunter. Die elfischen Runen. "Das hier," erklärte er schließlich leise und deutete mit den dreckigen Fingern auf das Papier. "Ich suche Runen. Und ich habe Grund zur Annahme, dass der Ort, der auf dieser Karte verzeichnet ist, irgendwo hier in der Nähe ist. Alte elfische Ruinen will ich meinen. Schließlich hat man ganz Cintra auf elfischen Ruinen aufgebaut. Genauso, wie Nilfgaard große Teile dieses Landes auf den Ruinen des alten Cintras aufgebaut hat. So ist der Lauf der Dinge. Und wie es beim Laufen nunmal ist, fallen Dinge zu Boden. Werden festgetreten. Ich hoffe, dass auch diese Runen festgetreten wurden. Ich habe ein paar neue Schwerter und ich brauche Runen um sie zu verbessern" er sah auf. "Und du? Was versprichst du dir hiervon?"

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Atheris hatte die Ausführungen des Bärenhexers interessiert verfolgt. "Meister Valerian hat mich zu dir gesendet, um etwas zu lernen. An eine Schatzsuche habe ich zwar dabei nicht gedacht ... aber es hört sich spannend an! Gib mir mal bitte die Karte, Gabhan!" antwortete der Nilfgaarder auf die ihm gestellte Frage. Gabhan reichte ihm die Karte und er begann sie genauer zu studieren. Er fand es faszinierend, dass der Bärenhexer auf diesem alten Pergament etwas entdeckt hatte, dass von so großem Wert war. Er selber hätte vermutlich diesem Stück Pergament keinen zweiten Blick gewidmet, aber er hatte in seinem Leben auch wenig mit Schatzsuchen oder dergleichen verbracht. Das Schlachtfeld war die meiste Zeit seines Lebens der Mittelpunkt gewesen, um das sich sein Handeln gedreht hatte. Er überlegte kurz, ob er Gabhan von der alten Elfenruine in den grünen Wäldern Temeriens erzählen sollte, in der er vor etwa fünf Jahren unglücklich durch ein Portal gestürzt war und wie die anschließenden Ereignisse sein Leben grundlegend verändert hatten ... aber ein Blick auf den übelgelaunten Zunftbruder ließ ihn diesen Gedanken verwerfen, es war nicht die Zeit für Geschichten. "Wie um alles in der Welt, bist du an das gute Stück gelangt und wie wollen wir weiter vorgehen ?" durchbrach Atheris das Schweigen.

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"Ich habe gute Verbindungen," erwiderte Gabhan schlicht und knapp. Er hatte die Karte von Grazyna von Strept erhalten, doch das wollte er nicht sagen. Er wollte nur so wenig wie möglich mit der Zauberin in Verbindung gebracht werden, hatte er doch mitbekommen was eine Verbindung mit der Frau Zauberin bedeutete. Sie diente den Grolls und der Name Groll war genauso klang, wie unheilvoll. Zumindest wenn er den Reaktionen in Bogenwald glauben durfte. Die Familie war Umtriebig und Umtriebigkeit konnte Gabhan nicht gebrauchen. "Und was wir nun machen? Erst einmal etwas trinken. Dann brauche ich vor allem Dingen eins: Eine verdammte Mütze Schlaf. Ich habe seit fast eineinhalb Tagen nicht geschlafen und ich werde unleidlich wenn ich nicht gut geschlafen habe. Wir beide wollen nicht, dass ich unleidlich werde" er grinste schief. Seine Narbe schmerzte nicht nur, sondern verzog sein Grinsen auch stets zu einer Grimasse. Keiner freundlichen.

"Morgen früh brechen wir dann auf, Richtung Süden. Die Richtung gefällt dir sicherlich. Und gefallen wir dir auch das, was du in der Höhle wirst lernen können. Denn was uns erwartet wird verteufelt schwer. Diese Ruine soll einst der Palast der Elfenstreiterin Maeven gewesen sein. Eine große Kriegerin. Große Kriegerinnen wollen große Paläste. Große Paläste bedeuten große Räume. Große Räume werden mit den Jahrhunderten unter der Erde große Stollen. Ich rechne mit Nekkern, mit viel Pech hat auch ein Ekkima dort sein Nest. Verteufelt, wie gesagt. Du solltest den Abend nutzen um einige Tränke herzustellen. Und vielleicht nochmal Spaß zu haben. wer weiß wann du wieder dazu kommst!" sagte Gabhan.

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Die beiden Hexer genossen noch ein reichhaltiges Frühstück, bevor sich Gabhan auf sein Zimmer zurück zog. Atheris stand auf und wanderte zum Tresen, an dem Kathrin ihn bereits mit einem freudigen Strahlen im Gesicht erwartete. Der Nilfgaarder lächelte charmant und beglich ihre Schulden. Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Atheris von der Schankmaid, verließ das Gasthaus und schlenderte über den Innenhof zu den Stallungen. Ker'zaer, sein treues Streitross begrüßte ihn mit einem Wieren. Er hatte das edle Tier vor zehn Jahren von Senator Luzeran Gaius Groll als Geschenk erhalten, mit dem er nach dem katastrophalen Ausgang der Schlacht von Brenna, durch die Sümpfe zur Yaruga geflohen war. Nun holte er den Sattle und das Zaumzeug und machte den schwarzen Hengst bereit für den Ausritt. Das Wetter war schön und der Hexer liebte es alleine durch die Wälder zu reiten. Beim verlassen des Stalles warf er dem Stallknecht noch einige Münzen zu und preschte dann durch das geöffnete Hoftor hinaus auf die Straße.

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Atheris
Gegenwart - Allein im Wald
Atheris will die Gegend auskundschaften und macht eine folgenschwere Entdeckung
Gabhan
Gegenwart - Nachtigall
Gabhan erwacht, von Atheris allein gelassen, in der Taverne. Doch etwas stimmt nicht.
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Gegenwart - Nachtigall

Die Nachtigall trällerte. Gabhan erwachte.

Die wenigen Stunden Schlaf die er bekommen hatte waren mehr als nötig gewesen. Die Tage auf der Straße, die Geschehnisse in Bogenwald und der Kampf gegen den Riesentausendfüßler waren nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Er stöhnte leise, während er sich in dem viel zu weichen Bett umwandte. Sein Hals schmerzte leicht, war noch immer ausgedörrt und seine Mundwinkel waren leicht eingerissen, da er seit Tagen zu wenig getrunken hatte. Mit einem Ächzen erhob sich Gabhan in eine sitzende Position und rieb sich den Schlaf aus den Augen, der sich dort festgesetzt und es für Gabhans Geschmack zu gemütlich gemacht hatte. Er rieb sich noch einmal über die Augen, spürte das schwere Gewicht des Bärenkopfamuletts auf seiner bloßen Brust und beschloss, dass es Zeit war aufzustehen. Mit wankenden Schritten, die jeden Skelliger Seekapitän stolz gemacht hätten nährte er sich dem kleinen Schrank mit eingelassenem Spiegel und Waschschüssel. Er beugte sich über die Messingschüssel und betrachtete sein Gesicht in der polierten Messingscheibe. Er benötigte langsam wieder eine Rasur, sein Schnurr- und Kinnbart waren unordentlich, seine Seiten zu deutlich sichtbar. Aber das war ein Problem, dem er sich nach diesem Abenteuer stellen konnte.

Gabhan spritzte sich Wasser ins Gesicht. Es war kalt, belebend und weckte Erinnerungen an Skellige. Die dumpfen Schritte des Bärenhexers führten ihn zu seinem Seesack, den er in eine Ecke des Raumes gepfeffert hatte. Auf Momente des Suchens folgten Sekunden des Findens und Gabhan zog eine alte, mehrfach geflickte blaue Tunika, sowie gemütliche und weit geschnittene Hosen hervor und zog sich wieder an, rückte danach das Bärenamulett zurecht, welches seine Umgebung mindestens so grimmig betrachtete wie sein Herr und verließ das Zimmer.

Es war später Abend. Der Tag hatte sich selbst überlebt. Die Luft war drückend, die letzten Ausläufer des Sommers beschwerten eine seltsam stehende Hitze, die sich in dem Gastraum festgesetzt hatte wie eine unangenehme Schwiegermutter zu Kaffee und Kuchen. Es waren nur wenige Leute hier im Gasthaus und Gabhan trat zum Tresen, wo der Wirt damit beschäftigt war Krüge aus Messing und Zink zu säubern. "Habt ihr meinen Begleiter gesehen?" fragte Gabhan dunkel, denn in seinem Zimmer war er nicht gewesen und aus dem Teil des Hauses, in dem der Bärenhexer das Zimmer der Schankmaid vermutete waren keine verdächtigen Laute auszumachen gewesen. Der Wirt blickte auf, warf erst Gabhan, danach seinem Amulett einen düsteren Blick zu. "Er hat das Gasthaus heute recht früh verlassen," erwiderte der Wirt dann schließlich doch und Gabhan nickte. Er hatte sich vermutlich ein wenig in der Gegend umgesehen. "Seis drum," knurrte Gabhan. Sie würden morgen aufbrechen.

Der Mutant löste sich vom Tresen und verließ das Gasthaus, um sich selbst noch ein wenig die Beine zu vertreten. Die Nachtigall sang.

Auch die umliegenden Gehöfte rund um das Gasthaus zeigten keinerlei Besonderheiten. Allgemein wirkte das ganze Dorf so, als habe jemand in einem alten Lexikon das Wort Dorf nachgeschlagen und den dort zu sehenden Kupferstich mit viel Liebe zum Detail nachgebaut. Der Hexer ließ sich auf einer nahen Bank nieder und betrachtete einige Bauern dabei wie sie Heu mit bronzenen Sensen ernteten. Die Nachtigall sang.

Gabhan hatte sich von der Bank verabschiedet, hatte sich auch von dem Gefühl der Sicherheit verabschiedet, welches er zuvor noch an diesem Ort empfunden hatte. Er durchstreifte das Dorf weiter, spürte die Blicke der Bewohner auf ihm, so wie man allerorten auf ihn blickte. Gabhan schritt vorbei an kleinen, weiß getünchten Häuslein mit Türgriffen aus Messing, Bronzenen Nägeln und Beschlägen aus Zink. Die Nachtigall sang.

Gabhans Blick fiel durch die große Scheune und die dort aufgereihten Werkzeuge zur Feldarbeit. Sensen, Flegel, Harken, Beile, Äxte, Wagenräder. Auch große Bierfässer. Wohin sein Blick auch fiel, alle Werkzeuge waren aus Holz oder, verbunden mit metallenen Teilen aus Messing oder Zink. Eisen, wie es üblich und billig war, fand er nicht. Die Nachtigall sang. Gabhan schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Verflucht. In was war er da reingeraten? Die Nachtigall sang. Das Licht des Mondes fiel durch die engen Bretter des Daches. Gabhan hörte die sich nährenden Schritte, wandte sich jedoch nicht um. "Wir wollen nichts böses," sprach er leise in die Dunkelheit. Sein Gegenüber antwortete nicht. Er atmete nur. Die Nachtigall sang. "Wieso sollten wir dir das Glauben, Vatt'ghern?" - "Würden wir etwas Böses im Schilde führen hätten wir euch doch längst angegriffen," lautete Gabhans bedachte Antwort, während er seine Arme langsam aus der Verschränkung sinken ließ. "Die Taten deines Freundes lassen anderes vermuten. Wir haben euch durchschaut. Ihr hättet niemals hierher kommen sollen!" Gabhan antwortete nicht. Eine Antwort war auch nicht nötig. Die Stimme des anderen war lauter geworden, sein Gegenüber näher gekommen und was auch immer Atheris getan hatte, es hatte Geister geweckt, die besser in Ruhe gelassen worden wären. Gabhan spürte im Boden unter seinen Füßen die Vibration, den Absprung des anderen. Schnell wie ein Gedanke zog Gabhan den Hodendolch aus der Scheide an seinem rechten Bein und wirbelte herum. Ein Sprung zurück. Pirouette und zurück in die Ausgangsposition. Der Dolch aus Stahl wirkte wie eine Verlängerung seines Arms und die benötigte er dringend, denn der Arm des Anderen war deutlich länger. Klauen zischten auf ihn zu, Gabhan duckte sich. Beinarbeit, Beinarbeit. Atmung. Immer atmen. Niemals vergessen. Ausweichmanöver. Den anderen näher heran kommen lassen. Näher. Näher. Der Feind hatte einen Längenvorteil. Gabhan keine Möglichkeit ihn auszugleichen. Jeder Schritt brachte ihn nur näher an die Wand. Nicht in die Ecke drängen lassen. Ausfallschritt. Pirouette. Nur eine Möglichkeit. Distanz überwinden. Atmen. Einatmen. Die Luft anhalten. Sich wappnen.

Der Schmerz war schlimmer als Gabhan es erwartet hatte, er stach nicht. Er riss. Riss an ihm. An seinem Brustkorb. Gabhan spürte, wie Klauen über Knochen schabten. Keine Panik. Keine Angst. Gewissheit. Nur ein Kratzer. Kaum der Rede wert. Er würde leben. Er. Nicht sein Gegenüber. Der Dolch steckte tief in der Kehle. Ein billiger Dolch. Ein hoher Eisenanteil im Stahl. Er ließ den Dolch stecken. Er musste zu Atheris. Gabhan blutete. Das Monster starb. Die Nachtigall verstummte.

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Gegenwart - Antherion

Sanfte Finger krochen über Atheris Rücken, krallten sich verlangend in seinen Rücken. Wollten eine zweite Runde. Verlangen. Animalisches Verlangen. Lange Finger krallten. Lange Krallen. Animalisches Verlangen. Welches verlangen sich hier stillen sollte erfuhr Atheris niemals. Zumindest nicht mehr aus dem Mund der Schankmaid. Die Tür zu seinem Raum krachte derart gewaltig, als schwere Stiefel mit einem Tritt gegen das Schloss diese aus den Angeln brachen.

Der Mond beschien die Gestalt Gabhans, gekleidet in etwas was nur entfernt seinem langen Gambeson ähnelte. In den Händen hielt er einen langen Zweihänder. Eine andere Waffe als jene, die er normalerweise trug. Gabhan hatte in Solonia mit Einhändern gekämpft. Und mit Einhändern kämpfte er noch immer gerne. Doch die jetzige Waffe in seiner Hand war länger. Eine einfache Klinge. Nicht sehr elegant. Aber tödlich. Ein schneller Hieb, geführt durch die hand am unteren Knauf, gelenkt durch eine Leichte Drehung nahe der Parierstange. Stahl zischte durch die Luft, ehe die Flache Seite der Klinge mit solch einer Gewalt gegen die Schankmaid traf, dass diese von Atheris gerissen wurde und schreiend auf dem Boden aufschlug. Oder das, was einst die Schankmaid gewesen war. Denn hier, im Schein des Halbmondes kauerte eine haarige Gestalt mit ausgeprägten animalischen Zügen. Auch sonst schien alles, was das Mädchen einst ausgezeichnet hatte ausgeprägter und animalischer zu sein. Gabhan warf Atheris keinen Blick zu, ließ das Mädchen nicht aus den Augen, während er das Schwert hob, die Spitze auf das Mädchen gerichtet. Es hieß Hexer hätten zwei Schwerter. Silber für Monster. Stahl für Menschen. Es war ein Ammenmärchen. Beide waren für Monster, gab es doch auch jene, die Stahl und Eisen mehr fürchteten als Silber. Solche, die Messing und Zink benutzten, wenn sie unter Menschen leben wollten.

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(Quelle: https://www.artstation.com/artwork/d5blW)

"A d'yaebl aép arse!" schrie Atheris, rollte sich vom Bett und hatte innerhalb eines Wimpernschlages ebenfalls seine Silberklinge gezogen. "Kathrin? ... Gabhan ... was ist los?" fragte er sichtlich irritiert. Der Bärenhexer, der das Wesen, dass sich Kathrin nannte nicht aus den Augen lies antwortete in einem dunklen, leisen Tonfall: "Antherion, Atheris. Das ganze Dorf..." Atheris bekam große Augen und sein Blick fiel wieder auf Kathrin, die sich in der Ecke zusammengekauerte hatte und sie aus großen gelben Augen anblickte ... diese treuen Augen, wie sie nur ein Hund hatte. "Antherion ... Formwandler! Das Gegenstück zum Werwolf, wenn ich mich an Valerian's Unterricht richtig erinnere! Woher wusstest du ..." Atheris hielt im Satz inne, als er die Blutpfütze bemerkte, in der Gabhan stand und erst jetzt sag er, dass die alte, blaue Tunika, die der Bärenhexer trug an der Brust zerfetzt war und sich drei böse klaffende Wunden zeigten. Er war also auf unliebsame Weise auf das Geheimnis des Dorfes gekommen. Atheris setzte über sein Bett, blickte raus auf den Flur und sah einen erschlagenen Formwandler am Boden liegenden. Er schloss das was von der Tür übrig geblieben war hinter sich, rannte zu seiner Ausrüstung und öffnete eine kleine Holzkiste. Er suchte den Trank mit der Aufschrift 'Schwalbe' und warf sie Gabhan zu. Ohne zu zögern, zog dieser mit den Zähnen den Korken aus der Flasche und leerte den Inhalt in einem Zug. Sogleich fingen seine Adern an zu pulsieren und die Farbe wich aus seinem Gesicht, was den sonst schon so hellhäutigen Skelliger fast gespensterhaft aussehen lies. Nachdem Gabhan für den Moment versorgt schien, näherte er sich langsam dem Antherion, den er als Kathrin kannte. "Geht es dir soweit gut?" fragte er mit ruhiger Stimme und kniete sich vor sie auf den Boden. Atheris konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihm etwas böses wollte, sie hatte in den letzten Tagen und Nächten genug Möglichkeiten gehabt, ihn zu töten. Das Wesen musterte Gabhan ängstlich und sie brachte nur ein Winseln hervor, dass durch einen kläglichen Laut unterbrochen wurde, als Atheris ihren Arm berührte ... er war gebrochen. "Was nun?" fragte Atheris und schaute zum Bärenhexer auf. "Wir müssen hier verschwinden, solange wir noch die Möglichkeit dazu haben..." knurrte dieser als Antwort. Recht hatte er, es war keine gute Idee es mit einem ganzen Dorf dieser Wesen aufzunehmen. Was den Greifenhexer allerdings stutzig machte war die Tatsache, dass bisher kein weiteres dieser Wesen bei ihren Zimmern aufgetaucht war! In aller Eile zog sich Atheris das notdürftigste an und holte anschließend aus seinem Holzkästchen eine Flasche mit einer grünlich-kristallinen Flüssigkeit. "Eisensulfat!" stellte Gabhan fest, nachdem er daran gerochen hatte. "Richtig! Das Klingen-Öl hat Valerian vor einiger Zeit in der Leuenmark hergestellt um eine Bande von Blutkappen zu jagen." bestätigte Atheris die Annahme. Beide behandelten ihre Schwerter mit dem Öl, und packten dann ihr Hab und Gut zusammen - zum Glück reisten Hexer in der Regel mit leichten Gepäck.

Als sie an der Leiche des zweiten erstochenen Antherions vorbei kamen, gab Kathrin, die sie mit genommen hatten, eine Art leises Winsel von sich. Wortlos schritten sie die Treppe hinunter und durchquerten den immer noch leeren Schankraum. So leise wie möglich überquerten sie den Innenhof zum Stall. Der schwarze Hengst begrüßte sie mit einem nervösen Schnauben, auch das Tier merkte offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. "Er kann uns für eine Weile beide tragen, Gabhan!" flüsterte Atheris, als er das gesattelte Pferd beim Zügel nahm und hinaus führte. An der Tür wendete sich der Nilfgaarder zu Kathrin um und flüsterte:" Was auch immer du von uns glauben magst, es war nie unsere Absicht jemanden zu schaden! Unsere Wege trennen sich nun hier, lebe Wohl!"

Elegant schwang sich Atheris in den Sattel und reichte Gabhan die Hand um ihn ebenfalls aufs Pferd zu ziehen. Mit einem tiefen brummen nahm dieser die ihm ausgestreckte Hand entgegen und lies sich helfen. Die raubtierhaften Augen des Zunftbruders konnte er deutlich erkennen, dass dieser nur widerwillig Hilfe annahm. Leis schritt der Hengst mit den beiden Hexern auf dem Rücken durch das Hoftor, wobei das Schild mit dem Hund darauf leise im Wind quietschte. Kaum hatten sie das Tor passiert, schlugen ihre Amulette an und wie aus dem Nichts heraus waren sie von den Dörflern umzingelt. "A d'yaebl aép arse!" fluchte Atheris und Gabhan hinter ihm knurrte"Die Bastarde haben sich hinter einer Illusion versteckt ... diese ... Hunde!" Es war nicht das erste Mal, dass Atheris zu Ross auf eine Scharr blickte, die sich mit Sensen, Heugabeln und einfachen Spießen auflehnten. Bei Brenna war es vor allem der Mut dieser einfachen Menschen gewesen, die bereit waren für ihr Land ohne jeden Schutz zu kämpfen ... auch wenn sie dies aus falschen Motiven taten. Hier und jetzt war es ähnlich, die Dorfbewohner in ihrer natürlichen Wolfsgestalt hatten sich bewaffnet und stellten sich den Hexern entgegen. "Seltsam ... sie bräuchten doch eigentlich keine Waffen!" stellte Atheris trocken fest. "Sie sind keine Krieger! Es sind Bauern und Handwerker. Man kann ihre Angst riechen" antwortete Gabhan, der inzwischen in der einen Hand sein Schwert hielt und in der anderen einen Trank mit der Aufschrift 'Donner'. Die Zeit schien still zu stehen ... Atheris war sich ziemlich sicher, dass sie einen Durchbruch und damit die Flucht schaffen konnten, lediglich die magischen Fähigkeiten konnte er nicht einschätzen. Es war die Stimme von Kathrin, welche die Stille durchbrach. In einer den beiden unbekannten Sprache redete sie auf die versammelte Dorfgemeinschaft ein, was ein paar besonders aggressiven Artgenossen mit einem lauten Knurren quittierten. Immer wieder flogen die Worte hin und her. Ein besonders alter Antherion trat schließlich hervor, was die anderen verstummen lies.

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Gabhan hielt sich nur mit Mühe auf dem Rücken des Pferdes. Er war kein geübter Reiter, die Anwesenheit der Ungeheuer machte ihn unruhig und das beständige Zucken seines Amuletts sorgte nicht dafür, dass sich seine Anspannung beruhigte. Viel mehr verstärkte es sie noch, da er befürchten musste, dass er sich in allzu naher Zeit ein für alle mal beruhigen würde.

Noch dazu war die Schwalbe, die Atheris ihm gegeben hatte nicht sonderlich gut bekommen. Der Schmerz, statt beinahe augenblicklich aufzuhören ebbte nur langsam ab, das Gebräu brannte im Rachen und er spürte, wie sein Organismus Probleme damit hatte den Trank nützlich zu verarbeiten. Er erinnerte sich an Grazynas Kommentar zu diesem Thema. Das die Tränke der verschiedenen Schulen auf die vorherrschende Mutation angepasst worden und alles, aber nicht identisch waren und er verfluchte sich selbst. Wenn er hier ins Gras beißen würde - und ins Gras beißen musst er, das war so gut wie sicher, dann sollten seine letzten Gedanken nicht der Zauberin gelten.

Ihm gefiel nicht in welche Richtung das hier ging. Gefiel nicht die Mordlust in den Bestienaugen. Gefiel nicht wie sich ihre Lefzen verzogen - und ganz und gar nicht gefiel ihm, dass sie ihnen ausgeliefert waren und das verdammte Tier unter ihm verwehrte ihm jedwedes Körpergefühl, während er kalte Schweiß auf seiner Stirn stand. Seine Tunika konnte das Blut schon lange nicht mehr aufsaugen und er tropfte das Pferd voll, dessen Ausbildung als Schlachtross alleine wohl verhinderte, dass es durchging. Gabhan fluchte.

"Hört mir gut zu..." begann er leise und seine raubtierhaften Augen glitten über die anwesenden Monster, während er vom Rücken des Pferdes rutschte. Er stieß seinen Anderhalbhänder vor sich in den Boden. "Wir wollten euch nichts. Euer kleines Leben interessiert mich einen Scheiß. Wir wollten hier nur durchziehen. Mehr nicht. Und ich habe keine Ahnung was der große Idiot da entdeckt hat. Und es interessiert mich auch nicht. Ihr habt mich angegriffen. Fein. Euer gutes Recht. Ich habe einen von euch getötet. Und noch einen auf dem Weg zu ihm!" er deutete mit dem Daumen zu Atheris, verkrampfte die Hand. "Denn ihr lasst eure Finger besser von dem Kerl da. Hey! Schau mich an. Ich bin es, den ihr wollt. Ich bin der Mann mit dem Schwert. Der Mann, der bereits das Blut von zwei von euren Leuten vergossen hat, die geglaubt haben die Helden spielen zu müssen. Ihr wisst ganz genau was ich bin. Und ihr wisst ganz genau was er ist. Ihr kennt uns. Kennt das Medaillon. Wisst, wer euch in die Wildnis getrieben hat, vor all den Jahrhunderten. Ich seh' es in euren Augen. Ihr wisst wozu wir fähig sind. Wir wollen es nicht. Wollen euch nichts antun. Nicht mehr. Nicht heute. Heute ist genug Blut vergossen worden. Aber wenn ihr glaubt - wenn ihr wirklich glaubt, dass Rache nun angemessen ist und wenn eure Eltern euch auch nur eine einzige Geschichte über uns Hexer erzählt haben. Dann tut das einzig vernünftige - und lasst es einen anderen zuerst versuchen."

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Atheris sah mit an, wie Gabhan vom Pferd stieg und mit knurriger Stimme die Wesen einzuschüchtern versuchte ... und bei vielen von ihnen sah er tatsächlich die Angst vor den Hexern in den Augen. Einzig die kleinere Gruppe, die immer wieder aggressiv dazwischen Fauchte, bildete eine Ausnahme. Er zählte etwa sieben von ihnen vielleicht auch acht, das war immer noch gefährlich ... aber besser wie das ganze Dorf. Drei dumpfe Schläge ließen die Antherion verstummen und Atheris lenkte seine Aufmerksamkeit ebenfalls zu der Quelle des Geräusches. Der Alte hatte mit seinem stützenden Stab gegen ein Fass getrommelt, um endlich für Ruhe zu sorgen. Das Wesen wartete einen Moment und musterte die beiden Hexer. "Vatt'ghern ... wir kennen die Geschichten über euch und was ihr seit Jahrhunderten unseres gleichen antut!" er machte eine kurze Pause und musterte seine Artgenossen, bevor er fortfuhr. "Wir haben uns hier in eine abgelegene Region zurückgezogen und leben friedlich zusammen, Reisenden bieten wir in unserer Taverne eine sichere Unterkunft für die Nacht an und mit den Nachbargemeinden treiben wir Handel! ... " wieder machte der Alte eine Pause und Atheris registrierte, wie die meisten Dorfbewohner zustimmend nickten. "Selbst dich ... Atheris ... haben wir tagelang in unseren Reihen als Gast aufgenommen und behandelt, obwohl viele große Bedenken bezüglich eurer Anwesenheit in unserem Dorf hatten. Warst du auf der Jagd nach uns? Hast du uns studiert? Wir wissen es nicht, aber es war friedlich und die Frucht legte sich ein wenig ...!" wieder machte der Dorfälteste eine Pause. Atheris lies seinen Blick schweifen, der Alte hatte mit seinem Gerede und seiner ruhigen Stimme dafür gesorgt, dass der Großteil der Bewohner ihre Mistgabeln und Sensen gesenkt hatten ... jetzt wäre der optimal Moment für eine Flucht gewesen, aber Gabhan hatte das Pferd verlassen und war bereit sein Leben für den Nilfgaarder zu lassen und zudem glaubte er, dass sie hier durchaus eine Möglichkeit hatten, friedlich aus der Sacher heraus zu kommen ... also hieß es abwarten und bereit bleiben. "Warum hast du unsere Leute angegriffen Atheris ... was wollt ihr von uns?" stellte der Alte die wohl entscheidende Frage, wie es weiter gehen würde.

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Gegenwart - Zeit der Wahrheiten

Atheris spürte wie die Blicke des gesamten Dorfes auf ihm ruhten, lediglich Gabhan lies sich nicht beirren und stand breitbeinig vor seinem Schwert und beobachtete die Wesen mit seinen raubtierhaften Augen. Der Nilfgaarder bemerkte, wie sich langsam eine kleine Pfütze unter dem Zunftbruder bildete ... Valerian hatte ihm erzählt, dass die Mutationen der Schulen unterschiedlich ausfielen und somit die spezifischen Tränke trotz der Ähnlichkeit zum Teil einen anderen Wirkungsgrad erzielten. Er hatte es am eigenen Leib im Unterricht erfahren, da er seine Mutation bei der damals im Kaiserreich ansässigen Vipernschule die Kräuterprobe durchgemacht hatte. Atheris wendete seinen Blick ab von Gabhan und ließ ihn über die Reihen der Wesen schweifen. In solchen Fällen half erfahrungsgemäß nur die Wahrheit ... und er hatte ja auch in der Tat nichts zu verbergen. "Gabhan und ich haben uns vor fast einem Jahr, als wir uns das letzte Mal getroffen hatten, verabredet. Den Treffpunkt haben wir damals mehr oder weniger per Zufall gewählt. Aufträge für unsere Zunft gibt es eher in weniger dicht besiedelten Regionen ... wie eurer." Jetzt war es an Atheris eine kurze Pause zu machen und die Reaktion der Wesen zu beobachten, bevor er fortfuhr: "Gestern Vormittag haben wir uns dann schließlich getroffen und mein Zunftbruder hier zeigte mir eine alte, verwitterte Karte, die den Weg zu einer alten elfischen Ruine hier in der Gegend beschreibt ... wir sind auf einer Schatzsuche ... wir suchen nach alten Runen für unsere Silberklingen!" Atheris zeigte langsam mit seinen Finger auf sein Schwert und die goldenen Runden, die dort eingearbeitet waren, bevor er mit ruhiger Stimme weitererzählte: "Was heute passiert ist, war zu keinem Zeitpunkt eine Absicht von uns. Ich bin heute Morgen zu einem Ausritt aufgebrochen und habe dabei an einer alten Brücke südlich von hier eine Pause eingelegt ... beim Rückweg schlug mein Medaillon an ... es erkennt gewirkte Magie ... ihr kennt vermutlich die Geschichten ... ich folgte der Fährte zu einer kleinen Lichtung und dort brach ich in ein Gewölbe ein ... ein elfisches Gewölbe." Atheris machte eine Pause, weil etwas wie ein Raunen durch die Reihen der Wesen ging. "Ich wollte wissen, was ich gefunden habe und lies eine Laterne in die Dunkelheit herab ... und dann folgte der Angriff durch einen von Euch!" Ein wildes Knurren war nun zu vernehmen, die Gruppe der aggressiven Antherion schien langsam die Kontrolle zu verlieren, lediglich einer von den vorher gezählten blieb ruhig und starrte Atheris geradewegs in die Augen. Erst jetzt bemerkte der Hexer, wie dieser eine seine Klaue unter einem Tuch versteckte. "Ich trennte einem von den Angreifern die Klaue ab, mit der ich angegriffen wurde ... und die dadurch gewonnene Zeit nutzte ich zur Flucht, bei der ich wiederum verfolgt und angegriffen wurde!" Die Unruhe unter den Antherion wurde größer und er fuhrfort. "Nach meiner gelungenen Flucht und der Rückkehr des Gasthauses wurde mein Zunftbruder Gabhan hinterrücks von einem weiteren Antherion angegriffen ... und nun sind wir hier!" Die letzten Worte von Atheris verursachten ein noch größeres Wirrwar und der Alte schaffte es trotz mehrfacher Schläge gegen das Fass keine Ruhe mehr zu schaffen. Das aggressive Rudel schien sich verbal gegen die übrigen Dorfbewohner zu rechtfertigen müssen ... die Aggressionen lagen nun spürbar in der Luft und Atheris schloss seine Hand fester um den Griff seiner Klinge. Der Alte schritt zwischen die sich bildenden Fronten und konfrontierte die auffällige Gruppe in seiner Sprache. Es war der ruhige, zurückhaltende, der auf einmal nach vorne schoss, die eine Klaue die er noch hatte gekrümmt zum Angriff auf den Dorfältesten. Eine im Halbmondlicht aufblitzende Klinge schnitt nicht nur die Luft in Zwei, sondern ließ den einhändigen Angreifer zerteilt zu Boden sinken. Nun brachen alle Dämme, die übrigen der aggressiven Gruppe gingen ebenfalls auf die umstehenden Artgenossen los und das Blutbad, das Atheris und Gabhan vermeiden wollten nahm seinen Lauf.

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Es war immer das selbe. Seit Anbeginn der Zeit schlugen sich vernunftbegabte Wesen aus nichtigen Gründen die Köpfe ein. Jene Wesen ohne Vernunft aber zeigten wenigstens noch den Respekt voreinander sich nur aus guten Gründen zu töten, wenn es solche denn gab: Überleben und Hunger. Und auch die Antherion, so wenig sie auch Menschen sein mochten, ähnelten in dieser Hinsicht den Menschen und allen anderen Vernunftbegabten Wesen: Sie waren klug genug um Waffen herzustellen und dumm genug sie zu benutzen.

Was immer hier gerade geschah, das geschah nicht ihretwegen. Zumindest nicht vorrangig. Sie mochten Auslöser, aber niemals Grund gewesen sein. Das Blutbad, dass sich hier anrichtete war von solcher Art, wie es nur aus lang sitzendem und tief liegenden Hass erstehen konnte. Ein Hass, der sich tiefer Fraß als die geschlagenen Wunden reichten. So tief, dass selbst das vergossene Blut ihn nicht aus den so vernunftbegabten Wesen herausspülen konnte.

Gabhan sah aus dem Augenwinkel, wie Atheris schon im Begriff war das Schwert zu nutzen um an Seite jener Antherion zu kämpfen, die sich hier nicht gegen sie ausgesprochen hatten. Doch das wiederum war eine ausgesprochen dumme Idee. Gabhan scheute keine Sekunde und schlug dem Hengst seines Zunftbruders auf die Flanke, so das dieser mit einigen Sprüngen aus der unmittelbaren Front preschte. Gabhan selbst machte eine halbe Pirouette, riss sein Schwert aus dem Boden und war klug genug es in einer flüssigen Bewegung selbst wieder in die Scheide zu stecken um nicht als unmittelbares Ziel zu gelten, während sich hinter ihnen die Antherion gegeneinander bekämpften und mit Fleiß zur der Ausrottung der eigenen Rasse beitrugen.

"Es ist nicht unser Problem Atheris!" knurrte Gabhan, der sich konzentrierte und mit einer Hand das Zeichen Quen formte, während er Atheris und seinen Gaul an die Seite einer Hauswand zurück drängte. Ein goldenes Licht ergoss sich aus seiner Hand, formte undeutlich einen Schild um sie beide herum. "Und ich werde nicht zulassen, dass du es zu unserem machst. Töte wer immer sich uns nährt wenn du musst - aber wir mischen uns hier nicht ein. Viel zu gefährlich. Schau nicht so, steig lieber von dem Scheißgaul, bevor dich irgendwas am Kopf trifft!" er beobachtete nervös die kämpfenden Wesenheiten, deren Kraft selbst ihm Furcht einflößte. Er erkannte keine Lücke in den sich balgenden Reihen aus Zähnen und Klauen, keine Möglichkeit wie sie entkommen konnten, ohne selbst Gefahr zu laufen in einen Nebel aus Blut verwandelt zu werden. Immer wieder knallten zwei Kämpfende Antherion gegen sein Schild, dass Funken stieben. Er spürte den Druck, als würde ein Rammbock gegen seinen Arm krachen, doch er hielt stand, Schweißperlen auf der Stirn und mit genug Hoffnung im Herzen, dass - sobald sich der Nebel des Krieges lichtete - sich eine Möglichkeit zur Flucht ergab. Doch er spürte, wie er im selben Maß schwächer wurde, wie sich der Boden unter ihm durch sein eigenes Blut aufweichte.

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Atheris hasste es neutral zu bleiben, aber Gabhan hatte Recht, dieser Kampf ging sie tatsächlich nichts an. An die Hauswand zurückgezogen beobachtete er an der Seite des Bärenhexers das Gemetzel ... und er war froh nicht mitten drin zu stecken. Die animalische Wildheit, mit der die beiden Parteien aufeinander losgingen, hatte er in dieser Form noch nicht gesehen. Gabhans Schild schützte sie vor ungewollten Angriffen. Auf einmal fing der magische Schild an zu flackern, nur um kurz darauf im Nichts zu verschwinden. Atheris wirkte seinerseits das Hexerzeichen 'Quen' - und stellte sich über den inzwischen zusammengeklappten Bärenhexer. "A d'yaebl aép arse!" schimpfte der Nilfgaarder, als sich das Zentrum des Kampfes immer mehr zu ihnen verlagerte und sie kurz darauf mitten drin waren. Immer wieder prallten die Kombattanten gegen den Energieschild und Atheris, der weit davon entfernt war, das Zeichen wie Gabhan zu wirken, erkannte die Aussichtslosigkeit ihrer Taktik. "Tut mir leid Gabhan!" stöhnte er und lies das Zeichen zusammenbrechen. Er packte den in seiner eigenen Blutlache liegenden Hexer unter den Armen und stemmte ihn hoch und legte ihn dann über den Sattel seines Pferdes, das verdammt unruhig hinter ihnen auf der Stelle trampelte. Ein Kneul aus zwei ineinander verbissenen Antherion begrub Atheris unter sich. Tritte ... Schläge ... und Klauen trafen ihn und es dauerte einen Moment, bis er sich von den Beiden wieder trennen konnte. Schnell rappelte er sich wieder auf, griff sich die Zügel und zog seine Silberklinge ... Neutralität konnte er sich nicht mehr leisten, er musste Gabhan hier so schnell wie möglich rausbringen. Es fühlte sich unreal an, als er das Pferd mitten durch die kämpfenden Antherion führte und mehr als einmal hatte er Glück, dass ein Angriff ihn verfehlte oder der Hieb von einem anderen Antherion abgefangen wurde. Selbst wenn er gewollt hätte, er konnte die unterschiedlichen Parteien nicht mehr auseinander halten. Endlich schafften sie es wie durch ein Wunder zum Tor des Gasthauses mit dem im Wind quietschenden Schild. Er führte das Pferd mit dem Bären auf dem Rücken zum Stall und öffnete die Tore zum Stall. Als er sich wieder zum Pferd umdrehte scheute dieses und wich zurück. Atheris Hand umschloss die Klinge in seiner Hand fester und drehte sich langsam um. Sein Blick wanderte nach oben und dort erkannte er die Ursache für das Verhalten seines Schlachtrosses. Es war ein ziemlich großer, weißer Antherion, der auf dem Vordach sprungbereit kauerte und ihn mit seinen blutroten Augen fixierte. "Se'ege na tuvean" schrie der Nilfgaarder und machte sich bereit, für das was da kommen mochte.

Das Adrenalin im Blut erreichte seinen Höhepunkt ... seine Sinne waren komplett fokussiert auf seinen Gegner ... die massiven Muskeln waren wie Drahtseile angespannt und die scharfe Klinge mit den goldenen Runen leuchtete im Mondlicht. Er sah das Zucken der Muskeln unter dem weißen Fell ... die roten Augen musterten ihn ... seine oberen Lefzen waren gebleckt, um das kräftig Gebiss voll und ganz zur Schau zu stellen, die Ohren als Zeichen der Aggression nach hinten gelegt und der Schwanz steif nach oben gereckt, um Dominanz zu markieren. "Aâ'anval...bleidd !" flüsterte Atheris laut genug, dass ihn der Antherion gerade so hören musste. Dann ohne Vorwarnung richtete sich der Weiße auf, gab ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich und machte sich dann über das Dach des Stalles davon. "Was bei der großen Sonne war das jetzt!" wunderte sich der überraschte Atheris und bemerkte erst jetzt die Ansammlung der Wesen um ihn herum. Die Schlacht schien entschieden zu sein ... und Kathrin trat an ihn heran. "Atheris, wenn du es wünschst, darfst du deinen Freund in die Gaststätte bringen, ich denke er braucht Hilfe!"

how to continue?
Gabhan
Vor langer Zeit - Pilze
Viele Jahre zuvor wird Gabhan der Kräuterprobe unterzogen
Gabhan
Eine Woche später - Der Fluss der Zeit
Gabhans Verletzungen halten die beiden Hexer noch eine Weile auf, währenddessen werden neue Wahrheiten und Lügen ausgetauscht.
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Gabhan - 
Vor langer Zeit - Pilze

Am dritten Tag waren alle Kinder gestorben, ausgenommen ein Knabe von kaum zehn Jahren. Dieser, zuvor von heftigen Konvulsionen geschüttelt, fiel mit einem Mal in eine tiefe Ohnmacht.


„Iss auf Junge!“

Gabhan hob den Blick von der grob gedrechselten Holzschale, in der etwas schwamm, dass aussah wie aufgedunsene Teile von etwas, das nicht aufgedunsen sein sollte. „Ich bin satt,“ antwortete der Junge und blinzelte aus wässrigen, grauen Augen zu seinem Gegenüber. Seine Augen waren bereits seit einer ganzen Weile wässrig. Sie vertrugen die kalte zugige Bergluft nicht. Vertrugen die eisige Kälte nicht, die den Atem gefrieren ließ, wenn man die wärmende Umgebung des Kamins verließ. „Ich will noch was von dem Saft!“ – „Kein Saft. Du hast genug von dem Saft bekommen. Iss auf sag ich, Hosenscheißer“ – „Bin kein Hosenscheißer!“ – „Bist du wohl und wenn du nicht gleich aufisst, dann gibt es was mit dem Riemen, dass du drei Tage nicht sitzen kannst!“

Gabhan verstummte und blickte in die Augen des anderen. Hässliche Augen waren das, sie lagen tief verborgen unter zwei mächtigen Brauen und reflektierten das Licht ganz scheußlich. Vor ein paar Wochen hatte Gabhan noch Angst vor diesen Augen gehabt. Jetzt nicht mehr. Es waren nicht die Augen, vor denen man sich fürchten musste, sondern der Riemen. Denn der Riemen – das hatte Gabhan gelernt – war noch viel scheußlicher als die Augen.

Der Junge von vielleicht zwölf Jahren zog die Nase hoch und blickte an dem bulligen Hexer vorbei zu den beiden Jungen am anderen Tisch. Habbat und Tjaske übten sich im Armdrücken. Wenn einer von ihnen gewann dann krachte es, denn die beiden Jungs waren stark – viel stärker als Gabhan und das hatten sie ihn auch spüren lassen. Hatten ihm den Arm verstaucht, als er sich auch im Armdrücken hatte messen wollen. Aber nicht sie hatten den Ärger bekommen – nein, Navrard hatte ihn mit dem Riemen verprügelt und ihn ausgelacht. Ihn einen Narren genannt und ihn trotz Schmerzen gleich dreimal die Quälerei laufen lassen. Er solle „lernen was es bedeutet ein Hexer zu sein“ hatte Navrard gesagt. Und dass er es sich hinter die Ohren schreiben solle. Das er sich nicht mit einem Gegner einlassen solle der stärker sei als er. Und dass er nie, niemals einen Hexer herausfordern solle, solange er selbst noch keiner sei.

„Junge!“ Navrard Stimme grollte wie ein aufziehendes Gewitter und riss Gabhan aus seinen Gedanken. „Ich sagte du sollst die Pilze essen!“ Der Junge schluckte und sah wieder hinunter auf die Holzschale. „Aber ich habe doch jetzt schon viel mehr gegessen als Wolmer…“ versuchte er zu argumentieren, doch Navrard schüttelte den Kopf. „Du bist auch älter als Wolmer. Viel zu alt vielleicht. Wenn wir wollen, dass es funktioniert wirst du mehr von den Pilzen essen!“ Gabhan blieb für einen Augenblick stumm, stocherte in seinen Pilzen herum. „Und mehr vom Saft?“ – „Kein Saft. Nicht mehr heute. Pilze Gabhan. Und Dehnübungen – du wirst später noch an den Schwengeln üben!“ Gabhans Hand verkrampfte sich. „An den Schwengeln? Aber es ist doch schon ganz finster draußen! Ich kann nichts sehen!“ – „Dann wirst du eben hören müssen. Dein Gegner wird keine Rücksicht auf dich nehmen, ganz gleich ob du was sehen kannst oder nicht. Und jetzt iss Hosenscheißer. Iss!“

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„Schnallt ihn fest. Nein, doch nicht so – fester sage ich! Die Arme und Beine darf er nicht bewegen, nicht mal ein Quäntchen – macht die Beine weiter auseinander. Nein, weiter – noch weiter! Ah, er schreit; das genügt!“ Gabhan versuchte den Kopf zu drehen, doch es gelang ihm nicht. Er spürte raues Leder an Armen, Beinen und am Hals. Und sein Kopf… sein Kopf fühlte sich so taub an und doch war da ein unausstehlicher Druck. So stark, dass er den Kopf nicht bewegen konnte. Der Druck wurde immer schlimmer, stieg mit dem Rattern einer Winde an, die er direkt neben seinem Ohr hören konnte, während sich kaltes Metall an seine Wangen presste. Er versuchte sich zu erinnern, wie er hierhergekommen war, doch das konnte er kaum. Sein ganzer Geist war wie benebelt. Nur unklar erkannte er seine Umgebung aus den Augenwinkeln. Sah Retorten und Glaskolben, große Spiegel die an der Decke hingen und mit Brenngläsern verbunden schienen, auf denen Runen unwirklich in der Dunkelheit glommen. Er spürte das Gitter unter sich auf dem er lag und das grobmaschig in seine nackte Haut schnitt. Er sah am Rande seines Blickfeldes viele Flaschen mit Etiketten die er nicht lesen konnte und andere Flaschen in denen Dinge schwammen die – da war sich der Junge sicher – ganz gewiss nicht in Flaschen gehörten.

Gabhan spürte, wie jemand das dünne Leinentuch, das man über seine Blöße ausgebreitet hatte hochhob. „Hm – beginnende Adoleszenz das macht die Kombinationstherapie mit den Viruskulturen schwierig. Der Junge ist womöglich schon viel zu alt Hexer, D‘yaebl-Schiss!“ der Mann der da sprach war in lange Roben gehüllt. Spruchbänder zierten sein Gewand und ein großer, kegelförmiger Hut schloss sein Haupt ab. „Das kann die Kontraktilität beeinflussen, womöglich zu einer Kontraktur führen! Aber was solls, mich solls nicht betreffen. Ist vielleicht ein widerstandsfähiger kleiner Scheißer…“ – „Das ist er“, die dunkle Stimme Narvrads beruhigte Gabhan zumindest ein wenig, auch wenn er den Hexer nicht sehen konnte. „Hoffen wir es für ihn. Nun, wo ist die Kanüle?“

An das was folgte erinnerte sich Gabhan nicht – oder zumindest redete er sich selbst den Großteil seines Lebens ein sich nicht daran zu erinnern. Doch der Schmerz der ihm in den nächsten Tagen widerfuhr konnte nicht vergessen werden. Dieser Vernichtungsschmerz sollte sich tief in sein Gedächtnis eingraben und so war es schließlich auch nur guter Brauch – die Hexer sollten sich an die Schmerzen erinnern. Sollten sich an das erinnern was sie zu dem gemacht hatte was sie waren.

„Scheiße,“ Gabhan wusste nicht mehr wie viel Zeit vergangen war, während er sich immer wieder in Krämpfen und Zuckungen wandte, das große Brennglas über seinem Kopf auf ihn gerichtet. Er sah nur noch grelles Licht, das mit solcher Intensität schmerzte, dass er fast das reißende Spannen in seinem Brustkorb vergessen konnte. „Beim weißen Frost – die Knochenverstärkung schlägt ein wenig zu gut bei der kleinen Ratte an. Narvard, wir brauchen Bisphosphonate!“ eine lange Zeit der Stille folgte. „Das kleine Fläschchen links mit dem gelben Korken!“ Erneut wurde Gabhan ein spitzer Gegenstand in den Körper getrieben und er glaubte geradezu zu spüren, wie der Inhalt jenes Fläschchens in seinen Körper eindrang und was es mit seinem Körper anrichtete. Erneut warf er sich in blinder Verzweiflung gegen die Riemen, doch dann schaltete sein Verstand aus.

Als er das nächste Mal zu sich kam war das Licht nicht mehr auf seine Augen gerichtet – dennoch brannten sie noch immer und er spürte auch noch immer das mittlerweile gestockte Blut in seinen Augenwinkeln, welches unangenehm auf der Haut spannte und das ausgetreten war als sie ihm… Er wollte nicht darüber nachdenken was sie mit seinen Augen getan hatten, wollte sich nicht an dieses furchtbare Geräusch erinnern. Und er musste sich auch nicht erinnern, denn der Magier schickte sich an diese Erinnerung durch eine noch viel Grausamere zu ersetzen. Denn das Licht war nicht aus purer Herzensgüte von seinem Gesicht genommen worden. Nein, der Zauberer hatte es einem neuen Zweck zugeführt und leuchtete nun damit auf Gabhans Brustkorb und Rippen – denn die Rippen waren es, die Gabhan sehen konnte. Weiss und wulstig schimmerten sie zwischen roten Muskelfasern hervor, die bei Seite geklappt worden waren, wie Seiten in einem Buch. Gabhan schrie, als der Zauberer erneut den Hobel ansetzte und das wegschliff was Bisphosphonate, Selbstheilung, Kräuterprobe und Zauberei dort angerichtet hatten. Gabhan schrie, doch kaum ein Laut entrang seiner ausgedörrten Kehle, ehe ihn erneut Dunkelheit umfing.

Als Gabhan das nächste Mal erwachte war er bedeckt von kaltem Schweiß und stank zum Erbarmen. Er roch es – roch es nur zu gut. Jene Melange aus Eiter, Erbrochenem, krankem Schweiß und Exkrementen. Er roch abgestorbene Haut, spürte die offenen Wunden auf seinem Rücken, wo er sich auf dem Gitterrost wundgelegen hatte. Und er roch die seltsame Farbe, mit der man ihn bemalt hatte – die sich über Brustkorb und bis zum Bauchnabel zog und die brannte, als wollte ihm jemand die Haut abziehen. Er sah die großen Kolben die neben seinem Foltergerät standen, sah die sich windenden Spiralen in denen violette, grüne, rote und durchschimmernde Flüssigkeiten gluckerten und die – von einem Schlauch geführt – mit spitzen Gegenständen in verschiedenen Teilen seiner Bauchdecke steckten. Erneut verlor er das Bewusstsein…

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