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Gabhan - 
Gegenwart - Tavernengeschichten

Die Schwarzen, wie die Nilfgaarder landauf, landab genannt wurden hatten sich entfernt. Waren die lange Straße entlang gelaufen, um irgendwo - wussten die Götter was - zu tun. Fortgetragen von guten Stiefeln, die das kaiserliche Heer jedem Soldaten stellte und fort getrieben von einem kaiserlichen Erlass. Einem Erlass, der sich in der Hand des befreundeten Hexers befunden hatte. Gabhan wunderte sich. Er wunderte sich sogar sehr. Und er hatte allen Grund sich zu wundern, wo doch die meisten anderen seiner Zunft um jegliche Art an Neutralität bemüht waren. Doch die meisten anderen seiner Zunft trugen auch nicht die Sonne des Kaiserreiches auf der alten, benutzten Plattenrüstung. Ja die meisten seiner Zunft trugen noch nicht einmal eine solche Plattenrüstung. Zu schwer war sie für die meisten Hexergeschäfte, auch wenn sie von seiner Schuler, der Schule des Bären gerne getragen wurde. Doch nicht in der Machart, wie sie Atheris trug. Eine Machart, wie sie in den kaiserlichen Schmieden anzutreffen sein mochte. Bei ihrem letzten und bisher erstem Treffen war dieser Umstand Gabhan nicht bewusst aufgefallen, doch nun fiel es ihm auf - und es missfiel ihm, wenn auch nicht sehr. Großes Missfallen konnte er sich nicht leisten. Nicht hier und nicht in solchen Zeiten.

Also brachte er ein Lächeln auf seine Züge, das seine Augen sogar fast erreichte - wenngleich auch die alte Narbe auf seiner rechten Wange teuflisch weh tat wenn er so lächelte. Weshalb er es selten tat. Das es ihm schmerzen bereitete wenn er glücklich war, schien ein grausamer Scherz des Schicksals zu sein, an den er sich jedoch gewöhnt und den er auf seine eigene Art und Weise selbst als amüsant befunden hatte. Wenn auch nicht so sehr, dass man hätte darüber lächeln müssen - aus bekannten Gründen. "Atheris, schön dich zu sehen!" begrüßte er den nilfgaarder Hexer.

Der Hexer schwang sich vom Kutschbock hinab, kam schwer auf dem staubigen Boden auf und blinzelte gegen das Licht der Sonne an, das um den größeren Zunftbruder einen hellen Kranz bildete. Atheris musste sich vorwerfen lassen, sich mit voller Absicht ins Licht gestellt zu haben. Doch Gabhan ignorierte es geflissentlich und warf noch einmal einen letzten Blick in Richtung der Nilfgaarder, die nur noch als schwarze Schemen in der Ferne zu erkennen waren, und überlegte einen Augenblick, ob er Atheris auf die Depesche ansprechen sollte, mit der er auf so wundersame Art und Weise die Soldaten vertrieben hatte ... doch er entschied sich dagegen. Seine Kehle war zu ausgedörrt für lange Gespräche und er hatte in letzter Zeit schon zu viele hohe Meinungen aufgrund zu langer Gespräche revidieren müssen. Er konnte auf eine erneute Darbietung seines knirschenden moralischen Kompasses für den heutigen Tag durchaus verzichten. "Du stinkst nach Sex," knurrte er daher nur, umrundete den Wagen und warf selbst noch einmal einen Blick auf das, was er von dem Tausendfüßler übrig gelassen hatte und legte dann eine Decke darüber. Der Anblick konnte einem armen Tavernenbesucher den Morgen verderben und Gabhan war zu Rücksichtsvoll, um so etwas zu riskieren.

"Na komm", wandte sich der Bärenhexer an Atheris und stemmte sich gegen die schwere Tür der Taverne um diese aufzustemmen. Im Inneren roch es angenehm nach Kraut, Bier und Würsten. Eine Kombination die Gabhan schätzen konnte und die eine willkommene Abwechslung zu den Gerüchen war, die ihn sonst umgaben und von denen viel zu viele von jener Art waren, deren Aroma sich in Kleidungen festsetzte und dort blieben, bis man sie verbrannte. "Du bezahlst," befand er in Atheris Richtung, nachdem er den Blick der Schankmaid gesehen hatte, der definitiv nicht ihm galt. "Mir scheint, du bist bereits in Vorkasse gegangen..." er humpelte in eine Ecke der Schenke und achtete dabei penibel darauf, dass es nicht die hinterste war. Denn die hinterste Ecke einer Schenke war, wie jeder wusste, immer Verbrechern, Halsabschneidern oder Pfeife rauchenden Waldläufern vorbehalten und Gabhan sortierte sich in keine dieser Überkategorien ein.

Seufzend ließ sich Gabhan auf den Stuhl sinken, der mehr knarrte als er sollte und massierte sich den noch immer schmerzenden Arm. "Tut mir leid für die Verspätung. Ich... war eine Weile lang unpässlich. Habe länger gebraucht als angenommen ... Umwege ... Du kennst das..." er blickte auf und der Blick seiner raubtierhaften Augen wanderte an Atheris entlang, neben dem er sich wie das fühlte, was die Tavernenkatze am Kamin gerade hervorgewürgt hatte. "Wie ist es dir ergangen? Wir haben uns seit Solonia nicht mehr gesehen...", fragte er den Greifenhexer. Solonia - keine guten Erinnerungen. Eine Welt am Abgrund, dunkle Magie, Konspirationen und ein Warg, dem Gabhan die entstellende Narbe an der Schläfe verdankte. Und das waren noch die schönsten Erinnerungen, die er an das verfluchte Land hatte.

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Atheris musterte Gabhan, ihm war das Humpeln beim absteigen vom Wagen bereits aufgefallen und auch ansonsten schien der Bärenhexer nicht gut drauf zu sein, aber er kannte die Arbeit eines Hexers selber und auch er hatte die letzten Monate einiges erleiden müssen, nur trug er dies nicht zur schau, wie die meisten seiner Zunftbrüder. Als Gabhan das Thema auf Solonia lenkte, musste Atheris kurz schlucken ... viel war seit dem letzten Winter geschehen ... und der Bärenhexer sollte es wissen, wie es um Kaer Iwhaell, der Greifenhexerschule stand. "Kathrin, ein Kelch vom Hauswein für mich und für meinen Freund ... ein Krug Wasser!" rief Atheris durch den Raum, wobei er während seiner kurzen Pause ein wenig lächeln musste. Er hatte beim letzten Treffen bereits mitbekommen, dass der Bärenhexer fast nur Wasser zu sich nahm, damit ein zu hoher Alkoholkonsum die Wirkung der Hexer-Tränke nicht beeinträchtigte. Nach dem sie ihre Getränke bekommen hatten und Atheris einen großen Schluck aus seinem Gefäß genommen hatte, räusperte er sich, blickte Gabhan aus seinen schlangenhaften Augen an und begann zu erzählen, was in Solonia in den letzten Monaten passiert war.

"Gabhan...bei unserem letzten Treffen hatte Großmeister Valerian bereits angedeutet, dass wir Kaer Iwhaell aufgeben werden müssen. In einer Welt, die dem Untergang geweiht ist, in dem sich gottgleiche Kreaturen bekriegen und der Mond in drei Teile zerbrochen ist und diese hinabstürzen zur Erde ... in dieser Welt können wir nichts mehr ausrichten." Atheris machte eine kurze Pause, nahm einen weiteren Schluck aus seinem Kelch, während Gabhan zustimmend nickte. "Die Evakuierung lief wie geplant, bis uns die Nachricht ereilte, dass eine größere Gruppe an Fanatikern auf den Weg nach Kaer Iwhaell war, um uns zu vernichten. Seit wir Hexer in ihr Land kamen, hat dieses schreckliche Schicksal begonnen und wir seien an allem Schuld ... das wir alles versucht haben, dieses Schicksal von Solonia abzuwenden, schienen sie nicht begreifen zu wollen ... aber so sind Fanatiker nun mal, in Redanien ist es auch nicht anders! Denk nur mal daran, dass sie ihre Magier verbrennen, obwohl diese damals in Sodden den Arsch gerettet haben!" fuhr Atheris fort. Der Bärenhexer nahm derweil knurrend ein kleines silbernes Kästchen hervor, streute sich etwas von dem Inhalt auf seinen Handrücken und zog den Schnupftabak mit einem lauten Geräusch ein. "Es sind immer die Vorurteile und Progrome, die uns Vatt'ghern das Leben schwer gemacht haben!" knurrte Gabhan schlecht gelaunt, während Atheris erneut das Wort ergriff: "Während der Schlacht wurden wir Schüler von unserem Großmeister Valerian getrennt und konnten uns gegen die Übermacht der Angreifer nicht lange halten. Nachdem die Fanatiker die Mauern überwunden hatten, konnten wir uns nur noch durch ein Portal retten ... und wenn ich dir erzähle, wer das Portal mit den magischen Steinen errichten musste, weil Nella ihr Bewusstsein verloren hatte...richtig...ich, der nachweislich keine Ahnung von derlei Dingen hat!" Gabhan machte erst große Augen und konnte dann ein kurzes Lächeln nicht unterdrücken "Du lässt auch nichts aus oder? Ich möchte mir nicht mal ansatzweise ausmalen, was alles bei einer unkontrollierten Nutzung eines Portals schiefgehen kann - auch wenn ihr nicht gerade eine Wahl hattet!" sagte er kopfschüttelnd. "Und Recht hast du Gabhan! Die Flucht klappte zwar, aber der Sprung ins Irgendwo brachte und ziemlich weit weg von unserem eigentlichen Evakuierungsziel der Leuenmark ... mitten in eine verlassene Stadt in der ofirischen Wüste! Ob Valerian die Flucht überlebt hatte, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, da er sich vor den Mauern Kaer Iwhaells befand. Nach einer Wochenlangen Odysse durch die verfluchte Wüste, kamen wir in Miklagard an und weißt du, wen wir da getroffen haben?" Gabhan überlegte kurz und erinnerte sich an die beiden Wissenschaftlerinnen, die er in Solonia getroffen hatte...aber wie hießen die beiden nochmal? "Die beiden Schwestern, diese... Sala und Eva?" war seine Antwort. "Richtig!" antwortete Atheris "Die Cousinen SALEHA und EIWA! Nicht nur, dass sie uns in ihrem Stadtpalais aufgenommen und versogt haben, wir konnten sogar an der Verbesserung der Kräuterprobe arbeiten und ich habe einiges über den Forschungsstand erfahren ... aber dazu später mehr! Nachdem die Forschungseinrichtung auch noch überfallen worden war und dabei einige Experimente entlaufen sind ... und nein diesmal waren wir Hexer sicher nicht Schuld! Haben wir nach einigen Wochen eine Überfahrt nach Nilfgaard und von dort in die Leuenmark klar machen können. Bei unserem Reiseziel, einer Fischräucheranlage, haben wir dann zu unserer Freude auch Großmeister Valerian antreffen können, der bereits ungeduldig auf uns gewartet hat. Vor zwei Wochen habe ich mich schließlich auf den Weg zu unserem Treffpunkt begeben ... wie ist es dir ergangen? Ich habe bemerkt, dass du humpelst? War das der Tausendfüßler?" beendete Atheris seinen Bericht.

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Es war wahrlich viel geschehen seitdem sich die beiden Zunftbrüder getrennt hatten. Sehr viel sogar. Deutlich mehr als Gabhan überblicken und noch mehr als er bereit war preiszugeben. Doch der andere hatte seine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, zu der es viele Fragen gab, die jedoch zu einem anderen Zeitpunkt gestellt werden sollten. An einem Ort mit weniger Betrunken und weniger Ohren. Doch Atheris hatte seine Geschichte geteilt und uralte Gepflogenheiten verlangten, dass er nun auch seine eigene Geschichte teilte. Zumindest in Ansätzen. Denn Erklärungen waren nötig, hatte sich doch viel verändert. Und weitere Veränderungen dräuten am Horizont. Es waren wahrlich verfluchte Zeiten.

Gabhan rückte seinen Gurt auf der schmerzenden Schulter zurecht und nickte dann langsam. "Genau. Den Arm habe ich der Myriopoda Maxima zu verdanken," erwiderte er leise und blickte auf, als die Schankmaid mit einem Wasser für Gabhan und einem Lächeln inklusive einem Glas Wein für Atheris wiederkam. Der Bärenhexer nahm es hin und der Maid den Krug ab, trank gierig einige große Schlucke, bei denen ihm ein Teil des Wassers in den Bart sickerte und zu Boden tropfte, doch es scherte ihn wenig. "Eigentlich war ich nur auf dem Weg hierher, ehe das Drecksvieh mir den Tag verdorben hat. Andererseits, wenn man sich ansieht was es mit dem armen Boten angerichtet hat, dann bin ich ja noch vergleichsweise gut weggekommen..." er schnaubte und stellte den Krug auf dem Tisch ab. "Ansonsten habe ich einen kleinen Umweg über Bogenwald gemacht. Hatte da ein paar Probleme mit Sklavenhändlern," er blieb einen Moment stumm, spürte Atheris blick auf sich und machte dann eine wegwerfende Handbewegung. "Nicht der Rede wert. Und reden werde ich auch nicht darüber..."

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Gabhan
Einige Tage zuvor - Sklaven
Gabhan reist aufgrund eines Umwegs nach Bogenwald und gerät mit einigen Sklavenhändlern aneinander.
Gabhan
Gegenwart - Weitere Tavernengeschichten
Gabhan und Atheris planen wie es weiter gehen soll
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Gegenwart - Weitere Tavernengeschichten

Gabhan nahm noch einen Schluck aus dem Krug. "Und wie waren deine letzten Tage? Angenehme will ich meinen" er warf einen Blick zu der Schankmaid.

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Atheris folgte dem Blick des Bärenhexers zu Kathrin und nickte zustimmend. Seine letzten Tage waren durch aus angenehm gewesen. Die Überfahrt von der Leuenmark nach Cintra war mit günstigen Winden viel kürzer ausgefallen wie ursprünglich veranschlagt. Es blieb ihm sogar genügend Zeit, um die Stadt Cintra zu besuchen und einige seiner ehemaligen Kameraden aus der Armee aufzusuchen und gemeinsam, wie in alten Zeiten, die Tavernen der Stadt unsicher zu machen. Das letzte Mal, wo er in Cintra war, kam er als einer der Eroberer und nun, viele Jahre nach der Eroberung, musste er sagen, dass unter der Herrschaft Nilfgaards die Provinz förmlich aufblühte, aber das interessierte die Nordländer nicht, sie verschlossen in der Regel ihre Augen vor dem Fortschritt, der Wirtschaftsmöglichkeiten und der Kultur des Kaiserreichs. Sie trauerten lieber ihren alten Königen nach, die bei weitem keine moralisch guten Männer gewesen waren....Atheris merkte, wie er mit den Gedanken woanders war und konzentrierte sich wieder auf sein Gegenüber. "Gloir aen Ard Feainn! Ich hatte so gute Winde, dass ich drei Tage früher hier am Treffpunkt ankam und ja, ich habe die Zeit für Studien und ... zur Erholung gut genutzt!" schmunzelte Atheris, bevor er fortfuhr. "Jetzt wo wir beide hier sind, Gabhan - was sind unsere weiteren Pläne für den Herbst?"

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"Studien und Erholung. Soso. Deine Erholungen bringen uns hoffentlich nicht in baldige Schwierigkeiten, auf solche könnte ich nämlich verzichten. Nicht verzichten kann ich hingegen auf deine Hilfe!" er beugte sich über den Tisch, zog eine Kerze heran, deren Duft ihre Herkunft verriet und die etwa eine Meile entfernt lag - auf einem kleinen Bienenhof, der bereits in fünfzehnter Generation geführt von der Familie Rainfarner geführt wurde. All das konnte Gabhan jedoch nicht am Geruch erkennen, sondern an dem Stempel, der in das Bienenwachs gedrückt worden war. Details. Sie machten ihn wahnsinnig. Alles nahm man wahr, wenn man darauf getrimmt worden war.

Er leerte seine Gürteltasche aus, förderte einige Würfel, eine silberne Eichel und zwei Blätter Pergament zu Tage, von denen eines deutlich abgegriffen wirkte. Schnell schob er Eichel und das abgegriffene Pergament zurück, räumte die Würfel wieder ein und strich das übrig gebliebene Papier glatt, welches eine Art Karte zu zeigen schien, wenngleich auch vergilbt, mit Flecken bedeckt und mit Runen beschmiert. Irgendwer schien das Papier sogar mal als Einkaufszettel benutzt zu haben, man hatte Teile der Tinte abgekratzt um neues Papier zu gewinnen und insgesamt war das Papier in keinem guten Zustand. Doch die geübten Augen, denen eben Details mehr als alles andere auffielen, erkannten die Karte darunter. Die elfischen Runen. "Das hier," erklärte er schließlich leise und deutete mit den dreckigen Fingern auf das Papier. "Ich suche Runen. Und ich habe Grund zur Annahme, dass der Ort, der auf dieser Karte verzeichnet ist, irgendwo hier in der Nähe ist. Alte elfische Ruinen will ich meinen. Schließlich hat man ganz Cintra auf elfischen Ruinen aufgebaut. Genauso, wie Nilfgaard große Teile dieses Landes auf den Ruinen des alten Cintras aufgebaut hat. So ist der Lauf der Dinge. Und wie es beim Laufen nunmal ist, fallen Dinge zu Boden. Werden festgetreten. Ich hoffe, dass auch diese Runen festgetreten wurden. Ich habe ein paar neue Schwerter und ich brauche Runen um sie zu verbessern" er sah auf. "Und du? Was versprichst du dir hiervon?"

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Atheris hatte die Ausführungen des Bärenhexers interessiert verfolgt. "Meister Valerian hat mich zu dir gesendet, um etwas zu lernen. An eine Schatzsuche habe ich zwar dabei nicht gedacht ... aber es hört sich spannend an! Gib mir mal bitte die Karte, Gabhan!" antwortete der Nilfgaarder auf die ihm gestellte Frage. Gabhan reichte ihm die Karte und er begann sie genauer zu studieren. Er fand es faszinierend, dass der Bärenhexer auf diesem alten Pergament etwas entdeckt hatte, dass von so großem Wert war. Er selber hätte vermutlich diesem Stück Pergament keinen zweiten Blick gewidmet, aber er hatte in seinem Leben auch wenig mit Schatzsuchen oder dergleichen verbracht. Das Schlachtfeld war die meiste Zeit seines Lebens der Mittelpunkt gewesen, um das sich sein Handeln gedreht hatte. Er überlegte kurz, ob er Gabhan von der alten Elfenruine in den grünen Wäldern Temeriens erzählen sollte, in der er vor etwa fünf Jahren unglücklich durch ein Portal gestürzt war und wie die anschließenden Ereignisse sein Leben grundlegend verändert hatten ... aber ein Blick auf den übelgelaunten Zunftbruder ließ ihn diesen Gedanken verwerfen, es war nicht die Zeit für Geschichten. "Wie um alles in der Welt, bist du an das gute Stück gelangt und wie wollen wir weiter vorgehen ?" durchbrach Atheris das Schweigen.

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"Ich habe gute Verbindungen," erwiderte Gabhan schlicht und knapp. Er hatte die Karte von Grazyna von Strept erhalten, doch das wollte er nicht sagen. Er wollte nur so wenig wie möglich mit der Zauberin in Verbindung gebracht werden, hatte er doch mitbekommen was eine Verbindung mit der Frau Zauberin bedeutete. Sie diente den Grolls und der Name Groll war genauso klang, wie unheilvoll. Zumindest wenn er den Reaktionen in Bogenwald glauben durfte. Die Familie war Umtriebig und Umtriebigkeit konnte Gabhan nicht gebrauchen. "Und was wir nun machen? Erst einmal etwas trinken. Dann brauche ich vor allem Dingen eins: Eine verdammte Mütze Schlaf. Ich habe seit fast eineinhalb Tagen nicht geschlafen und ich werde unleidlich wenn ich nicht gut geschlafen habe. Wir beide wollen nicht, dass ich unleidlich werde" er grinste schief. Seine Narbe schmerzte nicht nur, sondern verzog sein Grinsen auch stets zu einer Grimasse. Keiner freundlichen.

"Morgen früh brechen wir dann auf, Richtung Süden. Die Richtung gefällt dir sicherlich. Und gefallen wir dir auch das, was du in der Höhle wirst lernen können. Denn was uns erwartet wird verteufelt schwer. Diese Ruine soll einst der Palast der Elfenstreiterin Maeven gewesen sein. Eine große Kriegerin. Große Kriegerinnen wollen große Paläste. Große Paläste bedeuten große Räume. Große Räume werden mit den Jahrhunderten unter der Erde große Stollen. Ich rechne mit Nekkern, mit viel Pech hat auch ein Ekkima dort sein Nest. Verteufelt, wie gesagt. Du solltest den Abend nutzen um einige Tränke herzustellen. Und vielleicht nochmal Spaß zu haben. wer weiß wann du wieder dazu kommst!" sagte Gabhan.

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Die beiden Hexer genossen noch ein reichhaltiges Frühstück, bevor sich Gabhan auf sein Zimmer zurück zog. Atheris stand auf und wanderte zum Tresen, an dem Kathrin ihn bereits mit einem freudigen Strahlen im Gesicht erwartete. Der Nilfgaarder lächelte charmant und beglich ihre Schulden. Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Atheris von der Schankmaid, verließ das Gasthaus und schlenderte über den Innenhof zu den Stallungen. Ker'zaer, sein treues Streitross begrüßte ihn mit einem Wieren. Er hatte das edle Tier vor zehn Jahren von Senator Luzeran Gaius Groll als Geschenk erhalten, mit dem er nach dem katastrophalen Ausgang der Schlacht von Brenna, durch die Sümpfe zur Yaruga geflohen war. Nun holte er den Sattle und das Zaumzeug und machte den schwarzen Hengst bereit für den Ausritt. Das Wetter war schön und der Hexer liebte es alleine durch die Wälder zu reiten. Beim verlassen des Stalles warf er dem Stallknecht noch einige Münzen zu und preschte dann durch das geöffnete Hoftor hinaus auf die Straße.

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Atheris
Gegenwart - Allein im Wald
Atheris will die Gegend auskundschaften und macht eine folgenschwere Entdeckung
Gabhan
Gegenwart - Nachtigall
Gabhan erwacht, von Atheris allein gelassen, in der Taverne. Doch etwas stimmt nicht.
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Gegenwart - Allein im Wald

Eine ganze Weile folgte Atheris dem Weg in Richtung Süden. Zunächst tat er das unbewusst und erst nach einiger Zeit wurde im klar, dass er dem möglichen Weg auf der Karte folgte, die er vor seinem inneren Auge sah. Er zuckte mit den Achseln und ließ sein Pferd angaloppieren. Letztlich war es egal, wohin er ritt, der Weg war sein Ziel! Gegen Mittag erreichte er eine kleine steinerne Brücke, die sich über einen gut drei Schritt weiten Fluss spannte. Er lenkte Ker'zaer neben die Brücke zum Wasser und stieg ab. Während das Pferd trank und anschließend anfing das dicke Gras am Fuße der Brücke zu fressen, setzte sich Atheris auf einen Stein, zog aus seiner Tasche das kleine Tagebuch, dass er immer bei sich trug und eine Feder heraus und fing an sich Notizen zu machen. Als er etwas Müdigkeit verspürte, ließ er sich hinab ins Gras gleiten und schloss die Augen für einen Moment.

Aus dem Moment wurden Stunden und als der Hexer wieder erwachte, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. "Nun ja, die letzten Nächte waren nicht gerade die ruhigsten gewesen!" sprach er mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht zu Ker'zaer, der das mit einem Schnauben kommentierte. In einer fließenden Bewegung schwang er sich auf dessen Rücken und machte sich auf den Weg zurück zum Gasthaus. Er war nicht weit gekommen, als sein Hexer-Medaillon anschlug. "Was zum...!" wunderte er sich, war er doch erst vor kurzem die gleiche Strecke gekommen. Er stieg vom Pferd ab, nahm das Tier beim Zügel und nutzte das Medaillon wie eine Wünschelrute. Die magische Fährte oder wie man das auch immer nennen mochte, führte ihn vom Weg ins Unterholz. Immer drang er in die Wildnis ein und Atheris wurde unruhig, es musste etwas ziemlich mächtiges sein, wenn das Medaillon die Magie auf so eine große Distanz aufspüren konnte. Dunkel kamen in ihm die Erinnerungen hoch, als er das Letzte mal auf so eine mächtige Magie gestoßen war, und die Begegnung mit dem Kobold hatte er nur mit viel Glück überlebt. Leise zog er seine silberne Klinge aus der Scheide, die er am Sattel befestigt hatte, und machte sich bereit für das, was ihn erwarten konnte. Inzwischen war es im Wald vollkommen finster, was ihn aber aufgrund seiner mutierten Augen nur bedingt störte. Vielleicht sollte er lieber umkehren, es war auch für einen Hexer nicht ungefährlich, sich unvorbereitet einem Risiko auszusetzen, aber seine Dank seiner großen Neugier verwarf er den Gedanken schnell wieder. Nach einer guten Weile erreichte er eine kleine Lichtung im Wald. Zunächst erschien sie für Atheris unauffällig und erst als er sie überquert hatte, merkte er, wie das Signal vom Medaillon schwächer wurde. Also trat der Hexer zurück auf die Lichtung und schaute sich genauer um. "Gabhan hätte sicherlich schon erkannt, was hier vor sich geht ... hmmm!" dachte sich Atheris, während er die Bäume am Rand und den Boden genauer musterte. "Ein Hexenring ... interessant!" entfuhr es dem Nilfgaarder, als er die Reihe von kleinen, dunklen Pilzen bemerkte, welche die Lichtung komplett umschlossen. So ein Hexenring war eigentlich nichts außergewöhnliches, lediglich der Volksmund sah in diesen natürlichen Kreisen etwas mystisches, das mit Feen und Hexen im direkten Zusammenhang stand. In Wirklichkeit hatte es meisten nur etwas mit den Nährstoffen im Boden zu tun ... aber dieser Kreis war anders, warum war hier in der Mitte die Magie am stärksten und warum hatte er die Magie nicht schon beim Hinweg bemerkt? Suchend schritt Atheris über die Lichtung ... er konnte die Quelle der Magie einfach nicht ausfindig machen. Gerade als Atheris sich zu seinem Pferd umdrehte und die Suche aufgeben wollte, gab die Erde unter seinen Füßen nach und er begann zu stürzen. Geistesgegenwärtig umschloss er die Zügel in seiner Hand fester. Den kräftigen Ruck, der über den Zügel an Ker'zaer weitergegeben wurde, quittierte dieser mit einem kräftigen Wieren, aber der kräftige Hengst hatte einen guten Stand und konnte somit den Sturz seines Reiters verhindern. Nun hing der Hexer mit einer Hand am Zügel und der anderen Hand am Rande des Loches, in das er soeben gefallen war. Unter seinen in der Luft hängenden Füßen, öffnete sich ein großes schwarzes Loch. Vorsichtig zog sich der Hexer wieder nach oben und kroch bäuchlings weg von der Stelle an der er eingebrochen war. Nachdem Ker'zaer keine Probleme mit dem Untergrund gehabt zu haben schien, war das Loch vermutlich nur begrenzt groß, aber um kein Risiko einzugehen, führte er das Tier weg von der Lichtung. Zwischen den Bäumen angekommen, löste er das Seil am Sattel, befestigte das eine Ende an seinem Sattelknauf und das andere knüpfte er sich mit einem Knoten um seine Taille. Anschließend zog er eine kleine Sturmlaterne aus der Satteltasche und ein Stück Schnurr, dass er zum Fallen stellen dabei hatte. Sein Freund Raaga hatte es ihm vor einem guten Jahr gegeben, nachdem er ihn in dieser Form der Jagd unterwiesen hatte - "Was für eine Verschwendung von Zeit", dachte sich Atheris, der keinerlei Geduld für sowas hatte und deswegen das Garn immer noch unbenutzt war - bis jetzt zumindest. Auf allen Vieren näherte sich der Hexer erneut dem Loch, befestigte die Schnur an der Laterne und entzündete diese mit dem Hexerzeichen "Igni" ... Atheris lächelte. Es war noch nicht solange her, dass er die Zeichen von Valerian gelernt hatte und inzwischen klappten sie doch immer besser und erwiesen sich der weilen als äußerst nützlich. Langsam ließ er die brennende Lampe in den Abgrund hinab. Von der Öffnung aus sah Atheris, wie das Licht der Lampe einen kuppelförmiges Gewölbe ausleuchtete. "Definitiv elfisch!" stellte der Hexer fest, als er die Zeichen an den Säulen des Raumes betrachtete. Dann ging auf einmal alles ganz schnell, etwas bewegte sich am Boden entlang ... schnellte nach oben ... und riss die Laterne aus der Luft und verschwand darauf hin wieder in der Dunkelheit. "A d'yaebl aép arse!" fluchte Atheris und rollte sich zur Seite - und das keinen Moment zu früh, denn nur einen Wimpernschlag später zerfetzten scharfe, behaarte Krallen den Rasen an der Stelle, wo er eben noch gelegen hatte. Der Hexer umschloss den Griff seinen Silberschwertes fest und Hieb mit aller Kraft auf die Klaue. Die scharfe Klinge zerschnitt Fleisch, Sehnen und Knochen ... das Wesen verlor den Halt und stürzte mit einem widerlichen Heulen in die Tiefe. Für einen Moment herrschte Stille, und Atheris konnte nur seinen eigenen Atem wahrnehmen. Er merkte, wie das Adrenalin in seinen Adern kochte und seine Muskeln zum zerreißen gespannt waren. Dann vernahm er das Wehklagen des Monsters, dass er soeben auf den Boden des Gewölbes zurück geschickt hatte, und nur wenige Augenblicke später vielen weitere Stimmen in das Wehklagen ein. "Sheyss!" entfuhr es dem Hexer, der die Laute mit weit aufgerissenen Augen vernahm. Alle Vorsicht vergessend, sprang er vom Boden auf, rannte zu dem schwarzen Hengst, der die immer lauter werdenden Rufe ebenfalls vernahm und nervös anfing auf der Stelle zu treten. Mit einem Streich durchtrennte Atheris das Seil, schwang sich auf das Tier und gab ihm die Sporen. Er brauchte sich im Sattel nicht umzudrehen - was immer auch aus der Ruine an die Oberfläche gelangt war, verfolgte ihn durch das Unterholz. Seine feinen Ohren hörten, wie die Verfolger aufschlossen. Kurz bevor er den Weg erreichte, holte ihn eine der Bestien ein und setzte sich Links neben ihn. Ein unerfahrender Reiter wäre vielleicht in Panik geraten, aber Atheris hatte den Großteil seiner militärischen Laufbahn auf den Rücken eines Pferdes verbracht, und nun tat er das, was er immer in so einer Situation unternahm. Mit dem rechten Schenkel gab er Ker'zaer das Zeichen, nach Links auszubrechen, direkt in den Angreifer hinein. Das Wesen war von dem Manöver überrascht und wich zuspät aus. Der mächtige Körper des Hengstes drückte die Bestie gegen einen Baum, gefolgt von einem Streich der Hexerklinge, der das Wesen für immer zum verstummen brachte. Kurz darauf erreichte Atheris endlich den Weg und das keinen Moment zu früh. Drei weitere dieser Wesen folgten ihm auf den Weg und setzten weiter nach. Doch ohne das Unterholz konnte Ker'zaer endlich in den gestreckten Galopp wechseln. Die Wesen konnten die Geschwindigkeit für einige Zeit noch mitgehen, aber nach und nach fielen sie weiter ab, bis sie endlich die Verfolgung einstellten. Der Hexer ging kein Risiko ein und ließ den Hengst noch eine Weil im gestreckten Galopp Distanz zwischen sich und die Angreifer bringen. Erst nachdem er sich ziemlich sicher war, dass er nicht mehr eingeholt werden würde, ließ er das Pferd zunächst im versammelten Galopp wechseln, bevor er dann die Zügel lang lies und sich das Tier erholen konnte. Um eine mögliche Verfolgung seiner Fährte zu verhindern, ritt er einen Umweg, der ihn eine Weile durch ein Flussbett führte.

Gegen Mitternacht erreichte der Nilfgaarder schließlich wieder den Gasthof. Als er durch das Hoftor ritt, fiel ihm das im Wind wackelnde, alte Schild in die Augen - 'Zum treuen Freund' stand dort unter dem Kopf eines Hundes in großen Lettern geschrieben. Die dicken Mauern und das schwere Holztor versprachen Sicherheit für die Nacht, die Atheris nach dem erlebten gerne in Anspruch nahm. Nachdem Atheris seinen treuen Begleiter versorgt und mit einer extra Portion Hafer belohnt hatte, machte er sich auf zum Haupthaus. Der Schankraum war leer und so ging er weiter die Treppe hinauf zu den Zimmern. An seiner Tür angelangt, öffnete er diese, zog seine Ausrüstung aus, wusch sich in der kleinen Wasserschüssel, die auf einer Kommode neben dem Bett stand, den Dreck aus dem Gesicht und von den Händen, setzte sich aufs Bett und zog die Silberklinge aus der Scheide. Er reinigte sie gründlich von dem Blut, dass sie vergossen hatte. Jenes Blut sammelte er in einer kleinen Schüssel, vielleicht konnte Gabhan damit etwas anfangen. Gerade als er dabei war, die nun sauberer Klinge wieder weg zu stecken, hörte er, wie sich die Tür hinter ihm öffnete. Er brauchte sich nicht umzudrehen, seine feine Nase verriet ihm, wer ihn da besuchen kam und als sich das hübsche Gesicht in der blanken Klinge spiegelte und die sanften Arme sich um den muskulösen Oberkörper des Hexers schlossen, ließ er sich zurück ins Bett sinken und ... nur der Geruch nach Hund verfolgte ihn bis in seine Träume.

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Gabhan - 
Gegenwart - Antherion

Sanfte Finger krochen über Atheris Rücken, krallten sich verlangend in seinen Rücken. Wollten eine zweite Runde. Verlangen. Animalisches Verlangen. Lange Finger krallten. Lange Krallen. Animalisches Verlangen. Welches verlangen sich hier stillen sollte erfuhr Atheris niemals. Zumindest nicht mehr aus dem Mund der Schankmaid. Die Tür zu seinem Raum krachte derart gewaltig, als schwere Stiefel mit einem Tritt gegen das Schloss diese aus den Angeln brachen.

Der Mond beschien die Gestalt Gabhans, gekleidet in etwas was nur entfernt seinem langen Gambeson ähnelte. In den Händen hielt er einen langen Zweihänder. Eine andere Waffe als jene, die er normalerweise trug. Gabhan hatte in Solonia mit Einhändern gekämpft. Und mit Einhändern kämpfte er noch immer gerne. Doch die jetzige Waffe in seiner Hand war länger. Eine einfache Klinge. Nicht sehr elegant. Aber tödlich. Ein schneller Hieb, geführt durch die hand am unteren Knauf, gelenkt durch eine Leichte Drehung nahe der Parierstange. Stahl zischte durch die Luft, ehe die Flache Seite der Klinge mit solch einer Gewalt gegen die Schankmaid traf, dass diese von Atheris gerissen wurde und schreiend auf dem Boden aufschlug. Oder das, was einst die Schankmaid gewesen war. Denn hier, im Schein des Halbmondes kauerte eine haarige Gestalt mit ausgeprägten animalischen Zügen. Auch sonst schien alles, was das Mädchen einst ausgezeichnet hatte ausgeprägter und animalischer zu sein. Gabhan warf Atheris keinen Blick zu, ließ das Mädchen nicht aus den Augen, während er das Schwert hob, die Spitze auf das Mädchen gerichtet. Es hieß Hexer hätten zwei Schwerter. Silber für Monster. Stahl für Menschen. Es war ein Ammenmärchen. Beide waren für Monster, gab es doch auch jene, die Stahl und Eisen mehr fürchteten als Silber. Solche, die Messing und Zink benutzten, wenn sie unter Menschen leben wollten.

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(Quelle: https://www.artstation.com/artwork/d5blW)

"A d'yaebl aép arse!" schrie Atheris, rollte sich vom Bett und hatte innerhalb eines Wimpernschlages ebenfalls seine Silberklinge gezogen. "Kathrin? ... Gabhan ... was ist los?" fragte er sichtlich irritiert. Der Bärenhexer, der das Wesen, dass sich Kathrin nannte nicht aus den Augen lies antwortete in einem dunklen, leisen Tonfall: "Antherion, Atheris. Das ganze Dorf..." Atheris bekam große Augen und sein Blick fiel wieder auf Kathrin, die sich in der Ecke zusammengekauerte hatte und sie aus großen gelben Augen anblickte ... diese treuen Augen, wie sie nur ein Hund hatte. "Antherion ... Formwandler! Das Gegenstück zum Werwolf, wenn ich mich an Valerian's Unterricht richtig erinnere! Woher wusstest du ..." Atheris hielt im Satz inne, als er die Blutpfütze bemerkte, in der Gabhan stand und erst jetzt sag er, dass die alte, blaue Tunika, die der Bärenhexer trug an der Brust zerfetzt war und sich drei böse klaffende Wunden zeigten. Er war also auf unliebsame Weise auf das Geheimnis des Dorfes gekommen. Atheris setzte über sein Bett, blickte raus auf den Flur und sah einen erschlagenen Formwandler am Boden liegenden. Er schloss das was von der Tür übrig geblieben war hinter sich, rannte zu seiner Ausrüstung und öffnete eine kleine Holzkiste. Er suchte den Trank mit der Aufschrift 'Schwalbe' und warf sie Gabhan zu. Ohne zu zögern, zog dieser mit den Zähnen den Korken aus der Flasche und leerte den Inhalt in einem Zug. Sogleich fingen seine Adern an zu pulsieren und die Farbe wich aus seinem Gesicht, was den sonst schon so hellhäutigen Skelliger fast gespensterhaft aussehen lies. Nachdem Gabhan für den Moment versorgt schien, näherte er sich langsam dem Antherion, den er als Kathrin kannte. "Geht es dir soweit gut?" fragte er mit ruhiger Stimme und kniete sich vor sie auf den Boden. Atheris konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihm etwas böses wollte, sie hatte in den letzten Tagen und Nächten genug Möglichkeiten gehabt, ihn zu töten. Das Wesen musterte Gabhan ängstlich und sie brachte nur ein Winseln hervor, dass durch einen kläglichen Laut unterbrochen wurde, als Atheris ihren Arm berührte ... er war gebrochen. "Was nun?" fragte Atheris und schaute zum Bärenhexer auf. "Wir müssen hier verschwinden, solange wir noch die Möglichkeit dazu haben..." knurrte dieser als Antwort. Recht hatte er, es war keine gute Idee es mit einem ganzen Dorf dieser Wesen aufzunehmen. Was den Greifenhexer allerdings stutzig machte war die Tatsache, dass bisher kein weiteres dieser Wesen bei ihren Zimmern aufgetaucht war! In aller Eile zog sich Atheris das notdürftigste an und holte anschließend aus seinem Holzkästchen eine Flasche mit einer grünlich-kristallinen Flüssigkeit. "Eisensulfat!" stellte Gabhan fest, nachdem er daran gerochen hatte. "Richtig! Das Klingen-Öl hat Valerian vor einiger Zeit in der Leuenmark hergestellt um eine Bande von Blutkappen zu jagen." bestätigte Atheris die Annahme. Beide behandelten ihre Schwerter mit dem Öl, und packten dann ihr Hab und Gut zusammen - zum Glück reisten Hexer in der Regel mit leichten Gepäck.

Als sie an der Leiche des zweiten erstochenen Antherions vorbei kamen, gab Kathrin, die sie mit genommen hatten, eine Art leises Winsel von sich. Wortlos schritten sie die Treppe hinunter und durchquerten den immer noch leeren Schankraum. So leise wie möglich überquerten sie den Innenhof zum Stall. Der schwarze Hengst begrüßte sie mit einem nervösen Schnauben, auch das Tier merkte offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. "Er kann uns für eine Weile beide tragen, Gabhan!" flüsterte Atheris, als er das gesattelte Pferd beim Zügel nahm und hinaus führte. An der Tür wendete sich der Nilfgaarder zu Kathrin um und flüsterte:" Was auch immer du von uns glauben magst, es war nie unsere Absicht jemanden zu schaden! Unsere Wege trennen sich nun hier, lebe Wohl!"

Elegant schwang sich Atheris in den Sattel und reichte Gabhan die Hand um ihn ebenfalls aufs Pferd zu ziehen. Mit einem tiefen brummen nahm dieser die ihm ausgestreckte Hand entgegen und lies sich helfen. Die raubtierhaften Augen des Zunftbruders konnte er deutlich erkennen, dass dieser nur widerwillig Hilfe annahm. Leis schritt der Hengst mit den beiden Hexern auf dem Rücken durch das Hoftor, wobei das Schild mit dem Hund darauf leise im Wind quietschte. Kaum hatten sie das Tor passiert, schlugen ihre Amulette an und wie aus dem Nichts heraus waren sie von den Dörflern umzingelt. "A d'yaebl aép arse!" fluchte Atheris und Gabhan hinter ihm knurrte"Die Bastarde haben sich hinter einer Illusion versteckt ... diese ... Hunde!" Es war nicht das erste Mal, dass Atheris zu Ross auf eine Scharr blickte, die sich mit Sensen, Heugabeln und einfachen Spießen auflehnten. Bei Brenna war es vor allem der Mut dieser einfachen Menschen gewesen, die bereit waren für ihr Land ohne jeden Schutz zu kämpfen ... auch wenn sie dies aus falschen Motiven taten. Hier und jetzt war es ähnlich, die Dorfbewohner in ihrer natürlichen Wolfsgestalt hatten sich bewaffnet und stellten sich den Hexern entgegen. "Seltsam ... sie bräuchten doch eigentlich keine Waffen!" stellte Atheris trocken fest. "Sie sind keine Krieger! Es sind Bauern und Handwerker. Man kann ihre Angst riechen" antwortete Gabhan, der inzwischen in der einen Hand sein Schwert hielt und in der anderen einen Trank mit der Aufschrift 'Donner'. Die Zeit schien still zu stehen ... Atheris war sich ziemlich sicher, dass sie einen Durchbruch und damit die Flucht schaffen konnten, lediglich die magischen Fähigkeiten konnte er nicht einschätzen. Es war die Stimme von Kathrin, welche die Stille durchbrach. In einer den beiden unbekannten Sprache redete sie auf die versammelte Dorfgemeinschaft ein, was ein paar besonders aggressiven Artgenossen mit einem lauten Knurren quittierten. Immer wieder flogen die Worte hin und her. Ein besonders alter Antherion trat schließlich hervor, was die anderen verstummen lies.

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Gabhan hielt sich nur mit Mühe auf dem Rücken des Pferdes. Er war kein geübter Reiter, die Anwesenheit der Ungeheuer machte ihn unruhig und das beständige Zucken seines Amuletts sorgte nicht dafür, dass sich seine Anspannung beruhigte. Viel mehr verstärkte es sie noch, da er befürchten musste, dass er sich in allzu naher Zeit ein für alle mal beruhigen würde.

Noch dazu war die Schwalbe, die Atheris ihm gegeben hatte nicht sonderlich gut bekommen. Der Schmerz, statt beinahe augenblicklich aufzuhören ebbte nur langsam ab, das Gebräu brannte im Rachen und er spürte, wie sein Organismus Probleme damit hatte den Trank nützlich zu verarbeiten. Er erinnerte sich an Grazynas Kommentar zu diesem Thema. Das die Tränke der verschiedenen Schulen auf die vorherrschende Mutation angepasst worden und alles, aber nicht identisch waren und er verfluchte sich selbst. Wenn er hier ins Gras beißen würde - und ins Gras beißen musst er, das war so gut wie sicher, dann sollten seine letzten Gedanken nicht der Zauberin gelten.

Ihm gefiel nicht in welche Richtung das hier ging. Gefiel nicht die Mordlust in den Bestienaugen. Gefiel nicht wie sich ihre Lefzen verzogen - und ganz und gar nicht gefiel ihm, dass sie ihnen ausgeliefert waren und das verdammte Tier unter ihm verwehrte ihm jedwedes Körpergefühl, während er kalte Schweiß auf seiner Stirn stand. Seine Tunika konnte das Blut schon lange nicht mehr aufsaugen und er tropfte das Pferd voll, dessen Ausbildung als Schlachtross alleine wohl verhinderte, dass es durchging. Gabhan fluchte.

"Hört mir gut zu..." begann er leise und seine raubtierhaften Augen glitten über die anwesenden Monster, während er vom Rücken des Pferdes rutschte. Er stieß seinen Anderhalbhänder vor sich in den Boden. "Wir wollten euch nichts. Euer kleines Leben interessiert mich einen Scheiß. Wir wollten hier nur durchziehen. Mehr nicht. Und ich habe keine Ahnung was der große Idiot da entdeckt hat. Und es interessiert mich auch nicht. Ihr habt mich angegriffen. Fein. Euer gutes Recht. Ich habe einen von euch getötet. Und noch einen auf dem Weg zu ihm!" er deutete mit dem Daumen zu Atheris, verkrampfte die Hand. "Denn ihr lasst eure Finger besser von dem Kerl da. Hey! Schau mich an. Ich bin es, den ihr wollt. Ich bin der Mann mit dem Schwert. Der Mann, der bereits das Blut von zwei von euren Leuten vergossen hat, die geglaubt haben die Helden spielen zu müssen. Ihr wisst ganz genau was ich bin. Und ihr wisst ganz genau was er ist. Ihr kennt uns. Kennt das Medaillon. Wisst, wer euch in die Wildnis getrieben hat, vor all den Jahrhunderten. Ich seh' es in euren Augen. Ihr wisst wozu wir fähig sind. Wir wollen es nicht. Wollen euch nichts antun. Nicht mehr. Nicht heute. Heute ist genug Blut vergossen worden. Aber wenn ihr glaubt - wenn ihr wirklich glaubt, dass Rache nun angemessen ist und wenn eure Eltern euch auch nur eine einzige Geschichte über uns Hexer erzählt haben. Dann tut das einzig vernünftige - und lasst es einen anderen zuerst versuchen."

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Atheris sah mit an, wie Gabhan vom Pferd stieg und mit knurriger Stimme die Wesen einzuschüchtern versuchte ... und bei vielen von ihnen sah er tatsächlich die Angst vor den Hexern in den Augen. Einzig die kleinere Gruppe, die immer wieder aggressiv dazwischen Fauchte, bildete eine Ausnahme. Er zählte etwa sieben von ihnen vielleicht auch acht, das war immer noch gefährlich ... aber besser wie das ganze Dorf. Drei dumpfe Schläge ließen die Antherion verstummen und Atheris lenkte seine Aufmerksamkeit ebenfalls zu der Quelle des Geräusches. Der Alte hatte mit seinem stützenden Stab gegen ein Fass getrommelt, um endlich für Ruhe zu sorgen. Das Wesen wartete einen Moment und musterte die beiden Hexer. "Vatt'ghern ... wir kennen die Geschichten über euch und was ihr seit Jahrhunderten unseres gleichen antut!" er machte eine kurze Pause und musterte seine Artgenossen, bevor er fortfuhr. "Wir haben uns hier in eine abgelegene Region zurückgezogen und leben friedlich zusammen, Reisenden bieten wir in unserer Taverne eine sichere Unterkunft für die Nacht an und mit den Nachbargemeinden treiben wir Handel! ... " wieder machte der Alte eine Pause und Atheris registrierte, wie die meisten Dorfbewohner zustimmend nickten. "Selbst dich ... Atheris ... haben wir tagelang in unseren Reihen als Gast aufgenommen und behandelt, obwohl viele große Bedenken bezüglich eurer Anwesenheit in unserem Dorf hatten. Warst du auf der Jagd nach uns? Hast du uns studiert? Wir wissen es nicht, aber es war friedlich und die Frucht legte sich ein wenig ...!" wieder machte der Dorfälteste eine Pause. Atheris lies seinen Blick schweifen, der Alte hatte mit seinem Gerede und seiner ruhigen Stimme dafür gesorgt, dass der Großteil der Bewohner ihre Mistgabeln und Sensen gesenkt hatten ... jetzt wäre der optimal Moment für eine Flucht gewesen, aber Gabhan hatte das Pferd verlassen und war bereit sein Leben für den Nilfgaarder zu lassen und zudem glaubte er, dass sie hier durchaus eine Möglichkeit hatten, friedlich aus der Sacher heraus zu kommen ... also hieß es abwarten und bereit bleiben. "Warum hast du unsere Leute angegriffen Atheris ... was wollt ihr von uns?" stellte der Alte die wohl entscheidende Frage, wie es weiter gehen würde.

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Gegenwart - Zeit der Wahrheiten

Atheris spürte wie die Blicke des gesamten Dorfes auf ihm ruhten, lediglich Gabhan lies sich nicht beirren und stand breitbeinig vor seinem Schwert und beobachtete die Wesen mit seinen raubtierhaften Augen. Der Nilfgaarder bemerkte, wie sich langsam eine kleine Pfütze unter dem Zunftbruder bildete ... Valerian hatte ihm erzählt, dass die Mutationen der Schulen unterschiedlich ausfielen und somit die spezifischen Tränke trotz der Ähnlichkeit zum Teil einen anderen Wirkungsgrad erzielten. Er hatte es am eigenen Leib im Unterricht erfahren, da er seine Mutation bei der damals im Kaiserreich ansässigen Vipernschule die Kräuterprobe durchgemacht hatte. Atheris wendete seinen Blick ab von Gabhan und ließ ihn über die Reihen der Wesen schweifen. In solchen Fällen half erfahrungsgemäß nur die Wahrheit ... und er hatte ja auch in der Tat nichts zu verbergen. "Gabhan und ich haben uns vor fast einem Jahr, als wir uns das letzte Mal getroffen hatten, verabredet. Den Treffpunkt haben wir damals mehr oder weniger per Zufall gewählt. Aufträge für unsere Zunft gibt es eher in weniger dicht besiedelten Regionen ... wie eurer." Jetzt war es an Atheris eine kurze Pause zu machen und die Reaktion der Wesen zu beobachten, bevor er fortfuhr: "Gestern Vormittag haben wir uns dann schließlich getroffen und mein Zunftbruder hier zeigte mir eine alte, verwitterte Karte, die den Weg zu einer alten elfischen Ruine hier in der Gegend beschreibt ... wir sind auf einer Schatzsuche ... wir suchen nach alten Runen für unsere Silberklingen!" Atheris zeigte langsam mit seinen Finger auf sein Schwert und die goldenen Runden, die dort eingearbeitet waren, bevor er mit ruhiger Stimme weitererzählte: "Was heute passiert ist, war zu keinem Zeitpunkt eine Absicht von uns. Ich bin heute Morgen zu einem Ausritt aufgebrochen und habe dabei an einer alten Brücke südlich von hier eine Pause eingelegt ... beim Rückweg schlug mein Medaillon an ... es erkennt gewirkte Magie ... ihr kennt vermutlich die Geschichten ... ich folgte der Fährte zu einer kleinen Lichtung und dort brach ich in ein Gewölbe ein ... ein elfisches Gewölbe." Atheris machte eine Pause, weil etwas wie ein Raunen durch die Reihen der Wesen ging. "Ich wollte wissen, was ich gefunden habe und lies eine Laterne in die Dunkelheit herab ... und dann folgte der Angriff durch einen von Euch!" Ein wildes Knurren war nun zu vernehmen, die Gruppe der aggressiven Antherion schien langsam die Kontrolle zu verlieren, lediglich einer von den vorher gezählten blieb ruhig und starrte Atheris geradewegs in die Augen. Erst jetzt bemerkte der Hexer, wie dieser eine seine Klaue unter einem Tuch versteckte. "Ich trennte einem von den Angreifern die Klaue ab, mit der ich angegriffen wurde ... und die dadurch gewonnene Zeit nutzte ich zur Flucht, bei der ich wiederum verfolgt und angegriffen wurde!" Die Unruhe unter den Antherion wurde größer und er fuhrfort. "Nach meiner gelungenen Flucht und der Rückkehr des Gasthauses wurde mein Zunftbruder Gabhan hinterrücks von einem weiteren Antherion angegriffen ... und nun sind wir hier!" Die letzten Worte von Atheris verursachten ein noch größeres Wirrwar und der Alte schaffte es trotz mehrfacher Schläge gegen das Fass keine Ruhe mehr zu schaffen. Das aggressive Rudel schien sich verbal gegen die übrigen Dorfbewohner zu rechtfertigen müssen ... die Aggressionen lagen nun spürbar in der Luft und Atheris schloss seine Hand fester um den Griff seiner Klinge. Der Alte schritt zwischen die sich bildenden Fronten und konfrontierte die auffällige Gruppe in seiner Sprache. Es war der ruhige, zurückhaltende, der auf einmal nach vorne schoss, die eine Klaue die er noch hatte gekrümmt zum Angriff auf den Dorfältesten. Eine im Halbmondlicht aufblitzende Klinge schnitt nicht nur die Luft in Zwei, sondern ließ den einhändigen Angreifer zerteilt zu Boden sinken. Nun brachen alle Dämme, die übrigen der aggressiven Gruppe gingen ebenfalls auf die umstehenden Artgenossen los und das Blutbad, das Atheris und Gabhan vermeiden wollten nahm seinen Lauf.

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Es war immer das selbe. Seit Anbeginn der Zeit schlugen sich vernunftbegabte Wesen aus nichtigen Gründen die Köpfe ein. Jene Wesen ohne Vernunft aber zeigten wenigstens noch den Respekt voreinander sich nur aus guten Gründen zu töten, wenn es solche denn gab: Überleben und Hunger. Und auch die Antherion, so wenig sie auch Menschen sein mochten, ähnelten in dieser Hinsicht den Menschen und allen anderen Vernunftbegabten Wesen: Sie waren klug genug um Waffen herzustellen und dumm genug sie zu benutzen.

Was immer hier gerade geschah, das geschah nicht ihretwegen. Zumindest nicht vorrangig. Sie mochten Auslöser, aber niemals Grund gewesen sein. Das Blutbad, dass sich hier anrichtete war von solcher Art, wie es nur aus lang sitzendem und tief liegenden Hass erstehen konnte. Ein Hass, der sich tiefer Fraß als die geschlagenen Wunden reichten. So tief, dass selbst das vergossene Blut ihn nicht aus den so vernunftbegabten Wesen herausspülen konnte.

Gabhan sah aus dem Augenwinkel, wie Atheris schon im Begriff war das Schwert zu nutzen um an Seite jener Antherion zu kämpfen, die sich hier nicht gegen sie ausgesprochen hatten. Doch das wiederum war eine ausgesprochen dumme Idee. Gabhan scheute keine Sekunde und schlug dem Hengst seines Zunftbruders auf die Flanke, so das dieser mit einigen Sprüngen aus der unmittelbaren Front preschte. Gabhan selbst machte eine halbe Pirouette, riss sein Schwert aus dem Boden und war klug genug es in einer flüssigen Bewegung selbst wieder in die Scheide zu stecken um nicht als unmittelbares Ziel zu gelten, während sich hinter ihnen die Antherion gegeneinander bekämpften und mit Fleiß zur der Ausrottung der eigenen Rasse beitrugen.

"Es ist nicht unser Problem Atheris!" knurrte Gabhan, der sich konzentrierte und mit einer Hand das Zeichen Quen formte, während er Atheris und seinen Gaul an die Seite einer Hauswand zurück drängte. Ein goldenes Licht ergoss sich aus seiner Hand, formte undeutlich einen Schild um sie beide herum. "Und ich werde nicht zulassen, dass du es zu unserem machst. Töte wer immer sich uns nährt wenn du musst - aber wir mischen uns hier nicht ein. Viel zu gefährlich. Schau nicht so, steig lieber von dem Scheißgaul, bevor dich irgendwas am Kopf trifft!" er beobachtete nervös die kämpfenden Wesenheiten, deren Kraft selbst ihm Furcht einflößte. Er erkannte keine Lücke in den sich balgenden Reihen aus Zähnen und Klauen, keine Möglichkeit wie sie entkommen konnten, ohne selbst Gefahr zu laufen in einen Nebel aus Blut verwandelt zu werden. Immer wieder knallten zwei Kämpfende Antherion gegen sein Schild, dass Funken stieben. Er spürte den Druck, als würde ein Rammbock gegen seinen Arm krachen, doch er hielt stand, Schweißperlen auf der Stirn und mit genug Hoffnung im Herzen, dass - sobald sich der Nebel des Krieges lichtete - sich eine Möglichkeit zur Flucht ergab. Doch er spürte, wie er im selben Maß schwächer wurde, wie sich der Boden unter ihm durch sein eigenes Blut aufweichte.

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Atheris hasste es neutral zu bleiben, aber Gabhan hatte Recht, dieser Kampf ging sie tatsächlich nichts an. An die Hauswand zurückgezogen beobachtete er an der Seite des Bärenhexers das Gemetzel ... und er war froh nicht mitten drin zu stecken. Die animalische Wildheit, mit der die beiden Parteien aufeinander losgingen, hatte er in dieser Form noch nicht gesehen. Gabhans Schild schützte sie vor ungewollten Angriffen. Auf einmal fing der magische Schild an zu flackern, nur um kurz darauf im Nichts zu verschwinden. Atheris wirkte seinerseits das Hexerzeichen 'Quen' - und stellte sich über den inzwischen zusammengeklappten Bärenhexer. "A d'yaebl aép arse!" schimpfte der Nilfgaarder, als sich das Zentrum des Kampfes immer mehr zu ihnen verlagerte und sie kurz darauf mitten drin waren. Immer wieder prallten die Kombattanten gegen den Energieschild und Atheris, der weit davon entfernt war, das Zeichen wie Gabhan zu wirken, erkannte die Aussichtslosigkeit ihrer Taktik. "Tut mir leid Gabhan!" stöhnte er und lies das Zeichen zusammenbrechen. Er packte den in seiner eigenen Blutlache liegenden Hexer unter den Armen und stemmte ihn hoch und legte ihn dann über den Sattel seines Pferdes, das verdammt unruhig hinter ihnen auf der Stelle trampelte. Ein Kneul aus zwei ineinander verbissenen Antherion begrub Atheris unter sich. Tritte ... Schläge ... und Klauen trafen ihn und es dauerte einen Moment, bis er sich von den Beiden wieder trennen konnte. Schnell rappelte er sich wieder auf, griff sich die Zügel und zog seine Silberklinge ... Neutralität konnte er sich nicht mehr leisten, er musste Gabhan hier so schnell wie möglich rausbringen. Es fühlte sich unreal an, als er das Pferd mitten durch die kämpfenden Antherion führte und mehr als einmal hatte er Glück, dass ein Angriff ihn verfehlte oder der Hieb von einem anderen Antherion abgefangen wurde. Selbst wenn er gewollt hätte, er konnte die unterschiedlichen Parteien nicht mehr auseinander halten. Endlich schafften sie es wie durch ein Wunder zum Tor des Gasthauses mit dem im Wind quietschenden Schild. Er führte das Pferd mit dem Bären auf dem Rücken zum Stall und öffnete die Tore zum Stall. Als er sich wieder zum Pferd umdrehte scheute dieses und wich zurück. Atheris Hand umschloss die Klinge in seiner Hand fester und drehte sich langsam um. Sein Blick wanderte nach oben und dort erkannte er die Ursache für das Verhalten seines Schlachtrosses. Es war ein ziemlich großer, weißer Antherion, der auf dem Vordach sprungbereit kauerte und ihn mit seinen blutroten Augen fixierte. "Se'ege na tuvean" schrie der Nilfgaarder und machte sich bereit, für das was da kommen mochte.

Das Adrenalin im Blut erreichte seinen Höhepunkt ... seine Sinne waren komplett fokussiert auf seinen Gegner ... die massiven Muskeln waren wie Drahtseile angespannt und die scharfe Klinge mit den goldenen Runen leuchtete im Mondlicht. Er sah das Zucken der Muskeln unter dem weißen Fell ... die roten Augen musterten ihn ... seine oberen Lefzen waren gebleckt, um das kräftig Gebiss voll und ganz zur Schau zu stellen, die Ohren als Zeichen der Aggression nach hinten gelegt und der Schwanz steif nach oben gereckt, um Dominanz zu markieren. "Aâ'anval...bleidd !" flüsterte Atheris laut genug, dass ihn der Antherion gerade so hören musste. Dann ohne Vorwarnung richtete sich der Weiße auf, gab ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich und machte sich dann über das Dach des Stalles davon. "Was bei der großen Sonne war das jetzt!" wunderte sich der überraschte Atheris und bemerkte erst jetzt die Ansammlung der Wesen um ihn herum. Die Schlacht schien entschieden zu sein ... und Kathrin trat an ihn heran. "Atheris, wenn du es wünschst, darfst du deinen Freund in die Gaststätte bringen, ich denke er braucht Hilfe!"

how to continue?
Gabhan
Vor langer Zeit - Pilze
Viele Jahre zuvor wird Gabhan der Kräuterprobe unterzogen
Gabhan
Eine Woche später - Der Fluss der Zeit
Gabhans Verletzungen halten die beiden Hexer noch eine Weile auf, währenddessen werden neue Wahrheiten und Lügen ausgetauscht.
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Gabhan - 
Vor langer Zeit - Pilze

Am dritten Tag waren alle Kinder gestorben, ausgenommen ein Knabe von kaum zehn Jahren. Dieser, zuvor von heftigen Konvulsionen geschüttelt, fiel mit einem Mal in eine tiefe Ohnmacht.


„Iss auf Junge!“

Gabhan hob den Blick von der grob gedrechselten Holzschale, in der etwas schwamm, dass aussah wie aufgedunsene Teile von etwas, das nicht aufgedunsen sein sollte. „Ich bin satt,“ antwortete der Junge und blinzelte aus wässrigen, grauen Augen zu seinem Gegenüber. Seine Augen waren bereits seit einer ganzen Weile wässrig. Sie vertrugen die kalte zugige Bergluft nicht. Vertrugen die eisige Kälte nicht, die den Atem gefrieren ließ, wenn man die wärmende Umgebung des Kamins verließ. „Ich will noch was von dem Saft!“ – „Kein Saft. Du hast genug von dem Saft bekommen. Iss auf sag ich, Hosenscheißer“ – „Bin kein Hosenscheißer!“ – „Bist du wohl und wenn du nicht gleich aufisst, dann gibt es was mit dem Riemen, dass du drei Tage nicht sitzen kannst!“

Gabhan verstummte und blickte in die Augen des anderen. Hässliche Augen waren das, sie lagen tief verborgen unter zwei mächtigen Brauen und reflektierten das Licht ganz scheußlich. Vor ein paar Wochen hatte Gabhan noch Angst vor diesen Augen gehabt. Jetzt nicht mehr. Es waren nicht die Augen, vor denen man sich fürchten musste, sondern der Riemen. Denn der Riemen – das hatte Gabhan gelernt – war noch viel scheußlicher als die Augen.

Der Junge von vielleicht zwölf Jahren zog die Nase hoch und blickte an dem bulligen Hexer vorbei zu den beiden Jungen am anderen Tisch. Habbat und Tjaske übten sich im Armdrücken. Wenn einer von ihnen gewann dann krachte es, denn die beiden Jungs waren stark – viel stärker als Gabhan und das hatten sie ihn auch spüren lassen. Hatten ihm den Arm verstaucht, als er sich auch im Armdrücken hatte messen wollen. Aber nicht sie hatten den Ärger bekommen – nein, Navrard hatte ihn mit dem Riemen verprügelt und ihn ausgelacht. Ihn einen Narren genannt und ihn trotz Schmerzen gleich dreimal die Quälerei laufen lassen. Er solle „lernen was es bedeutet ein Hexer zu sein“ hatte Navrard gesagt. Und dass er es sich hinter die Ohren schreiben solle. Das er sich nicht mit einem Gegner einlassen solle der stärker sei als er. Und dass er nie, niemals einen Hexer herausfordern solle, solange er selbst noch keiner sei.

„Junge!“ Navrard Stimme grollte wie ein aufziehendes Gewitter und riss Gabhan aus seinen Gedanken. „Ich sagte du sollst die Pilze essen!“ Der Junge schluckte und sah wieder hinunter auf die Holzschale. „Aber ich habe doch jetzt schon viel mehr gegessen als Wolmer…“ versuchte er zu argumentieren, doch Navrard schüttelte den Kopf. „Du bist auch älter als Wolmer. Viel zu alt vielleicht. Wenn wir wollen, dass es funktioniert wirst du mehr von den Pilzen essen!“ Gabhan blieb für einen Augenblick stumm, stocherte in seinen Pilzen herum. „Und mehr vom Saft?“ – „Kein Saft. Nicht mehr heute. Pilze Gabhan. Und Dehnübungen – du wirst später noch an den Schwengeln üben!“ Gabhans Hand verkrampfte sich. „An den Schwengeln? Aber es ist doch schon ganz finster draußen! Ich kann nichts sehen!“ – „Dann wirst du eben hören müssen. Dein Gegner wird keine Rücksicht auf dich nehmen, ganz gleich ob du was sehen kannst oder nicht. Und jetzt iss Hosenscheißer. Iss!“

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„Schnallt ihn fest. Nein, doch nicht so – fester sage ich! Die Arme und Beine darf er nicht bewegen, nicht mal ein Quäntchen – macht die Beine weiter auseinander. Nein, weiter – noch weiter! Ah, er schreit; das genügt!“ Gabhan versuchte den Kopf zu drehen, doch es gelang ihm nicht. Er spürte raues Leder an Armen, Beinen und am Hals. Und sein Kopf… sein Kopf fühlte sich so taub an und doch war da ein unausstehlicher Druck. So stark, dass er den Kopf nicht bewegen konnte. Der Druck wurde immer schlimmer, stieg mit dem Rattern einer Winde an, die er direkt neben seinem Ohr hören konnte, während sich kaltes Metall an seine Wangen presste. Er versuchte sich zu erinnern, wie er hierhergekommen war, doch das konnte er kaum. Sein ganzer Geist war wie benebelt. Nur unklar erkannte er seine Umgebung aus den Augenwinkeln. Sah Retorten und Glaskolben, große Spiegel die an der Decke hingen und mit Brenngläsern verbunden schienen, auf denen Runen unwirklich in der Dunkelheit glommen. Er spürte das Gitter unter sich auf dem er lag und das grobmaschig in seine nackte Haut schnitt. Er sah am Rande seines Blickfeldes viele Flaschen mit Etiketten die er nicht lesen konnte und andere Flaschen in denen Dinge schwammen die – da war sich der Junge sicher – ganz gewiss nicht in Flaschen gehörten.

Gabhan spürte, wie jemand das dünne Leinentuch, das man über seine Blöße ausgebreitet hatte hochhob. „Hm – beginnende Adoleszenz das macht die Kombinationstherapie mit den Viruskulturen schwierig. Der Junge ist womöglich schon viel zu alt Hexer, D‘yaebl-Schiss!“ der Mann der da sprach war in lange Roben gehüllt. Spruchbänder zierten sein Gewand und ein großer, kegelförmiger Hut schloss sein Haupt ab. „Das kann die Kontraktilität beeinflussen, womöglich zu einer Kontraktur führen! Aber was solls, mich solls nicht betreffen. Ist vielleicht ein widerstandsfähiger kleiner Scheißer…“ – „Das ist er“, die dunkle Stimme Narvrads beruhigte Gabhan zumindest ein wenig, auch wenn er den Hexer nicht sehen konnte. „Hoffen wir es für ihn. Nun, wo ist die Kanüle?“

An das was folgte erinnerte sich Gabhan nicht – oder zumindest redete er sich selbst den Großteil seines Lebens ein sich nicht daran zu erinnern. Doch der Schmerz der ihm in den nächsten Tagen widerfuhr konnte nicht vergessen werden. Dieser Vernichtungsschmerz sollte sich tief in sein Gedächtnis eingraben und so war es schließlich auch nur guter Brauch – die Hexer sollten sich an die Schmerzen erinnern. Sollten sich an das erinnern was sie zu dem gemacht hatte was sie waren.

„Scheiße,“ Gabhan wusste nicht mehr wie viel Zeit vergangen war, während er sich immer wieder in Krämpfen und Zuckungen wandte, das große Brennglas über seinem Kopf auf ihn gerichtet. Er sah nur noch grelles Licht, das mit solcher Intensität schmerzte, dass er fast das reißende Spannen in seinem Brustkorb vergessen konnte. „Beim weißen Frost – die Knochenverstärkung schlägt ein wenig zu gut bei der kleinen Ratte an. Narvard, wir brauchen Bisphosphonate!“ eine lange Zeit der Stille folgte. „Das kleine Fläschchen links mit dem gelben Korken!“ Erneut wurde Gabhan ein spitzer Gegenstand in den Körper getrieben und er glaubte geradezu zu spüren, wie der Inhalt jenes Fläschchens in seinen Körper eindrang und was es mit seinem Körper anrichtete. Erneut warf er sich in blinder Verzweiflung gegen die Riemen, doch dann schaltete sein Verstand aus.

Als er das nächste Mal zu sich kam war das Licht nicht mehr auf seine Augen gerichtet – dennoch brannten sie noch immer und er spürte auch noch immer das mittlerweile gestockte Blut in seinen Augenwinkeln, welches unangenehm auf der Haut spannte und das ausgetreten war als sie ihm… Er wollte nicht darüber nachdenken was sie mit seinen Augen getan hatten, wollte sich nicht an dieses furchtbare Geräusch erinnern. Und er musste sich auch nicht erinnern, denn der Magier schickte sich an diese Erinnerung durch eine noch viel Grausamere zu ersetzen. Denn das Licht war nicht aus purer Herzensgüte von seinem Gesicht genommen worden. Nein, der Zauberer hatte es einem neuen Zweck zugeführt und leuchtete nun damit auf Gabhans Brustkorb und Rippen – denn die Rippen waren es, die Gabhan sehen konnte. Weiss und wulstig schimmerten sie zwischen roten Muskelfasern hervor, die bei Seite geklappt worden waren, wie Seiten in einem Buch. Gabhan schrie, als der Zauberer erneut den Hobel ansetzte und das wegschliff was Bisphosphonate, Selbstheilung, Kräuterprobe und Zauberei dort angerichtet hatten. Gabhan schrie, doch kaum ein Laut entrang seiner ausgedörrten Kehle, ehe ihn erneut Dunkelheit umfing.

Als Gabhan das nächste Mal erwachte war er bedeckt von kaltem Schweiß und stank zum Erbarmen. Er roch es – roch es nur zu gut. Jene Melange aus Eiter, Erbrochenem, krankem Schweiß und Exkrementen. Er roch abgestorbene Haut, spürte die offenen Wunden auf seinem Rücken, wo er sich auf dem Gitterrost wundgelegen hatte. Und er roch die seltsame Farbe, mit der man ihn bemalt hatte – die sich über Brustkorb und bis zum Bauchnabel zog und die brannte, als wollte ihm jemand die Haut abziehen. Er sah die großen Kolben die neben seinem Foltergerät standen, sah die sich windenden Spiralen in denen violette, grüne, rote und durchschimmernde Flüssigkeiten gluckerten und die – von einem Schlauch geführt – mit spitzen Gegenständen in verschiedenen Teilen seiner Bauchdecke steckten. Erneut verlor er das Bewusstsein…

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Eine Woche später - Der Fluss der Zeit

Es war hell als Gabhan die Augen aufschlug.

Aber alles mochte ihn in diesem Moment hell vorgekommen sein in diesem, jenem Moment. Seine Augen, die während seines unruhigen Schlafes noch unruhiger als der Rest seines Körpers gewesen waren, hatten sich in ihren Pupillen geweitet - und als nun das klamme Licht durch die schmalen Ritzen der geschlossenen Fensterläden fiel, stach es in die Augen wie tausend glühende Kohlen.

Sein Körper krampfte noch immer leicht nach, doch seine Muskeln waren zu schlaff und zu erschöpft um ihn wirklich noch zu beuteln. Er roch nach kaltem Schweiß. Er kannte den Geruch. Er hasste diesen Geruch. Ein Geruch nach Krankheit. Nach Siechtum. Nach Kräutern und Pilzen. Er kannte den Geruch. Es war der Geruch des Schicksals. Seines Schicksals. Tief in den Katakomben einer alten Höhle.

Der Blick seiner raubtierhaften Augen wanderte nach links, wo neben seinem Bett Atheris saß. Er streckte eine Hand aus. "Wasser..." keuchte er, nahm die Karaffe, die der Größere ihm reichte, riss sie ihm mit derartiger Wucht aus den Händen, dass seine geschwächten Arme den Krug beinahe nicht halten konnten und Atheris doch helfen musste. Er schämte sich. Schämte sich ob seiner eigenen Schwäche. Der Unbeholfenheit. Der Fehler. Er hasste dieses Gefühl. Hasste sich selbst. Hass.

Mühsam nur richtete Gabhan sich im Bett auf, dankbar um das kühle Holz der geschnitzten Rückenlehne mit den Messingbeschlägen. Messing. Antherion. Noch immer roch der Bärenhexer die Monster. Sie waren nicht fort. Und wenn sie es waren, dann noch nicht lange. Gabhan betrachtete seine Seite, den dicken Verband der dort herum geschlungen war und der noch mehr nach Kräutern roch wie er. Hagebutte. Knoblauch. Weinraute. Eine seltsame Mischung. Mit Sicherheit keine, die Atheris verwendet hätte. Andererseits...

"Was hast du mir da gegeben?" Gabhans Stimme war rau, fühlte sich an wie über ein Schmirgeleisen gezogen. Mehrfach. Von einem gewalttätigen Kleinkind. "Ich meine die Flasche auf der Schwalbe stand. Verfluchtes Teufelszeug. Hat die Blutung kein bisschen gestillt!" er blinzelte, während sein Körper sich erst langsam wieder seinem Willen unterwarf. Es benötigte wahrer Anstrengung seine Pupillen wieder auf ein gesundes Maß zu verkleinern, damit er Atheris auch wirklich erkennen, statt nur erahnen konnte.

„Eine Schwalbe, Gabhan, es war eine Schwalbe die bisher noch immer geholfen hat ...und ja mir ist durchaus bekannt, dass die Mutationen der verschiedenen Schulen, unterschiedlich auf die Tränke reagieren, aber das er keine Wirkung zeigt, habe ich noch nie gehört oder erlebt“

„Eine Schwalbe. Eine Schwalbe. Eine Plörre war das, kaum mehr wert als das Pfützenwasser, dass du ohne jeden Zweifel als Grundlage dafür genommen hast. Verteufeltes Zeug. Schau es dir an!“ Gabhan zog den Verband herunter, in Erwartung der Schmerzen, die ihn diese Geste kosten würde. Eine beinahe freudige Erwartung. Körperlicher Schmerz machte es leichter den seelischen zu vergessen. Doch da kam kein Schmerz. Keine kurze Erlösung. Das Fleisch unter dem Verband war noch gerötet, aber verheilt. „Leck mich doch…“ knurrte er und besah sich seine Bauchdecke. „Gut. Es wirkt. Verzögert.“

Atheris wirkte zufrieden "Siehst du Gabhan, sieht doch schon wieder ganz gut aus ... aber ich gebe dir Recht, du hast ungewöhnlich lange gebraucht, um wieder zu Bewusstsein zu gelangen!"

Ungewöhnlich lange. Gabhan knirschte mit den Zähnen, schien eine Erwiderung auf der Zunge zu tragen, schluckte sie jedoch unter. Ein bitterer Geschmack auf der Zunge, ob Gedanke oder Galle konnte er nicht sagen. „Wie lange?“

Atheris sah, wie Gabhan mit seiner schlechten Laune rang ... so war er ihm aber deutlich lieber, als im fiebrigen Koma. "sieben Tage Gabhan, es war eine Woche!"

Eine Woche. Eine verdammte Woche. Sie hatten Zeit verloren verdammt viel Zeit. Das er nicht sein Leben verloren hatte war nur seiner Mutation zu verdanken. Bärenhexer heilten nicht schnell, dafür aber fast alles. „Scheiße.“ Nicht gerade sprachlich geschliffen. Aber passend. Gabhan schloss die Augen, atmete tief ein und aus. Konzentrierte sich nur darauf. Atmen. „Was ist geschehen?“

Da war er wieder, Gabhan wie er ihn kannte und schätzte. Es war ein gutes Zeichen, dass er sich bereits wieder ärgern konnte und das war zunächst die Hauptsache. "Die ersten zwei Tage haben ich und der alte Heiler der Antheron um dein Leben gekämpft! Du hattest verdammt viel Blut verloren und eine deiner Rippen war gebrochen und ein Splitter hatte sich in deine Lunge verirrt! ... Nachdem du zumindest wieder stabil warst, habe ich viel Zeit mit dem Dorfältesten geredet ... und dabei viel erfahren können!"

„Du verbringst zu viel Zeit mit Valerian…“ knurrte Gabhan, noch immer mit geschlossenen Augen, wenngleich sich auch ein alter bekannter auf sein Gesicht schlich: Das schmerzhafte Lächeln. „Viel zu viel. Immer nur reden, reden reden ohne viel zu sagen. Wenn du etwas sagst, dann sag auch etwas aus. Komm zum Punkt mein Großer – was hast du herausgefunden. Nutze die Gelegenheit, ich habe kaum die Kraft aus dem Bett aufzuspringen und dir verstand einzuprügeln. Wir hätten nicht hier bleiben dürfen. Haben uns da in eine Sache reinziehen lassen. Jetzt stecken wir drin. Tief drin. Bis zum Hals in der Scheiße. Also erklär sie mir. Erklär mir die Scheiße. Ich will wissen wie sie riecht. Wie sie schmeckt und wer den verdammten Haufen gelegt hat.“

Valerian ... richtig ... von seinem Meister hatte sich Atheris viel abgeschaut in den letzten Jahren, vor allem nicht vorschnell zu Urteilen. Nur weil etwas aussieht wie ein Monster, musste es keines sein. "Das Gerede mit dem alten Antherion hat mir zwei Erkenntnisse gebracht. Die Elfenruine, die ich in der Nacht entdeckt hatte, ist ein Teilabschnitt, von dem auf deiner Karte, wir wissen also zumindest einen möglichen Eingang ... die zweite Erkenntnis ist, dass einige der Antherion aus dem Dorf einen alten Kult wiedererweckt haben, der eben jene Maeven verehrt. Der Kult wurde von den Altvorderen schon vor Dekaden verboten, denn er verhindert das friedliche Leben unter den Antherion. Durch meine zufällige Entdeckung und ihre fehlgeschlagenen Verschleierungsversuche, ist der Kult aufgeflogen und hat zu den Kämpfen geführt ..." Atheris machte eine Pause um Gabhan's Reaktion abzuwarten.

„So groß also,“ erwiderte der Hexer der Bärenschule und öffnete langsam die Augen. „Ich nehme nicht an, dass der Kult komplett vernichtet wurde und nun wieder Frieden herrscht? Ja. Das dachte ich mir. Wir haben also deinen Bruderkrieg verursacht. Warum auch nicht. Das hat auf meiner Liste noch gefehlt…“ er atmete tief ein und aus. „Das heißt in den Ruinen wird ein Teil des Kultes auf uns warten. Gut…“ ein bitterer Zug umspielte seinen Mund. „Wollen die hier lebenden Antherion womöglich ein paar Monster loswerden? Könnte ein paar Münzen gebrauchen.“

"Ja ... die Elfen waren wahre Baumeister in jener Zeit. Ich bin jedes mal von neuem Beeindruckt, wenn ich in meine Heimatstadt Beauclair komme ... aber ich weiche ab. Der Weiße und vier weitere sind geflohen und die Dorfbewohner gehen davon aus, dass sie sich in die Ruinen zurückgezogen haben. Der Dorfälteste hat mir versichert, dass die hier lebenden Antherion kein Interesse an den Ruinen haben und wir machen können, was wir wollen. Der Alte hat mich aber ausdrücklich gewarnt. Der Kult wurde verboten, weil noch nie etwas gutes aus diesen Ruinen hervorgekommen ist. Tod und Missgunst sind die Begleiter des Namen Maeven. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Kopfgeld verhandelt werden kann, die Antherion reagieren überraschend emotional, wenn es zu den Kultisten kommt ... viele erschlagene waren jüngere Bewohner, keine zwanzig Jahre alt ... der Weiße ... er war der Lehrer des Dorfes!"

Gabhans Miene wurde weicher, verlor jene Härte die er sich in den letzten 80 Jahren angeiegnet hatte und die seit Ihrem verschwinden wie in Stein geschlagen dort stand. Kinder. Es waren Kinder gewesen. Jugendliche. Verführt von den Verlockungen alter Größe. Noch naiv genug um zu glauben, dass etwas was einst war jemals wieder sein konnte. So war es schon bei den Elfen gewesen. Die Scoia'tael waren dem gleichen Irrtum erlegen. Auch hier waren es die Jungen gewesen. Die Fruchtbaren, die in den Krieg gezogen waren und damit ihr eigenes Todesurteil unterschrieben hatten. Und das ihres ganzen Volkes gleich mit. „Nein,“ erwiderte er schließlich kopfschüttelnd. „Kein Kopfgeld. Nicht diesmal. Das was wir in der Ruine finden wird uns als Bezahlung ausreichen müssen.“ Kinder. Es waren schon wieder Kinder gewesen. „Wie alt war der, den ich in der Scheune erschlagen habe?“ fragte er, beinahe zu leise um ihn noch zu verstehen.

Atheris war verwundert, er hatte Gabhan noch nie so ... so menschlich gesehen. Ja, der Volksmund sagte, dass die Hexer ihre Emotionen durch die Mutationen eingebüßt hatten, das stimmte aber nicht ... es war das Leben, dass sie führten, die oftmals die Vatt'ghern zu emotionalen Wracks werden lies. Das der Bärenhexer kein Kopfgeld mehr verlangen wollte, kam Atheris entgegen, die Antherion in dem Dorf waren schon gebeutelt genug durch die letzten Tage. "Zwanzig!" war die kurze Antwort.

Zwanzig. Zu jung um zu sterben. Aber das war man eigentlich immer. Noch nie hatte es jemanden gegeben, der zu alt zum sterben gewesen wäre. Was hätte der Antherion noch alles erleben können? Was hätte er noch tun, wen lieben können? Doch diese Gedanken änderten nichts. Sie änderten nie etwas, denn der Fluss der Zeit kannte nur eine Richtung. Etwas was verloren war kehrte nicht mehr wieder. Gabhan betrachtete Atheris eine Zeit lang. „Wie alt bist du Atheris?“ fragte er schließlich. Er hatte sich diese Frage nie gestellt. Hexer lebten lange, alterten langsam. Aber hier und jetzt erschien es ihm wichtig.

"Sechzig! ... Warum fragst du?"

„Nur so“ antwortete Gabhan. „Es kam mir immer seltsam vor, dass du ein Lehrling bei den Greifen bist. Mit sechzig war ich…“ er war auf Skellige gewesen. Glaubte er. Hatte dort Monster gejagt, ein Geschenk das Eist Tuirseach Königin Calante schenken wollte. Die folgenden Jahre…

„Aber auch das ist schon wieder eine halbe Ewigkeit her. Gut Atheris. Du willst etwas lernen. Ich will wieder Bewegung in die steifen Knochen bringen. Ich sehe keinen Sinn darin auch nur eine Stunde mit dem Aufbruch zu warten…“ er richtete sich schwankend auf. 

Atheris beobachtete, wie sich Gabhan in den Stand quälte ... er half nicht ... Gabhan würde es hassen. Während sein Zunftbruder sich anzog und seine Ausrüstung anlegte, musste Atheris über sich selbst nachdenken. Sechzig ... er hatte viel erlebt ... der Großteil seines Lebens hatte er in der kaiserlichen Armee gedient ... es war nie seine Vorsehung gewesen, den Pfad eines Hexers einzuschlagen ... aber dennoch war er hier ... Zwei Jahre war es nun her, dass er nach der ersten Schlacht um Kaer Iwhaell vom Großmeister der Greifenhexer als Lehrling angenommen worden war ... und seit dem hatte sein Schicksal eine Wendung genommen.

Einige Zeit später sah man zwei Hexer, die ungleicher nicht hätten sein können, durch das Tor mir dem quietschenden Schild schreiten. Ihr Ziel war klar, die Ruine.

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