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Die Spielercharaktere

Die Spielercharaktere sind zwei Kinder, Cassio und Consuela, die zuerst auf der Straße leben, dann sehr jung in die lokale Diebesgilde La Gazza aufgenommen werden und sich dort einen Namen machen.    

Hier steigen wir ein. Sprich: frühreife Kinder um die 12, die bereits einige Erfahrung in der rauen Welt gesammelt haben und die La Gazza im Grunde als Ersatz für ihre Familie betrachten. Ein paar Kinder-Module sollen zeigen, ob sie sich zwischen all den anderen Möchtegern-Dieben distinguieren können.

In der Vorgeschichte erzähle ich davon, was den Kindern vor der Diebesgilde widerfahren ist. Beide wuchsen zunächst in einem Waisenhaus in Castello auf, dem Ospedale della Pietà. Dies wurde ca. 1335 vom Franziskaner Frau’ Petruccio d’Assisi gegründet. Das Haus selber entstand in den Jahren ab 1346. Es diente erst für kurze Zeit als Unterkunft für Kreuzfahrer, wurde dann aber dem Franziskaner für dessen Zwecke überlassen.    

Beide können sich an ihre Ankunft dort nicht erinnern, ebenso wenig an irgendetwas davor. Irgendwann im Laufe der Zeit haben sie sich dort angefreundet. Abweichend von den historischen Fakten werden hier nicht zwei unterschiedliche Häuser für Jungen und Mädchen betrieben. Consuela vertrieb einen anderen Jungen, als dieser Cassio das Essen wegzunehmen versuchte. Er wurde dadurch ihr loyaler Freund.    


Consuela fand eine Ersatzmutter bei einer der im Waisenhaus arbeitenden Frauen, der dicken Rosana. Sie ging häufig mit ihr hinaus und sammelte Kräuter für die Küche und für Hausmittelchen. So erhielt sie ein Grundverständnis für Kräuter, die in „magischen“ Anwendungen nützlich sind.     

Aus Consuelas Sicht nahm Rosana sie unter ihre Fittiche, da sie sie für „empfänglich“ hielt. Consuela vertraute sich ihr an und erzählte, dass sie manchmal Dinge sah. Sie beschrieb Auren, Geister, etc. (Sphärenmagie, Mind, Spirit, ggfs. Entropy). Rosana beruhigte sie und erklärte, dass diese Gabe sie zu etwas Besonderem mache, dass der Herr sie beschenkt habe. Gleichzeitig warnte sie Consuela davor, die Gabe auszuplaudern.

Sie war eine Frau mit außerordentlichem Verständnis für allerlei Dinge, die das Übernatürliche betrafen. Sie klärte Consuela über Namen und deren Bedeutung auf. Sie wusste einiges über Symbolik (Wissen: Enigmas). Auch die Wichtigkeit, gewisse Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu tun (Wissen: Rituale), war ihr bekannt. All das gab sie an Consuela weiter. Es mag gut angehen, dass Rosana nicht zufällig über Consuela wachte.       

Nach einiger Zeit verschwand Rosana. Nicht auszuschließen, dass die Vampire dafür verantwortlich waren, welche sich an den Kindern labten.

Ungefähr zur gleichen Zeit begann Consuela sich eine Art Konstrukt für ihre Erinnerungen aufzubauen. Dies ist ein langwieriger Mind-Effekt, der dazu führt, dass sie jede Erinnerung in einer Gedankenbibliothek speichert und abrufen kann. Doch sie führt ihn so allmählich aus, dass es für sie nichts mit Magie zu tun hat. Ein sehr heller Geist könnte so etwas auch tatsächlich ohne Magie vollbringen.

Nach ihrem tatsächlichen Erwachen wird sie ihre Traum-Freundin dort sehen (s. unten Avatar). Um in den Palast zu gelangen, kann sie einen (zufälligen) Mind 1 Effekt wirken und meditieren (Intelligenz + Meditation, Diff. 6). Oder Lucid Dreaming.


Das Besondere an dem Waisenhaus war, dass man dort eine musikalische Erziehung erhielt, ähnlich wie in einem Konservatorium. Es wurde täglich im Chor gesungen. Dazu brachte man den Kindern sogar das Lesen bei.

Es gibt derzeit neben einigen kleineren nur zwei größere Ospedale, das Ospedale della Pietà und das Ospedale di Lazzaro dei Mendicanti auf der Insel San Lazzaro. Letzteres ist gleich nördlich des Lazzaretto Vecchio. Beide sind neben ihrer Eigenschaft als Waisenhäusern und Krankenhäusern die möglicherweise größten Zentren der Musik ihrer Zeit.

Leiter des Chores ist stets ein Mann mit dem Titel Maestro di coro. Zurzeit Arco di Faro.


Während Cassio das Leben dort schätzte und sein Bestes gab, um den Lehrern zu gefallen, hatte Consuela damit Probleme. Zwar gefiel ihr das Singen zunächst, doch nach einiger Zeit begann sie dabei Schwindelgefühle zu empfinden. Sie hörte Stimmen im Chor, die nicht von den Kindern kamen (Himmlische Stimmen). Diese wurden mit der Zeit stärker und es kamen sich wiederholende Halluzinationen hinzu. Sie versuchte sich nichts davon anmerken zu lassen, doch war dies unter den Augen der priesterlichen Lehrer nicht einfach. Die Anfälle wurden während des Chores immer regelmäßiger und heftiger. Sie hatte große Angst vor dem, was noch passieren würde. Also beschloss sie zu fliehen. Ihr Freund Cassio wollte sie auf keinen Fall alleine lassen. Der Junge besitzt ein ausgeprägtes Pflichtgefühl gegenüber Personen, die er sich nach unergründlichen Maßstäben aussucht. Consuela ist so eine Person.

Ein Vampir nutzt das Waisenhaus als Speisekammer und nascht wiederholt an den Kindern. Es ist ein Ventrue namens Markus, ein nicht allzu mächtiger Geselle. Markus ist im Alltag ein angesehener Nobile und Mitglied des Senats. Er gehört zu den größeren Unterstützern des Ospedale. Er ist als Ventrue auf kindliches Blut angewiesen. Dadurch wurden die meisten Kinder gefügig. Consuela empfing durch ihre Sehergabe Warnungen und versteckte sich jedes Mal erfolgreich (Arcane, Entropy, Schutz durch Geister – pos. Spirit Magnet). Sie hatte zwar keine Ahnung, wer dieser Fremde war. Aber sie erkannte leicht, dass es nicht einfach nur ein Mensch sein konnte (Spirit/Auren).

Da der Junge in einer anderen Kammer schlief, wusste sie zunächst nicht, ob er nicht auch unter den Einfluss des Wesens gefallen war. Bei den gefügig gewordenen Kindern hätte sie eine Veränderung in der Aura gesehen, doch zu diesem Zeitpunkt beherrschte sie die Gabe noch nicht so gut. Ihre Befürchtungen erwiesen sich indes als unbegründet. Cassio schien nie behelligt worden zu sein.

Sie liefen fort und landeten auf der Straße. Von dort gelangten sie etwas später in die Arme der La Gazza – sie waren gerade einmal 9 bzw. 10 Jahre alt.

Es war in dieser Zeit, da sie eines nachts nahebei in den Kanälen ein Platschen hörten. Als ein zugeschnürter Sack vorbeitrieb, hörten sie ein Jaulen darin und Cassio schaffte es mit viel Einsatz den Sack an Land zu bringen. Er öffnete den Sack und heraus kam ein Wurf schwarzer Hundewelpen. Sie sahen sich um, wer die Tiere zum Ertränken ins Wasser geworfen haben könnte, doch alles war still und leer. Als sie erneut in den Sack sahen, saß darin nur ein einzelner, pechschwarzer Hund, der sie wachsam ansah. Dieser Hund folgte Cassio seither. Es handelt sich um einen Familiar, der in verschiedenen Hundeformen erscheinen kann. Er wechselt die Gestalt, wie es ihm gerade passt.

Cassio findet Halt in der Diebesgemeinschaft. Innerlich suchte er stets etwas, dass ihm seinen Weg vorgibt (C. begann mit Auftreten und Natur: Gefolgsmann/Märtyrer). Die rigide, wenngleich verdrehte Struktur, die ihnen der Krächzer bietet, passt ihm sehr gut. Er „glaubt“ eine lange Zeit innbrünstig an den Krächzer und dessen „Mission“.        

Diese fast sturköpfige Treue (Iron Will) wurde noch nicht vom Krächzer zur Notiz genommen. Die anderen Kinder halten den Jungen entweder für einen Idioten, weil er die Selbstsucht des Krächzers nicht erkennen kann, oder für einen Schleimer, der nach Bevorzugung lechzt.

Der Junge hat inzwischen bestimmte kleinere Talente entwickelt. Da ist zunächst die Fähigkeit des Belauschens (Forces 2). Er kann außerdem sehr leise sein, wenn es erforderlich ist – aber das strengt irgendwie auch an. Schließlich haben ihm Hitze und Kälte weniger an als anderen.

Consuela versuchte zunächst nach der Flucht aus Angst vor ihren Visionen nicht mehr zu singen. Doch immer wieder fing sie unbewusst damit an. Sie begann daher an abgelegenen Orten damit zu experimentieren, etwas, das sie ohne Rosannas Lehren niemals versucht hätte. Zugleich begann sie damit, ihren Gedächtnispalast aufzubauen.


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Consuelas Einstiegsgeschichte

Consuelas Einführung

Die Finsternis der wolkenverhangenen Winternacht lag fast vollkommen über der Lagune. Die meisten der äußeren Inseln hatte sie gänzlich verschlungen, nur wenige boten ihr die Stirn in Form von winzigen Lichtpunkten. Schatten bedeckten die Kanäle, wo kaltes Wasser leise gegen modernde Hausbohlen und die Pfosten der Anlegestellen platschte, umfing auch Häuser und die Plätze der sieben Sestiere und scheuchte die Rechtschaffenen in ihre Häuser. Obgleich die Nächte im Herzen der Serenissima lange nicht so dunkel wurden, wie in der umliegenden Terraferma, wog vielleicht die wartende Umarmung des schwarzen Wassers, die stets nur einen kurzen Fehltritt entfernt war, das Maß an Schrecken in den Köpfen ihrer Bewohner wieder auf. So folgten die Menschen ihren Instinkten und duckten sich mit dem Schwinden des Lichts in ihre Häuser, suchten dort Sicherheit im Schein von Kerzen und Fackeln, der Gemeinschaft ihrer Familie und verriegelten fest die Türen vor dem Unbekannten, das sich draußen verbarg. Was man nicht sehen, nicht verstehen kann, gebiert Ablehnung und Furcht. Das Zwielicht, das die Fackeln auf den Straßen und Plätze schufen, genügte nur den Wackeren, den Tollkühnen und jenen niederen Männern, die naturgemäß ihre lichtscheuen Geschäfte darin abzuwickeln suchten.

Während die letzteren unter den Schwingen der Nacht umherschlichen, nicht selten in der Angst, dort einem noch schlimmeren Übel zu begegnen, waren es die Wachen der Quarantia, die in Gruppen mit Fackeln durch die Straßen und über die Brücken marschierten, um den Schlaf der braven Bürgern zu bewachen.

Gerade im prächtigen Sestiere Castello hörte man häufig die schweren Stiefel der Stadtwache, wenn ihre gleichmäßigen Schritte durch die vereinsamten Gassen hallten. Ging man zur südlichen Grenze des Sestiere, wurden die Häuser kleiner und ihre Bewohner ärmer. Dort sah man seltener die stolzen Männer mit ihren Hellebarden und den gelben und braunen Uniformen. Die Uferstraße aber mieden sie geradezu, als glaubten sie den Legenden um ein Monster am Grunde der Lagune, den Makaro, den das klägliche Licht ihrer Fackeln nicht zu vertreiben vermochte, ihm wohl aber verriet, wo er seine nächste Beute suchen könnte.

Schutz bezog das am Südufer gelegene Ospedale della Pietà, das Waisenhaus, daher wohl nur aus der unmittelbaren Nähe zur Marienkirche, der Santa Maria della Pietà.

Das fahle Licht des Mondes schien durch die fadenscheinigen Vorhänge und wanderte wie die Finger einer bleichen Hand über den alten Dielenboden. Es war still in dem großen Haus, doch dieser Stille fehlte es an Friedlichkeit, wie sie sonst aus den gleichmäßigen Geräuschen des Schlafes und der sanften Stimme des Windes geboren wird. Diese Stille war beredsam. Sie war die Freundin des schleichenden Jägers, von Gestalten, die sich in Schatten verbargen und vom angehaltenen Atem, der das Opfer in falscher Sicherheit wiegen sollte. Sie drückte die Lebensgeister nieder und hatte eine fast greifbare Präsenz, als wolle sie jede Störung strafen.

Consuela spürte diesen Unterschied, diese feine Nuance, welche die Gefahr hinter dem Gefühl der Geborgenheit verriet. Von ihrem Versteck hinter dem Wäschesack blickte sie auf die Eingangstür des Mädchen-Dormitoriums. Die anderen Kinder lagen in ihren Betten, ahnungslos, schutzlos. Consuela machte sich gar nicht erst die Mühe sie zu warnen. Sie konnte die Kinder nicht beschützen. Selbst wenn sie schreien würde – er würde sie sofort finden und zum Schweigen bringen. Und nichts würde sich ändern.

Ändern kannst Du sowieso nichts mehr, törichtes Mädchen!        

Also wartete sie, atmete so leise wie möglich und versuchte sich nicht zu bewegen.

Die Holzdielen war vor Jahrzehnten verlegt worden und wenn man nachts auf den Topf musste, war es schon schwierig nicht alle anderen zu wecken, so laut knarrten die alten Bretter selbst unter den Füßen kleiner, magerer Kinderkörper.         

Ganz ohne Vorwarnung und ohne irgendein Knarzen öffnete sich die Tür zum Flur und eine hochgewachsene Gestalt glitt mit bedächtigen Schritten lautlos in das düstere Zimmer. Consuela wusste, was nun geschehen würde. Sie blieb absolut reglos, während ihr Magen sich in einen Stein zu verwandeln schien. Unvermittelt beschlich sie die absurde Vorstellung, der Schemen könne ihre Aufregung durch den Stoffsack hindurch sehen.           

Sei jetzt nicht albern! Hier ist er machtlos, in Deiner Hand. Es gibt überhaupt keinen Grund für Furcht!

Sie sammelte ihren Willen und setzte dazu an, mit aller Macht die Angst beiseite zu schieben, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Doch das eisige Gefühl lastete weiterhin auf ihr, unverrückbar wie ein Berg, so sehr sie sich mühte, so sehr sie sich auch an das Wissen klammerte, das dieses Gefühl vollkommen unbegründet war. Unwillkürlich berührte sie Ihr linkes Handgelenk, doch sie spürte dort nur nackte Haut.

Irritiert fischte sie aus ihrem Nachtgewand ein Fläschchen hervor. Sie hatte es kurz zuvor aus der Küche gemopst. Einen Moment lang sah sie es an und überlegte. Dann zog sie den Korken vorsichtig heraus und trank den Inhalt in einem Zug. Die Flüssigkeit schmeckte wie erwartet nach gar nichts. Es war bloß Wasser, lauwarm, geruchlos und fade. Ohne ihr vertrautes Flakon hatte sie etwas improvisieren müssen, um an ein einigermaßen brauchbares Medium zu gelangen und musste nun darauf hoffen, dass es ausreichte.

Sie hatte gelernt, dass Wasser ein mächtiges Instrument ist, einer Leiter für bestimmte Energien. Es war ein Symbol für Reinheit und man nutzte es seit Jahrtausenden in Ritualen dazu, um sich von störende Einflüssen zu befreien, bevor man ein wichtiges Unterfangen begann. Sie hatte gelernt, dass man für ein Ritual der Reinigung möglichst Mondwasser benötigte. So bezeichnete man Wasser, welches aus einer schwarzen Quelle, etwa einem tiefen Brunnen, geschöpft wurde, wo es nicht mit den Geräuschen der Oberfläche oder gar dem Wind in Berührung kam. Dennoch musste das Wasser an einer Stelle entnommen werden, wo sich der Mond darin spiegelte. Das Wasser in der kleinen Flasche kam nur aus einem dunklen Bottich, den sie ins Mondlicht geschleppt und aus welchem sie es mit angehaltenem Atem geschöpft und in ihr Fläschchen gefüllt hatte. Nachdem sie es in besagter Küche aus einem Krug in das vom Alter geschwärzte Holzgefäß gegeben hatte. Ihr war klar, dass dies streng genommen nicht der Lehre entsprach, aber mehr Vorbereitung war ihr in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen. Wenn sie es richtig verstanden hatte, fand der wichtigere Teil ohnehin in ihrem Kopf statt. Sie musste die Klarheit des Wassers in sich aufnehmen. Hier hatte Consuela nur vage Vorstellungen davon, was zu tun war. Die Störung kam aus ihr selbst und hielt ihr Herz gefangen, daher hatte sie das Wasser getrunken. Nun begann sie sich auf dessen Qualitäten zu konzentrieren. Sie nahm ihren Willen und versenkte sich in den besonderen Eigenschaften des Wassers. Ihre Gedanken sammelten sich um dieses Ziel und sie wiederholte gebetsmühlenhaft:

Nichts, Leere, Stille, Nichts, Leere, Stille, Nichts, Leere, Stille, …

Ihre Gefühle, allen voran die Angst, schmolzen in wenigen Momenten dahin.

Oh Gott, danke Rosana! Danke für alles, was Du mir gezeigt hast!

 

Rosana war ihr einziger Lichtblick in dem Waisenhaus gewesen. Die freundliche Küchenfrau mit ihrem herzlichen Lachen und ihrem Hang zur Redseligkeit hatte ihr die Wärme einer Mutter sowie ein Gefühl von Geborgenheit gegeben. Und sie hatte ihr alles Mögliche über Heil- und Giftkräuter, Schutzzeichen und sogar Geister und derlei Dinge erzählt. Zuerst wollte Consuela das alles abtun und nahm an, Rosana höre sich einfach gerne selbst reden oder wolle sie auf den Arm nehmen. Doch was die geschäftige Küchenfrau erzählte, war dafür viel zu… sinnvoll, zu überzeugend. Bald musste Consuela anerkennen, dass sie die Weisheiten der fülligen Frau nicht einfach als Gerede abtun konnte.

Offenbar hatte Rosana etwas in ihr erkannt und beschlossen, sie zu ihrem Zögling zu machen. Sie hatte Consuela gewarnt und erklärt, dass man bestimmte Begabungen besser verbergen sollte. Vielen Leuten, allen voran den Kirchenmännern, gefiel es gar nicht, wenn an Frauen etwas Besonderes war oder sie etwas konnten, was ihnen selbst verwehrt blieb und das sie nicht verstanden.

Consuela konnte Dinge sehen, Dinge, die für andere unsichtbar blieben, und das schon seit sie denken konnte. Manchmal wundervolle Dinge, meist aber Seltsame oder gar Abscheuliche. Als sie kleiner war, hatte ihr dies so viel Angst gemacht, dass sie sich irgendwann entschlossen hatte, mit niemandem mehr zu sprechen, besonders nicht mit Erwachsenen. Rosana hatte das stumme Mädchen, das sie einmal gewesen war, als sie in das Waisenhaus kam, einfach bei der Hand genommen und war mit ihr zum Kräutersammeln ausgezogen. Dabei sprach sie unentwegt, plapperte, ohne auf eine Antwort von Consuela zu warten. Und wenn sie dann alleine waren, sprach sie von den Dingen, die sonst niemand außer dem kleinen Mädchen selbst hatte sehen können. Und Consuela fühlte sich nach und nach von ihr verstanden. Irgendwann begann sie zu antworten. Und stellte fest, dass Rosana sogar noch besser zuhörte, als sie sprach. Doch nun war Rosana schon lange fort und hatte sie alleine zurückgelassen. Zuerst war sie darüber enttäuscht gewesen, sogar zornig, dann hatten Sorge und Angst den Zorn vertrieben. Consuela hatte nie erfahren, warum Rosana fortgegangen – oder warum sie verschwunden war.        

Du schweifst ab, konzentrier‘ Dich, oder es war alles umsonst!

 

Die Angst war fort, solange sie die Konzentration nicht verlor. Rosanas Übung hatte tatsächlich funktioniert, sogar hier!

Es waren nur Momente seit seinem Erscheinen vergangen und der Fremde stand noch immer in den tiefen Schatten nahe beim Eingang. Sie atmete sachte ein und wieder aus. Schließlich setzte er sich in Bewegung. Er näherte sich den Schlafenden wie ein aufziehender Alptraum, doch als er an den schlichten Schlafstätten aus Decken und Stroh vorüber glitt und die darin ruhenden Formen musterte, machte er keinerlei Anstalten ihnen ein Leid zuzufügen. So sehr sich Consuela auch anstrengte, sie konnte kaum Einzelheiten an der schemenhaften Gestalt erkennen. Das Licht war einfach zu dürftig. Größe und Statur verrieten ihr gerade noch, dass es ein Mann sein musste. Es war nicht nur die Dunkelheit des Zimmers, sondern es schien vielmehr, als trüge er die Schatten wie einen geschmeidigen Umhang, so schmiegten sie sich um ihn. Bloß etwas farbiger Stoff hier und ein wenig Haut dort waren zu erblicken, fast weiß im Mondenschein. Ein paar Schritte vor ihrem Versteck blieb der Fremde schließlich stehen. Consuela konnte nicht erkennen, wohin er schaute. Sie bemerkte auf eine stumpfe, entfernte Art und Weise, wie Gefühle in ihr aufwallen, wie ihr Herz seinen Schlag beschleunigen wollte. Und ebenso dumpf ärgerte sich ein anderer Teil von ihr über diese Anwandlung.           

Es gibt nichts zu fürchten. Bleib still, sonst machst Du alles nur kaputt, Du törichtes Kind!

 

So bezeichnete sie sich nur, wenn sie wirklich ärgerlich war. Ein Vorrecht, dass sie nur sich selbst gestattete. Auch wenn ihr albernes Herz gerne schneller schlagen wollte, konnte es ihrem Willen doch nichts entgegensetzen.

Der Fremde bemerkte sie vermutlich nicht, doch absolut sicher sein konnte sie sich freilich nicht, bevor alles vorbei war. Und selbst dann… Er wandte sich schließlich einfach um und bot ihr den Rücken.

Hier, vom Ende des Raumes aus, ließ er seinen Blick über die Reihen der Betten schweifen. Mit seiner Drehung schwang auch sein Umhang elegant herum und fächelte ihr einen feinen Duft zu, der ihr nun zum ersten Mal auffiel und sie verblüfft erstarren ließ. Rosen? Ein Duft, wie hohe Herren und Damen ihn gerne verwendeten. War dies am Ende ein Nobile? Einer jener hohen Herren, die ohnehin über dem Gesetz standen? Aber was sollte es für einen Unterschied machen? Dieser „Mann“ war überhaupt kein Mensch. Das hatte sie schon lange durchschaut. Er war irgendwie zu „blass“. Und sie meinte nicht seine Haut, welche tatsächlich ebenfalls sehr hell war.

Wenn Consuela genau hinblickte und sich ganz darauf konzentrierte, konnte sie noch etwas anderes an Menschen erkennen. Sie nannte es selbst ihren Seelenschimmer. Es war wie ein Glanz, welcher immer da, doch nur zu sehen war, wenn man sehr genau hinsah. Der Seelenschimmer des Fremden war vollkommen fahl. Blasser, als sie es bei einem lebendigen Ding überhaupt für möglich gehalten hätte. Es verwirrte sie zutiefst, dass er sich verhielt, als sei er ein normaler Mensch.

Inzwischen hatte der Mann sich einer Bettstatt genähert, sank dort auf ein Knie, nahm vorsichtig die Hand eines schlummernden Mädchens auf und beugte sich darüber, wie zu einem eleganten Kuss in einem Märchen.

Was auch immer er tat, Consuela war sich sicher, dass es kein gewöhnlicher Kuss war, denn er dem Kinde schenkte. Doch was tat er dort wirklich? Sie wollte es wissen!

Consuela fürchtete sich ein wenig vor dem, was nun folgen würde. Doch sie hatte sich einen Plan ausgedacht und alles so gut vorbereitet, wie es möglich war. Wenn sie Antworten wollte, würde sie jetzt handeln müssen. Also raffte sie erneut allen Mut zusammen und erhob sich vorsichtig hinter ihrem Versteck. Mit zunächst zaghafter Stimme setzte sie zu einer weichen Melodie an. Nur leise und für sich selbst. Ihre Stimme war klar und wie zum Singen geschaffen. Dennoch bemühte sie sich inzwischen nach Möglichkeit nicht einmal einfache Melodien unbedacht zu summen, denn wenn sie sang, geschahen häufig die merkwürdigsten Dinge. Nun aber musste sie ihre Stimme einsetzen. Sie hatte lange darüber nachgedacht. Trotz ihrer Bemühungen zu lernen, hatte sie nur wenig Erfahrung damit, ihre Stimme gezielt zu benutzen. Ob sie hier damit den gewünschten Erfolg erreichen konnte, wusste sie schon gar nicht. Doch was blieb ihr? Sie hatte schon ein Dutzend Mal versucht den Fremden zu beobachten, doch fiel sie ihm auf, dann verschwand alles oder verändert sich zu sehr, als das sie noch gewiss sein konnte, dass ihre Beobachtungen der Wahrheit entsprachen. Ganz abgesehen von den schrecklichen Dingen, die er dann tat. Jedes Mal etwas anderes, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Obwohl ihr leiser Gesang in der vollkommenen Stille des Zimmers überlaut wirkte, reagierte der Fremde in keiner Weise auf die plötzliche Störung. Das hatte sie inständig gehofft. Nichts regte sich, weder die Kinder in den Betten, noch der hockende Fremde.    

Gut, jetzt bloß nicht nachlassen!     

Kein Seufzen entrang sich den Kehlen der Schlafenden mehr, kein Knarren drang aus den Dielen unter ihren nackten Füßen, als sie sich dem Fremden vorsichtig näherte. Sie spürte ein Hochgefühl und wollte im Inneren jubilieren. Doch sie schluckte das Gefühl hastig hinunter.

Werde nicht zu selbstsicher! Konzentriere Dich!     

Sie wusste sehr wohl, dass dieser besondere Gesang sie rasch sehr anstrengen würde. Also legte sie die letzten Meter zu dem Paar eilig zurück. Da hockte vor ihr reglos der Fremde, tief über das schlafende Mädchen gebeugt. Der Mondschein machte die Szene zu einem Spiel aus Licht und Schatten. Nichts regte sich, während Consuela leise und sanft – und voll beherrschter Anstrengung – ihre Waise sang. Auch aus der Nähe umfingen Schatten die Gestalt des Fremden und machten ihn undeutlich, doch jetzt sah sie, in welch unmöglicher Weise die Schatten dem schimmernden Mondlicht trotzen. Sie wurden fast gar nicht von ihm durchdrungen und nur an wenigen Stellen gab die dunkle Masse den Blick auf die helle Haut des Schattenmannes frei. So wie um seine blutbenetzten Lippen, welche auf die Innenseite des Unterarms des Mädchens gepresst waren. Ein glänzender Faden des Blutes rann über die helle Haut ihres Armes und troff von ihrem Ellenbogen zu Boden. Consuela bemerkte, dass einige Tropfen noch in der Luft schwebten, wie rote Perlen auf einem unsichtbaren Band. Dieser Fremde hatte das Mädchen gebissen, und nun stahl er ihr Blut. Oder hatte sich ihre Erinnerung wieder verselbstständigt? Was war er nur? Was für eine Art Monster? Ein Schauer überlief sie. Sie hatte keine Ahnung mit was sie es zu tun hatte, war sich nicht sicher, ob sie nun echte Erinnerung sah oder nur trügerische Einbildungen. Konnte so etwas Verrücktes überhaupt wahr sein? Doch sie hatte bereits einiges erlebt und gesehen, was nicht leicht zu erklären war.

Es kostete sie nun einige Mühe das Lied weiter zu singen. Dieses Lied, das die Zeit in ihren Träumen einzufrieren vermochte. Doch was waren schon solche Mühen im Vergleich zu der Gewissheit, die sie so lange gesucht hatte? Die Erinnerungen hatten sie seit langem verfolgt, und mit ihnen die Frage, was sich in jenen Nächten wirklich abgespielt hatte. Frühere Versuche in ihren Erinnerungen und Träumen nach Antworten zu suchen waren stets gescheitert. Blieb sie an dem Platz, an welchem sie sich in ihrer Erinnerung befand, konnte sie nichts erkennen. Verließ sie ihren Platz, führte das zu Problemen. Fiel sie dem Fremden in ihrer Erinnerung auf, beendete das häufig einfach ihren Traum. Manchmal blieb er auch bestehen, veränderte sich jedoch. Es konnten kleine Dinge sein, die ihr zunächst gar nicht auffielen. Die Kinder lagen plötzlich nicht mehr in den richtigen Betten oder der Mond verformte sich, als sei er nur sein Spiegelbild auf einer dunklen Wasserfläche. Oder es waren große Veränderungen, die einfach alles auf den Kopf stellten. Einmal hatten die Betten zu tanzen begonnen. Dann wieder wuchsen dem Fremden gewaltige Spinnenbeine, auf denen er herumstakste. Oder er sprang sie plötzlich an, während im aufgerissenen Oval seines Mundes riesige Zähne starrten. So oder so konnte sie nicht hoffen, in den veränderten Träumen die Wahrheit zu finden. Und der Schrecken, den sie in einigen Fällen davongetragen hatte, ließ sie mit ihren Experimenten etwas vorsichtiger werden.

Es machte alles den Anschein, als habe sie dieses Mal Erfolg gehabt. Zufrieden ließ sie nun das Lied verklingen, hielt nicht an ihm fest, als der Traum verblasste und ertastete sich ihren Weg über verschlungene Pfade aus schimmerndem Licht zurück aus dem Schlaf. Sie musste vorsichtig, doch entschlossen handeln. Sie konnte sich daran erinnern, dass auch Rosana sie vor Gefahren gewarnt hatte, die in Träumen lauern konnten. Bei Rosanas Erklärungen wusste man leider oft nicht genau, wann sie es ernst meinte und Weisheiten teilte und wann sie einem bloß Ammenmärchen und Fabeln erzählte. Manches, was sie zunächst für Geschichten gehalten hatte, erwies sich im Nachhinein als Wahrheit, die nur nicht recht in ihr Weltbild passen wollte. Doch einiges war auch ganz klar nur Unfug gewesen, nur dazu gedacht, ein einsames, kleines Mädchen zum Träumen zu bringen.

 

Ihr Erwachen wurde begleitet von einem unangenehmen Druck auf den Schläfen. Vage nahm sie die Umrisse der großen Schlafkammer war, wo sie ihre Pritsche zwischen Dutzenden anderer hatte. Die Räume des Lazzaretto Vecchio waren nichts für Kinder. Ihre Formen waren seltsam und hatten unerklärlichen Zwecken gedient. Hier und da waren ein paar alte Schnitzereien verblieben, auf den Regalen und Fensterbänken verteilt, Ikonen von Heiligen, der Jungfrau Maria oder einfache Kreuze, doch wirkte alles eher unbeholfen und sah merkwürdig aus. Über dem allgemeinen Muff schmutziger Bälger lag zudem ein abstoßender Geruch, der trotz regelmäßigen Putzens nicht weichen wollte.

Schlafende Körper lagen auf niedrigen Betten um sie herum, genau wie in ihrem Traum. Hier und da vernahm sie ein Schnarchen, unverständliches Gemurmel bei manchen, klagendes Wimmern bei anderen.

Im nächsten Bett lag Cassio, ihr treuer Freund. Er war ein fester Schläfer, den so schnell nichts wach bekam. Das war schon damals im Waisenhaus so gewesen, aus dem sie gemeinsam weggelaufen waren, weil sie es nicht mehr ausgehalten hatte.

Sie war nicht nur wegen des Fremden weggelaufen, der in manchen Nächten das Ospedale heimgesucht hatte. Der war immerhin nie auf sie aufmerksam geworden. Doch sie hatte immer um Cassio gefürchtet, der in einem anderen Saal untergebracht war, gemeinsam mit den übrigen Jungen. Sie hatte in der Angst gelebt, dass auch er eines Tages von dem Eindringling verändert würde. Sie hatte es bei vielen gesehen. Es war nur schwer zu sagen, was mit den Kindern geschehen war. Aber Personen, über welche sich der Besucher hergemacht hatte, die er gebissen hatte, wie sie nun wusste, schienen langsam zu anderen Menschen zu werden. Ihnen haftete etwas Marionettenhaftes an, das sie nicht näher erklären konnte. Doch Cassio hatte sich nicht verändert, bevor sie schließlich beschlossen gemeinsam davonzulaufen. Ähnlich wie sie hatte er den Fremden bemerkt und sich vor ihm versteckt. Ähnlich wie sie war auch er etwas Besonderes.

Für sie war die Flucht aus dem Waisenhaus aus einem ganz anderen Grunde unvermeidlich geworden. Sie konnte nicht mehr im Chor singen. Wer aber im Ospedale della Pietà nicht zum Lobpreis Gottes im Chor sang, hatte dort keinen Platz. Das Waisenhaus war berühmt für die feinen Stimmen seiner Kinder. Cassio genoss den Chor, wie er alles genoss, was ihm das Waisenhaus hatte zuteilwerden lassen. Man brachte ihnen nämlich sogar ein wenig Lesen, Schreiben und Zählen bei. Doch für sie wurde der Gesang, den sie anfangs ebenfalls sehr liebte, im Laufe der Zeit zur Tortur.

Es begann mit Schwindelgefühlen, die sie während des Chores überkamen. Sie erkannte eine ganze Weile nicht, dass es das Singen selbst war, welches ihr so viel Freude bereitete, dass sich aber so dramatisch auf sie auswirkte. Nach und nach geschahen immer merkwürdigere Sachen, während sie ihre Stimme in den Klang der anderen einfügte. Anfangs glaubte sie nur immer wieder zwischen den Kinderstimmen noch andere zu hören, klarer und feiner. Doch war da natürlich niemand, und so sagte sie sich, dass es nur ihre Einbildung gewesen sein musste, die ihr etwas vorgegaukelt hatte.

Dann sah sie Dinge, die sich nicht so einfach erklären ließen. Einmal brannten die Kerzen in wenigen Sekunden komplett ab. Die Flammen wurden einen Moment lang gleißend hell, so dass sie kaum noch etwas sehen konnte und die Augen vor Schmerzen abwenden musste. Und einen Moment später waren die dicken Kerzen bis auf eine klägliche Wachspfütze fort. Ein anderes Mal glaubte sie in weiter Ferne ein Lärmen zu vernehmen, ein Geklirr wie von Waffen, begleitet von Schreien und entsetztem Geheul aus Tausenden von Kehlen. Sie wusste nicht, was mit ihr geschah, aber es machte ihr eine ungeheure Angst. Sie versuchte diese seltsamen Geschehnisse zu ignorieren und einfach weiter zu singen. Denn ihr war bewusst, dass man sie sonst nur allzu bald vor die Türe setzen würde.      

Eines Tages sah sie dann, wie der Hals der Frau Chorleiterin von etwas Unsichtbarem zerfetzt wurde. Das Blut spritzte in hohem Bogen hervor und verteilte sich über sie und die anderen Kinder, die einfach weiter sangen und nichts zu bemerken schienen. Der Kopf der Frau war fast zur Hälfte abgetrennt und rollte nach hinten, bevor sie zusammensackte. Aber niemand reagierte. Consuela wollte schreien, doch noch bevor sie Luft holen konnte, hatte sie sich übergeben und fand sich nach Luft schnappend auf allen Vieren wieder. Als sie wieder atmen konnte, sah die Chorleiterin besorgt, doch völlig unversehrt auf sie herab. Die junge Frau gab ihr für den Rest des Tages frei und erlaubte ihr im Bett zu bleiben. Sie war sehr nett gewesen. Consuela erzählte natürlich niemandem von ihrer Vision, aus Angst man würde sie für verrückt erklären. Und weiß Gott, was dann mit ihr geschehen wäre.

Tags darauf erfuhr sie, dass die Chorleiterin verschwunden war. Man vermutete, dass der zuverlässigen Dame etwas zugestoßen sei. Womöglich war sie ausgerutscht und in einen Kanal gefallen. Für sich genommen wäre das kaum eine Erklärung gewesen, da nahezu jeder Venezier ausgezeichnet schwimmen konnte. Doch es passierte immer wieder, dass Personen nach einem unfreiwilligen Bad nicht mehr aus den Kanälen kletterten und dann gab man bereitwillig dem Makaro die Schuld. Die Leiche der Frau tauchte jedenfalls nie auf.

Dies stürzte sie in ein Dilemma. Das Singen war im Ospedale Pflicht, doch sie konnte es einfach nicht mehr tun. Bevor man sie also auf die Straße setzte, im besten Fall mit nichts als den einfachen Kleidern am Leib, beschloss sie lieber selber von dort wegzulaufen, sich aber zuvor zu nehmen, was sie zum Überleben auf der Straße brauchte. Sie erzählte niemandem davon – außer Cassio, der damals bereits ihr einzig richtiger Freund war, seit sie ihn etliche Jahre zuvor vor einem größeren Jungen beschützt hatte.

 

Die Visionen – sie wusste nicht, wie sie ihre Tagträume sonst nennen sollte – konnte sie nicht so leicht wie das Ospedale hinter sich lassen. Es war nicht lange Zeit nach ihrer Flucht, dass sie das nächste Mal von ihnen heimgesucht wurde. Sie musste unbewusst angefangen haben zu singen, oder wenigstens zu summen. Und die Welt versank in Flammen. Es war das erste Mal, dass sie diesen speziellen Wachtraum hatte, den „Brennenden Traum“, aber von da an sollte er sie regelmäßig heimsuchen.

Große Flammen, die in unchristlichen Farben aufloderten, eine finstere Festung und schließlich das Gesicht eines Mannes, welches so unnachgiebig und hart wirkte, dass man Stahl daran hätte wetzen wollen. Manches Mal war sie sich nicht sicher, ob überhaupt Fleisch an dem Gesicht war, oder ob sie einen blanken Totenschädel gesehen hatte.

War es schließlich vorbei, fiel es ihr trotz der Intensität des Traumes schwer sich an Details zu erinnern.

Es passierte immer wieder, dass sie gedankenlos in ein Lied einstimmte oder eine irgendwo aufgeschnappte Melodie summte. Consuela wurde klar, dass es sinnlos war vor ihrem Problem davonzulaufen. Und so kam sie nach und nach zu dem Entschluss sich ihm zu stellen.

Sie sagte es nicht einmal Cassio, als sie eines Tages begann das Geheimnis ihres eigenen Gesangs zu entschlüsseln. Sie kletterte in ein verlassenes Bootshaus am Rande der Stadt und suchte sich einen verborgenen Platz zwischen den modernden Überresten einiger Kähne und stinkendem Tauwerk voll grünem Algenbewuchs. Dort, einsam bis auf ein paar neugierige Ratten, hockte sie sich hin und machte das Mutigste, was sie in ihrem jungen Leben je getan hatte. Sie sang.

Nicht immer kamen die Visionen. Wenn sie kamen, waren sie sehr unterschiedlich. Manchmal waren es schreckliche Eindrücke, wie der Brennende Traum, dann wieder ganz harmlose Dinge, die sie sah. Sie hätte nicht sagen können, wie viele Male sie noch in das alte Bootshaus zurückgekehrt war, um dort in aller Stille mit ihrem Gesang zu experimentieren.

Zugleich versuchte sie, alle Visionen in ihrem Gedächtnis zu verwahren. Rosanna hatte ihr einmal erzählt, das Träume wie Blasen im Wasser seien. Erinnerungen schienen ihr eher wie alte Zimmer, die lange unbewohnt verstaubten, bis man gelegentlich begann darin zu stöbern, wobei man meist auf Dinge stieß, die man ganz aus den Augen verloren hatte. Nach diesem Bilde begann sie, in ihrer Vorstellung für jede einzelne Vision, ja sogar für ihre gewöhnlichen Erinnerungen, Räume in einem Gebäude zu bilden, welches sie in ihrem Verstand schuf. Ihr war, als habe sie bereits zu viel vergessen, wovon die häufigen dunklen Korridore ohne Türen, Fenster und Enden Zeugnis ablegten. Darum ging sie diesem Vorhaben mit Eifer nach und füllte Flur um Flur mit Räumen, schuf Ebenen und Gewölbe, in welchen sie umherwandelte, wenn sie nicht gerade neue schuf.

Sie konnte dort in Erinnerungen versinken, sie noch einmal durchleben. Sie konnte sich auch in das Geschehen einfügen und den Ablauf verändern. Brach die Erinnerung dann nicht sofort zusammen, behielt sie die Kontrolle jedoch nur für kurze Zeit. Sie sah keinen echten Sinn darin, denn Erinnerungen, die sich beliebig veränderten, waren letztlich nichts anderes als Träume.

Doch heute hatte sie zum ersten Mal versucht, den Ablauf einer Erinnerung anzuhalten. Sie hatte stets geglaubt, dass Ihr Gesang ihren eigenen Geist irgendwie beeinflusste. Deswegen sah sie beim Singen die seltsamen Visionen, die niemand außer ihr wahrnahm. Ihr war aufgefallen, dass die Bilder ihrer Visionen in unterschiedlichem Tempo kamen, manchmal als rasende Abfolge von Eindrücken, beim nächsten Mal stillstehend – wie ein Gemälde. Und nun hatten sich die Stunden des Übens endlich ausgezahlt. Sie hatte eine eigene Erinnerung eingefroren. Dies war das erste Mal, dass sie den Gesang bewusst und für ein bestimmtes Ziel erfolgreich eingesetzt hatte. Das Hochgefühl, welches in ihr aufstieg, fegte alle Müdigkeit fort. Sie konnte nun nicht einmal mehr an Schlaf denken.

 

Während sie sich auf ihrer Pritsche auf die Seite drehte, bemerkte Consuela, dass sie von zwei aufmerksamen, grauen Augen aus dem dunklen Fleck neben Cassios Bett beobachtet wurde und ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.

„Na, Du?“, flüsterte sie, und hielt ihre Hand den Schatten entgegen. Eine feuchte Schnauze näherte sich schnüffelnd und stupste sie erwartungsvoll an. Gehorsam suchte sie das Ohr des Hundes und kraulte das weiche, warme Fell dahinter. Ein leises, zufriedenes Geräusch sagte ihr, dass ihre Liebkosungen akzeptabel waren.

Sie stand auf und ging trotz der Kälte nach Draußen, um sich zu erleichtern. Als sie zurückkehrte, fand sie schon einige der anderen La Gazza dabei vor, wie sie sich langsam von ihren Matten wälzten. Der kleine Paolino, ein mageres Kerlchen, saß zitternd in seinem zerwühlten Schlaflager und hatte die frierenden Hände unter seine Achseln gesteckt.

Wenn er nicht bald was Wärmeres zum Anziehen bekommt, dann wacht er blau gefroren auf – oder gar nicht mehr.

Consuela half nun wie alle anderen die Unordnung zu beseitigen, welche eine Horde Kinder unweigerlich hinterließ, und bereitete das Frühstück vor. Wegen des Festessens am Vorabend war noch einiges übrig und sie konnten sich noch einmal auf volle Mägen freuen. Nachdem sie beim Fegen geholfen und ein paar Dutzend Schüsseln gereinigt hatte, wollte sie sich auf die Bank setzen, um sich an den verbliebenen Speisen zu bedienen. Noch bevor sie ihren Platz auf der Bank einnehmen konnte, legte sich ein schmutziges Paar Stiefel darauf, deren Besitzer sie höhnisch angrinste.

„Verzieh Dich, Mädchen!“ Der fette Junge ließ es wie eine Beleidigung klingen und schenkte ihr sein höhnischstes Grinsen.

Beppo, der von den anderen den Spitznamen "Klops" erhalten hatte, war schlicht die Pest. Er war ein widerlicher Tyrann, der alles herumschubste, was nicht stärker war als er. Leider gehörte er zu den älteren Kindern und bestand nicht nur aus Speck. Unter all den Falten war auch ein außergewöhnliches Maß an Kraft verborgen. Darum hatte nahezu jeder unter ihm zu leiden. Und darum wagte es auch keiner, ihm seinen Spitznamen ins Gesicht zu sagen.

Der einzige auf den er hörte war ihr Anführer Jaquopo, von allen Krächzer genannt. Und Consuela war sich nicht sicher, wie lange er das noch tun würde.

Sie sah ihn still an. Seine kleinen, dunklen, sonst so matten Schweinsaugen funkelten vor Vergnügen und die lefzenartigen Mundwinkel waren feucht, als erblicke er etwas Köstliches. Wenn er damit durchkommt, …

Gerade, als er seinen Mund öffnete, um ihr eine weitere Demütigung beizubringen, kam Consuela ihm zuvor.

"So?" Zufrieden bemerkte sie, dass ihre Stimme genau die richtige Mischung aus Ungerührtheit und drohendem Unterton verband. Sie spürte den Effekt sofort, den Funken Zweifel, der in Beppo aufflackerte, denn er war keinen Widerstand gewohnt. Nun musste sie die Flamme bloß noch anfachen…

Als sie Minuten später wieder den Schlafsaal betrat, schob sie das kleine Kristallfläschchen an der Lederkordel wieder ganz in ihren Ärmel zurück. Es hatte seine Tintenschwärze verloren und war nun wieder ganz klar, nachdem die Angst entwichen war.

Niemand hatte gesehen, wie es ein Stück weit hervorgerutscht war, weil alle mit offenen Mündern Beppo angestarrt hatten. Es waren nur wenige gewählte Worte nötig gewesen, bis aus seinem Gesicht alle Farbe gewichen war. Er würde sie jetzt in Ruhe lassen, vorerst, doch sie wusste, dass er diese Schande nicht ewig auf sich beruhen lassen konnte. Sobald er die Angst überwand, die ihn im Augenblick fest im Griff hielt, würde er auf Rache sinnen. Er war zwar nicht der Hellste, doch wenn es darum ging jemandem Leid zuzufügen, war er erstaunlich erfinderisch. Alles zu seiner Zeit.

Im Vorbeigehen warf sie Paolino wortlos das dicke Hemd ins Gesicht, das sie dem Klops abgenommen hatte.

„Zieh Dich gefälligst an, bevor Du blau bist wie eine Wasserleiche!“

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Consuelas 1. Einzelmodul

Der kleine Paolo wird von Beppo malträtiert, weil dieser sein Hemd zurück will. Wenn Consuela sich einmischt und Beppo verscheucht, wird ihr Vanni danken. Sie gibt ihr den Tipp mit Castellos Haus, welches sich im Süden des Stadtteils Castello befindet (s.u.).

Hintergrund:

Adriano De Castello ist ein ehrgeiziger Mann aus den Reihen der Himmlischen Stimmen. Er ist einer der 13 Choristen, die alsbald ausziehen, um den Nekromanten Cosmas zu vernichten. Während des vermeintlich erfolgreichen Unterfangens nimmt er etwas aus dessen Hort an sich. Einen menschlichen Schädel, welcher (vermeintlich) einen Geist in sich trägt, der über umfangreiches Wissen in magischen Dingen verfügen soll.

Adriano meinte, er könne den Geist kontrollieren (was sicher auch stimmte) und er könne so an erhebliches Wissen und damit an Macht gelangen.

Der Geist, Teschio genannt, ist an einen runenübersäten Totenkopf gebunden (ein magischer Fetisch). Seine tatsächlichen Kräfte, die er nur in Freiheit benutzen könnte, sind niemandem bekannt. Adriano konnte den Schädel nicht einfach offiziell behalten, weil dieser zum einen eine sehr finstere Aura durch rund eine Dekade bei Cosmas angenommen hat (Cosmas nahm ihn ca. 1403 aus dem Tempel mit und hatte ihn in Besitz, bis er etwa zeitgleich mit dem Dogen getötet wird). Es dauert lange, bis die Aura ausreichend abgeklungen ist. Außerdem wissen zahlreiche Leute, dass Cosmas diesen Schädel besaß und nutzte. Schließlich wäre eine Reliquie voll „heidnischer Runen“ für Choristen kaum akzeptabel.

De Castello versteckt den Schädel daher heimlich in Venedig, wo er ein ansehnliches Haus im Sestiere Castello hat. Dort unterrichtete er zudem einen Adepten, den jungen Diakon/Laienpriester Nikolaus. Castello ist häufig unterwegs, da er als politisch ehrgeiziger Karriere-Chorist überall zugegen sein möchte, wo wichtige Dinge geschehen und man Einfluss erlangen kann. Er will unbedingt ins Tribunal Miseracordium.

Kurz nach der Hinrichtung Cosmas und dem Diebstahl des Schädels wird Castellos Haus angegriffen. Die Nephandi, oder eventuell auch nur der Eburone, haben davon erfahren, dass Castello den Schädel hat. Der Eburone will ihn natürlich für sich. In seinem Irrsinn und Eifer geht er ziemlich rabiat vor und wütet ordentlich in dem Haus herum.

Doch der brave Nikolaus hat den Schädel noch in einem gut geschützten Versteck untergebracht, womit nicht einmal sein Meister, De Castello, gerechnet hat. Letzterer meint, der Schädel sei entweder durch den Brand seines Hauses zerstört worden oder der Angreifer habe ihn gestohlen. Der Eburone vermutet den Schädel dagegen bei Castello oder in einem anderen Versteck.

Nikolaus Versteck ist ein magisches und kombiniert Materie mit Korrespondenz-Magie. Man findet auf dem Boden zerbrochene Fragmente eines Spiegels (ein Tangram). Setzt man ihn zusammen, so verschmelzen die Teile und man kann durch den Spiegel durchgreifen, wo man den Schädel findet. 

 

Cosmas, der Schädel und Castello:

Cosmas wird zur gleichen Zeit wie der Doge angegriffen – in der Nacht des 26.12.1413. Dabei erbeutet Castello den Schädel, was er vor den anderen verheimlicht. Diese glauben, der Schädel sei vernichtet worden.

Anschließend bringt Castello seinen Fund in sein Haus, wo er auf magischem Wege noch am 27.12. eintrifft. Da die turbulenten Ereignisse seine Anwesenheit dringend andernorts verlangen, verlässt er das Haus sofort wieder. Dort ist noch sein Azubi Nikolaus.

Das Haus befindet sich im südlichen Castello und liegt – was in Venedig generell selten ist – recht einsam. Es ist das letzte Haus einer Straße, welche am Venedig umgebenden Gewässer endet. Zu dem Haus davor besteht eine größere Lücke, in welche einige geknickte Bäume wachsen und einen gewissen Sichtschutz für Castellos bieten.

Castellos Haus ist als Spukhaus verschrien und soll angeblich Menschen verschlingen – behaupten zumindest die La Gazza. Soll heißen, nicht alle die reingehen, kommen auch wieder raus. Stimmt auch, wegen der Fallen.

 

Das Haus nach dem Angriff der Nephandi:

Das Haus wurde in der Nacht des 27.12. von den Nephandi angegriffen, welche von Castellos Fund wissen und für sich wollen. Woher sie ihre Kenntnis haben, kann offen bleiben. Denkbar wäre, dass einer der Choristen für sie arbeitet und ebenfalls den Schädel suchte. Da er ihn nicht fand, hat er noch einmal scharf nachgedacht und ist auf etwas gekommen, was Castello als den Dieb implizierte, der er ist. Z.B. die Tatsache, dass er nach dem Angriff erstmal schnell wegmusste.

Das Haus ist äußerlich recht unbeschadet, doch innen sieht man Zeichen der Verwüstung.

Im Atrium, das einen schönen Garten beherbergt, standen mal zwei Engelsstatuen (Wächter-Konstrukte). Mit ihren vor das Gesicht gelegten Händen sehen sie aus wie die berühmten Weeping Angels. Hier ist eine Statue ganz zerstört, der zweiten fehlt Schulter und Arm auf einer Seite. Um das Podest sind Brandspuren zu erkennen (die Figuren haben einen Feuerstoß auf die Eindringlinge abgeschossen). Von den Wänden und Balkons des Hauses hängen Efeuranken tief herab. Die Rosenbüsche des Gartens sind sehr ungewöhnlich. Die Blüten sind zum Teil extrem groß und sie haben außergewöhnliche Farben in dunklen Tönen. Von einem der Balkone schwingt mit einem Seil um den Hals Nikolaus, der Lehrling von Castello. Dank dem Zauber des Eburonen wurde sein Alterungsprozess rasend beschleunigt und sein Körper ist mumifiziert.

Viele kleinere Statuen des Gartens wurden ebenfalls im Kampf zerstört. Anders gesagt, die Fallen hier sind ausgelöst bzw. zerstört. Es kann aber durchaus sein, dass hier oder da noch eine Feuerfalle auslöst.

 

Im 1. Obergeschoss ist der Wohn- und Repräsentierbereich. In Falle von Castello ist dieser freilich pompös. Kartenzimmer, mehrere Salons und ein großer Saal. Alles mit schönen Gemälden etc. geschmückt. Will man hinauf in den oberen Wohnbereich, wo auch das Arbeitszimmer ist, muss man über eine Treppe gehen, die einen (dank eines Illusionszaubers) immer wieder in den Ausgangsflur zurückschickt. Mondän betrachtet ist sie wie ein Hufeisen geformt und es gibt keinen Weg nach oben.

Überwindet man diesen Trick, gelangt man in einen Flur (2. OG). Eines der dort abgehenden Zimmer ist das Vorzimmer zum Arbeitszimmer. Die Geister, die Consuela stets begleiten, werden sie womöglich versuchen zu warnen. In dem kleinen Raum ist alles feucht. An der Decke sind hauchfeine Glöckchen, die klingeln, wenn man den Raum betritt. Sie bewirken durch ihr Läuten, dass eine Heiligenfigur, welche Meinrad von Einsiedeln darstellt, aktiviert wird und alle Zugänge sich schließen (der Heilige war von Räubern erschlagen worden). Durch eine einfache Anrufung des Heiligen lässt sich die Falle deaktivieren.

Der Heilige hat zwei Raben zu seinen Füßen, aus deren Schnäbeln sich Wasser ergießt. Das Gesicht des Heiligen schaut nach der Aktivierung plötzlich sehr ernst... Ziel der Falle ist es natürlich, Einbrecher zu ertränken. Möglichkeiten zu Entkommen: Schwachstelle finden (Entropie), Gegenmagie (schwierig), den Heiligen Meinrad anrufen (Wissenswurf, ob sie diesen Heiligen kennt). Zeitmagie kann auch helfen, indem sie versucht hier in die Vergangenheit zu blicken. Bei Erfolg hört sie das ferne Echo eines Lobgesangs auf Meinrad.

Auch im Arbeitszimmer finden sich wieder einige zerstörte Statuen und Brandspuren. Das Haus ist nicht abgebrannt, denn die Fallen haben eine besondere, heilige Art von Feuer erzeugt, welches nichts beschädigt, dass es nicht zerstören soll.

Doch Obacht, denn auch der Eburone hat für Adriano eine fiese Falle hinterlassen:

An der Wand wurden Worte eingebrannt. Dort steht „Superbia, Avaritia, Gottesmann. Wissen Deine Brüder, was Du genommen hast?

Einziges Ziel dieser Worte ist es, Adriano an die Stelle im Raum zu locken, von wo man sie gut lesen kann. Sobald man an die Stelle tritt, schießen Ketten aus Boden und Wänden und legen sich um die Gelenke des Opfers. Mit Magie sind sie kaum zu lösen. Zum Glück hat Consuela andere Möglichkeiten. Von der Decke seilt sich dieweil eine dicke Spinne herab, gerade außer Reichweite. Sie ist von etwas Schleimigen umgeben und beginnt nun zu wachsen. Nach ein paar Runden ist sie groß wie ein Hund, dann wie ein Pony. Sie wird den Gefangenen angreifen. Für die – ausgewachsenen – Werte s. Infernalism, S. 114, Markadu. Natürlich hat Consuela keinerlei Chance gegen die ausgewachsene Spinne, doch wenn sie schnell genug ist, kann sie sie einfach zertreten, wenn das Vieh auch einen harten Panzer hat (ja, ungewöhnlich).

Der Schreibtisch wurde durchsucht. Es finden sich noch Papiere mit irgendwelchen kirchlichen Schreiben, jedoch nichts von Bedeutung.

Bei gründlicher Suche findet man noch einige wertvolle Gegenstände, wie eine feine Schreibfeder mit Griff aus Elfenbein und einige Heiligenfiguren aus Bernstein.

Vom Flur an der Treppe aus geht ein weiteres, schmales Treppchen in das  3. OG. Dort ist nur die Kammer des Nikolaus. Sie enthält ein schmales Bett, eine Kiste mit mageren Habseligkeiten und einen zerbrochenen Spiegel. Dieser ist auffällig, weil er so eine ungewöhnliche Form hat. Der Rahmen hängt an der Wand, sieben Teile liegen davor. Es ist ein Korrespondenzzauber. Setzt Consuela den Spiegel zusammen, kann sie darin Teschio, den Schädel, sehen. Befreit sie ihn, bietet er ihr einen Bund an. Er sagt, sie müsse ihn nähren, dafür wolle er ihr mit seinem Wissen helfen. Der Pakt muss mit Blut besiegelt werden (muss verbrannt werden, um in eine ätherische Form zu kommen).

Nimmt sie sein Angebot an, so ändert sich sein zuvor etwas düsterer, formeller Charakter und er wird etwas freundlicher, fast ein bisschen überdreht. Er nimmt stets in großen Teilen den Charakter seines jeweiligen Herrn an – und in Consuelas Fall spielt ihr elfisches Erbe wohl eine Rolle.  

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Consuelas 2. Einzelmodul

Das nächste Modul soll Consuela näher mit Teschio zusammenbringen.

Möglicherweise gelang es Teschio bereits, aus dem Spiegel herauszukommen. Es dürfte genügt haben, dass Consuela das Portal kurz geöffnet hatte. Bevor sie es merkte, entkam er seinem „Gefängnis“ schon. Oder er flieht bei ihrer nächsten Kommunikation.

Er macht sie darauf aufmerksam, dass sie einige Spuren hinterlassen hat und dass sie sich besser schützen muss. Da sie nicht weiß, wie das geht, will er es ihr beibringen… Seine Lehrmethoden sollten sehr, sehr eigen sein.

In der Totenwelt, also dem Niederen Umbra, herrscht ziemliche Unruhe.

Der Schatten so manch eines ehemaligen „Bewohners“ der Insel, der hier sein Leben ließ, ist an diesen Ort gebunden. Die schiere Zahl der Pestopfer hat zu einer ungewöhnlich hohen Dichte an Toten geführt. Der Aspekt des Niederen Umbras ist hier kaum erträglich.

Es fällt den meisten nicht auf, da ihnen das nötige Gespür fehlt. Doch Consuela muss dies (inzwischen) sehr deutlich merken.

Sie spürt Geister wie einen kalten Hauch, starke oder mehrere dagegen durch ein plötzliches Herabsinken der Umgebungstemperatur.

Nun ist irgendetwas geschehen, was auch die weniger Sensiblen unter den Bewohnern bemerken lässt, dass etwas vor sich geht.

Dinge bewegen sich ohne Grund, nebelhafte Erscheinungen, lokale Temperaturstürze, düstere Visionen.

--> Was an Toten auf der Insel ist, hat meist längst den Verstand verloren. Dies sind keine kommunikativen Seelen, sondern nur noch gebündelte Emotionen. Um solche Wesen loszuwerden, müsste man ihren Fetter finden und vernichten. Häufig sind das ihre eigenen Überreste, manchmal vielleicht auch irgendeine Sache, die hier noch verrottet. Totengeister sind in aller Regel nicht zu weit entfernt von ihren Fettern.


Grund für den Aufruhr ist ein Gegenstand, der unlängst auf die Insel gelangt ist. Es handelt sich um ein goldenes Kreuz auf einem Standfuß. Es ist kein einfaches Standkreuz, sondern ein Reliquienbehälter, welchen Consuela bei ihrem letzten Einbruch eingesackt hat. Das war die Villa des Priester-Magus Adriano De Castello. Der Behälter enthält ein paar (undefinierte) Überreste eines Heiligen, was dem Gegenstand Wahren Glauben verleiht. Darum geht von diesem Gegenstand ein Effekt auf seine Umwelt aus. Die zahlreichen toten Seelen in der Umgebung des Lazzaretto sind nicht zu sehr von seiner Gegenwart angetan. Die Insel ist klein, die Zahl der hier verbliebenen Toten wie gesagt verhältnismäßig groß.

Diebesgut lagert Jaquopo in einer gut verschlossenen eisernen Truhe in seinem Zimmer (Diff. 8, 3 Erfolge). Die Truhe ist vermeintlich so schwer, dass man sie nicht anheben kann. Tatsächlich hat das noch einen anderen Grund. Das Schloss an der Truhe ist sehr gut, außerdem steht fast ständig jemand an der Tür und bewacht diese. Dieser Tage sind es sogar zwei Kinder. Jaquopo ist kein Narr. Außerdem würde jemand, der in seinem Zimmer erwischt wird, natürlich sehr große Probleme bekommen.

Schafft man es in seinen Raum und öffnet man die Truhe, so findet man darin etliche Säcke voll mit Münzen und allerlei kleineren Kostbarkeiten. Der Wert des Inhalts sind sicher 250 Zecchinen. Das Zeug ist aber nur Alibi-Material. Räumt man die Truhe aus, kann man bei näherer Untersuchung möglicherweise ein Schiebefach im Boden ausmachen. Öffnet man es, so ist dahinter ein viel komplizierteres Schloss (Diff. 9, 3 Erfolge). Es hat sogar eine klassische Giftnadel-Falle. Wenn man es öffnet, findet sich dahinter eine schmale Treppe im Boden. Sie führt in einen Raum, der mit all den besten Stücken gefüllt ist, die Jaquopo über die Jahre gesammelt hat. Der Inhalt des Raumes ist mehrere tausend Zecchinen wert, allerdings nicht sehr gut zu transportieren. Zwischen den zahlreichen Kostbarkeiten befindet sich auch das Kreuz von De Castello.

Jaquopo einfach das Problem zu schildern und um das Kreuz zu bitten, würde nichts nutzen. Erstens würde er nicht glauben, dass das Kreuz etwas mit den Toten anstellen soll. Zweitens wäre es ihm egal.

Wenn Consuela auf der Insel und bei den La Gazza bleiben will, muss sie irgendwie eine Lösung für das Problem suchen. Teschio könnte dabei helfen.

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1. Modul - Der Hexer

Es ist der 30.12.1413, einen Tag vor Ende des Wettbewerbs.

Ein Hexer namens Milos will auf der Insel einige Überreste von Pestopfern sammeln, die er für ein Ritual benötigt. Als er die Insel sieht, will er sie für sich in Besitz nehmen. Er hat sie als Ort voller Kraft erkannt. Dem Genius Loci gefällt das nicht.

Milos ist zwar ein älterer Mann, doch wirkt er, als habe ihn die Zeit nur härter und widerstandsfähiger gemacht. Sein Haar und sein Bart mögen grau sein, doch sein Gang ist aufrecht und seine Glieder kräftig. Er trägt eine lederne Arbeiterhose und ein schwarzes Wams aus Samt mit grau geschlitzten Ärmeln. Darüber hat er einen weiten, dunklen Mantel, der dem Wetter angemessen ist.

Werte:

Str. 3, Dex. 2, Stam. 4; Char. 4, Manip. 3, App. 2, Perc. 3, Intel. 2, Wits 3.

Abilities: nach Erforderlichkeit 1-3, Willen: 6

Dämonische Beschwörungen: Level 3; „Tempestoro“

Faszination: Level 4 (Wurf: Manip./Char./App. + (Occult) 3); besser ausspielen statt würfeln. Gedankenmagie und ähnliches machen die Einflussnahme schwer bis unmöglich.

Besitz: Charisma+2-Potion (Dauer: 1 Szene, anschl. unangenehme Nebeneffekte), 2 Dolche

 Als er die Insel unerwartet bewohnt vorfindet, beschließt er die Kinder in Angst und Schrecken zu versetzen und sie so zu vertreiben. Sollten wider Erwarten einige bleiben, will er sie anschließend zu seinen Sklaven machen. Er schickt den Tempestoro Dämon mit dem Auftrag, auf der Insel für Chaos zu sorgen und alle Erwachsenen zu töten.  

Der Hexer hat ein Major Binding mit einem Tempestoro-Dämon durchgeführt (vgl. Book of Madness, S. 131). Dieser muss ihm in nächster Zeit dienen.

 

Szene 1:

Milos erreicht die Insel und beobachtet eine Weile aus dem Dickicht das Treiben der Kinder. Es ist Dämmerung, die meisten der Kinder sind unterwegs. 

Nun beschließt er, den Dämon zu beschwören und ihn auf das Gebäude loszulassen. Der Tempestoro erscheint in seiner büffelartigen Gestalt mit sich wandelnder Essenz. Mal ist er Nebel, mal Eis, mal Feuer, mal Wasser, mal Blitz – je nachdem, welches Material er gerade angreift. Sein Kopf hat mehrere schwarze Augenpaare, wie ein Insekt. Er kann jederzeit wieder verschwinden, wenn die Situation es erfordert. Die La Gazza werden einfach nur fliehen. Jaquopo wird sich in seinem Zimmer verbergen.

Wer weiß, was die Charaktere tun…(dran denken, dass Falso geschwächt ist).

 

Szene 2:

Wenn sie den Dämon besiegen, wird der Hexer jedenfalls im Verborgenen bleiben, es sei denn es sind nur so wenige übrig, dass er sie alleine überwältigen könnte. Dann wird er einen neuen Angriff planen. Rache ist süß und so.

 

Andernfalls betritt der Hexer nach einer Weile das Lazzaretto und befehligt den Dämon. Dann wendet er sich an die Kinder. Er will ihnen das Leben schenken, wenn sie geloben ihm zu dienen. Natürlich werden die meisten im Zweifel eingeschüchtert genug sein, um das zu tun. Sollte der Krächzer bis hierher überlebt haben, wird er sich verkrümeln. Er wird sich Hilfe aus der Stadt holen und den Fremden bekämpfen.

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2. Modul - Die Zweite Prüfung

Es ist der 31.12.1413. In der Nacht zuvor fand der Angriff des Hexers Milos statt. Von dem besagten Angriff haben die Kinder lediglich bemerkt, dass ein Dämon in der Gestalt eines Tieres sie angriff. Die Idee, dass jemand diesen Angriff gelenkt haben könnte, kam ihnen bislang nicht. Milos Plan die Kinder zu vertreiben ist zu seiner größten Verwunderung gescheitert. Da das meiste im Inneren des Gebäudes geschah, sah er nichts und weiß nicht was geschah. Er hat sich zurückgezogen und wird zu gegebener Zeit einen neuen Versuch starten. Milos Werte finden sich in Modul 1 und im Wiki.

Der Krächzer hat den Kindern dieweil aufgetragen die Trümmer fortzuschaffen und aufzuräumen. Die Schäden werden repariert, wo es möglich ist. Mehr Kinder werden zum Wachdienst eingeteilt.

Der Wettbewerb endet ebenfalls heute Nacht. Doch bevor die Einteilung der Neuen beginnt, soll ein weiterer Wettkampf noch einmal deren Eignungen feststellen.

Daher ist es Zeit zu zählen, was die Spieler erbeutet haben.

Consuelas Beute:

 Cassios Beute:

Gesamtwerte der abgegebenen Beute:

Consuela 1134 Zecchinen Cassio 1155 Zecchinen und 10 Pfennige

Grundsätzlich sieht es nach diesem Ergebnis sehr gut aus für beide Spieler, beides sind unglaublich hohe Ergebnisse. Da es um Schätzwerte geht, kann man sagen, die Spieler sind gleichauf. Consuela hat eben nur das Problem, das sie wegen ihres hohen „Arcane“-Hintergrundes allzu leicht übersehen wird.

Die drei Anführer sind unterschiedlicher Natur und es kommt freilich auch auf Sympathien an. Daher werden soziale Attribute bei der Auswahl ebenfalls eine Rolle spielen. Consuela muss sich bemühen, dass man sie nicht dauernd vergisst.

Julian spricht für die Battistrada, Gian für die Risa und Daniele für die Scavalcari. Grundsätzlich haben sich alle für die 2. Runde qualifiziert, die genug zusammengestohlen haben oder sich besonders geschickt angestellt haben.

Die Konkurrenz besteht aus acht anderen Kindern: Ieronimo, Filipo, Antonio, Pico, Annibale, Barbera, Riccia, Caterina. Einige haben spezielle Begabungen.

Ieronimo ist mutig und ein bisschen verrückt. Er ist einfallsreich. Wits-Bonus (Test 2 gelöst)

Pico ist nicht nur klein, sondern auch schnell und scharfäugig. Perc.-Bonus

Riccia geschickt. Dex.-Bonus

Filipo ist stark. Str.-Bonus

Antonio ist klug und kombiniert gut. Int.-Bonus (Test 2 gelöst)

Barbera ist gut darin, andere zu beeinflussen. Mani.-Bonus

Caterina sieht schön aus und nimmt andere damit für sich ein. App.-Bonus

 Durch die jeweiligen Tests kann man noch mal auf sich aufmerksam machen und Stärken demonstrieren, aber auch Vorlieben.

Den Battistrada-Test machen alle gleichzeitig. Beim Test der Scavalcari sehen sogar alle zu. Am kompliziertesten ist aber der Test der Risa. Hier muss jeder alleine in den Raum. Eine Glocke klingelt vor dem Raum, sobald eine Falle an der Taschendiebstahl-Puppe ausgelöst wurde (die Bodenfallen lösen nichts aus, doch tritt man in ein Loch, ist es wahrscheinlich, dass die Dreharme einen erwischen und dass zumindest das Ei auf den Boden fällt).

Dieser Test gilt nur als bestanden, wenn man aufhört, bevor eine Falle ausgelöst wurde. Je mehr man erbeutet, desto besser.

  

Der zweite Wettstreit

·        Battistrada-Test: Dieser Test ist der erste und wird in der Stadt, im Viertel San Polo durchgeführt. Drei „Ziele“, erkennbar an Kappen unterschiedlicher Farbe, flanieren für eine Stunde durch das Viertel. Man soll sie finden und auf ihren Wert einschätzen. Aber Vorsicht, wenn die Ziele ihre Beobachter erkennen, sind diese raus.

Diese Aufgabe ist mehrteilig.

Auffinden der drei „Ziele“ im Viertel: Wits + Larceny, Diff. 7. Jeder Erfolg ist einer der drei Jungs. Ein Wurf pro halbe Stunde, also insg. 2 Würfe. Wer alle Ziele erst in der zweiten Hälfte findet, bekommt eventuell Zeitdruck, was die kommenden Würfe erschwert.

Beobachten, ohne gesehen zu werden: Dex + Stealth, Diff. 7. Das ist die Grundschwierigkeit, da die Jungs und Mädels aufpassen werden. Arcane erleichtert die Bemühungen, ebenso wie gute Ideen. Die Beobachtungen sollten einige Zeit beanspruchen, denn die Ziele haben ihre Güter gut verborgen.

Einschätzen: Perception + Larceny, Diff. 8.

Sowohl Magie als auch Spezialwissen können helfen, etwa Investigation und div. Crafts. Die an den Zielen verstauten Reichtümer sind gut verborgen. Etwas Wertvolles um den Hals, eine Brosche am Revers, ein kostbarer Ring, ein Geldbeutel im Wams – neben dem schmaleren am Gürtel.

Eines der Ziele ist ein Blender. Seine „Schätze“ sind alle nichts wert, der Beutel ist voller Pfennige.

 

·        Scavalcari-Test: An einem glatten Pfahl hinaufklettern und oben ein Seil lösen, dass an einem kleinen Ring angeknotet ist. Klettern Diff. 8. Bis oben braucht es 7 Erfolge (rund 10 Meter). Dann muss man sich halten und gleichzeitig den Knoten lösen.

Halten ist entweder eine Stärkeprobe. Dann braucht es eine Stärke von 3, notfalls Erfolge per Willen vs. Diff. 9. Oder es ist eine Frage der Technik, also Geschicklichkeit. Dann ist ein Wurf von Dex + Athletics gg. Diff 6 erforderlich. 2 Erfolge sollten genügen. Was es ist, hängt von der Beschreibung der Klettertechnik ab.

Wenn das folgende Knotenlösen zu lange dauert, muss diese Halte-Probe wiederholt werden.

Entropy/Time könnten etwas darüber verraten, wie es leichter geht und evtl. auch die Schwierigkeit des Kletterns um 1 senken. Forces hilft natürlich sowieso.

Um den Knoten mit einer Hand zu lösen, muss grundsätzlich Dex + Larceny gewürfelt werden. Es sei denn, jemand hat eine andere Methode gefunden. Den Knoten bekommt mit man mit 5 Erfolgen gegen die 9 auf. Ja, das SOLL schwer wie Sau sein.

Wenn man es nicht schafft, aber sich gut schlägt, ist auch viel gewonnen. Ganz bekommen das ohnehin nur die Wenigsten hin.

Auch beim Knoten kann man sich grundsätzlich gut mit Magie helfen. Aber ohne Vorbereitung wird das eher schwer. Denn wie setzt man seine Foci ein, wenn man erst an einem Pfosten hängend merkt, dass man sie braucht? 

·        Risa-Test: Die La Gazza haben in einem Raum eine Klingelpuppe („Berta“), an welcher die Neuen üben können. In einem anderen, älteren und inzwischen sehr staubigen Raum steht eine zweite Klingelpuppe (die „Alte Berta“), welche nicht alle kennen und die seit Jahren nur noch zu besonderen Anlässen genutzt wird. Etwa zu Prüfungen wie dieser hier. Warum? Weil es als nahezu unmöglich gilt, die Puppe komplett zu leeren. Sie wurde von einer Legende entwickelt und konnte bislang von niemand anderem „bezwungen“ werden. Darum die neuere Puppe, die einfacher und dem alltäglichen Stehlen „näher“ ist.

Die Alten Berta steht auf einer Federung und man muss ihr in die Taschen greifen ohne dass ein Ei herunterfällt, welches in einem sehr kleinen Schälchen auf ihrem quadratischen Kopf liegt, ohne über einen der zahlreichen versteckten Drähte die Klingel ertönen zu lassen oder eine der vielen Fallen auszulösen, mit welchen sie gespickt ist. Außerdem muss man schauen, wo man seine Füße hinsetzt. Denn der sogar Boden um sie herum verbirgt ein paar Kniffe.

 Der Boden um die Puppe herum ist stellenweise präpariert:

Während die Puppe auf ihrem federnden Sockel in eine Richtung dreht – in unregelmäßiger Geschwindigkeit, dreht sich der Boden um die Puppe (eine Ring) in die entgegen gesetzte Richtung. Die langen, ausgebreiteten Arme der Puppe reichen über diesen Ring. Da die Arme jeweils ein Stück nach oben und nach unten ausgestreckt sind, ist man gezwungen ihnen auszuweichen, wenn man nahe heranwill. Um diesen Ring ist ein weiterer Ring – außerhalb der Reichweite der Arme. Dieser dreht sich wiederum in entgegen gesetzter Richtung. Durch beide Ringe ziehen sich Rillen, wie die Striche auf einem Ziffernblatt. Unter einigen sind Klappen, und setzt man den Fuß dort auf, tritt man in ein Loch. An anderen Stelle dreht sich die Bodenplatte, sobald man auftritt – man macht also eine Pirouette, wenn man es schafft das Gleichgewicht zu halten.

Bei genauem Hinsehen kann man erkennen, ob vor einem eine Falle ist. Doch ist es menschlich kaum möglich sich alle Fallen einzuprägen, da die Markierungen alle gleich aussehen und sich dauernd drehen. Vor jedem Versuch kann der Spieler schauen, ob er den Weg vor sich für frei von Fallen hält. Ob das gerade eine Falle auf einem der beiden Ringe ist, richtet sich nach einer 50/50 Chance.

Ob man solche Fallen rechtzeitig erkennt bzw. reagieren kann, sagt ein Check.

Erkennen muss man die Fallen vor jedem einzelnen Zugriff auf die Puppe:

Perc. + Alert., Diff. 7.

Bei fehlerhafter Einschätzung sieht man Fallen, wo keine sind oder erkennt nicht die tatsächlichen.

Da die Puppe zu raschen Reaktionen zwingt (sie dreht sich mit weiten Armen), kann man auch nicht einfach vor ihr stehen bleiben, sondern ist gezwungen vor und zurück zu tanzen bzw. sich zu ducken und zu springen. Nähert man sich also für einen Versuch und hat man eine Falle erkannt, so muss man ihr auch entfleuchen: Dex + Ath, Diff. 6

Die Puppe selbst:

Sie hat etliche Taschen und steht auf einer Feder, welche wiederum auf einem Sockel angebracht ist. Sie dreht sich, nachdem man den Mechanismus mit einem großen Rad aufgezogen hat. Ihr Kopf ist ein Leinensack, die Augen angenähte Knöpfe.

Das Ei liegt oben auf einer Art Unterteller. Ist man tollpatschig, gibt es Omelett. Oder sie bimmelt, eine Mäusefalle schnappt zu, einen Schlinge schließt sich um die Hand, etc. Selbst an ihrem Sockel sind feine Fäden, vielleicht aus Seide, welche an Glöckchen ziehen, wenn sie etwas berührt. Das macht es schwer, wenn Dinge herunterfallen, z.B. abgeschnittene Geldbeutel.

Berta verbirgt eine Geldbörse im Wams (7), eine Kette am Hals (8), einzelne Münzen in den diversen Taschen (8), 3 Ringe (9), einen kostbaren Dolch (7), ein seidenes Halstuch (8), fein bestickte Hosenträger (9) und schließlich ein silbernes Pillendöschen an einer Kette (10, 3 Erfolge).

 Nur Mimi, die Goldene Hand, hat die Puppe jemals erfolgreich komplett ausgenommen. Das war vor gut 10 Jahren und niemand weiß nichts Genaues über Mimis Verbleib. Sie hat die Puppe allerdings auch gebaut. Consuela hat Mimi in einer Vision als junges Mädchen gesehen. Sie ist schlank und recht groß gewachsen, hat braunes, verfilztes Haar, welches gut zu einer Piratin passen würde. Ihr Gesicht ist recht hübsch und ein wenig wild. Ihre Bewegungen sind tänzerisch und anmutig, noch mehr als bei Consuela selbst.

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